Im 30jährigen Krieg total verwüstet

Helsa, zwischen Kassel auf der einen, und Hessisch-Lichtenau sowie Witzenhausen auf der anderen Seite, liegt in einer Talsenke, umrahmt vom Grün nordhessischer Berge, dem Kaufunger Wald, der Söhre und dem Meißner. Ein malerischer Luftkurort mit einem denkmalgeschützten Ortskern, der gespickt ist mit Fachwerkhäusern, die zum Großteil vier Jahrhunderte alt sind. Das heißt, viele von ihnen stammen aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg; denn 1634 wurde das in 1353 erstmals erwähnte Dorf von den kaiserlichen Truppen gebrandschatzt. Es erholte sich. Alte Chroniken vermelden, dass Helsa im Jahr 1788 bereits wieder 800 Einwohner hatte. Das waren exakt 157 Männer, 198 Weiber, 188 Söhne, 234 Töchter, 10 Knechte und 13 Mägde. Sie alle lebten und leben heute in einem Dorf, dessen Name von den Historikern unterschiedlich interpretiert wird. Die einen sagen schlicht, Helsa verweise auf "Hel" (Moor, Sumpf); andere sind romantischer. Für sie leitet sich der Name vom altdeutschen "helan" (geborgen) und "ahe" (Bach) ab. Somit bedeute Helsa (früher auch Hlsen) "am Bach geborgen, behütet".

Eines der größten Waldgebiete Deutschlands

Da nun dieses Helsa inmitten eines der größten geschlossenen Waldgebiete Deutschlands mit großflächigen Buchen- und Eichenschlägen liegt, in denen sich eine Vielzahl seltener und vom Aussterben bedrohter Pflanzen- und Tierarten findet, ist der Ort mit seinem alles beherrschenden Wehr-Kirchturm ein Dorado für Wanderfreunde geworden. Und zwar im Sommer wie im Winter. In den bewaldeten Höhen rundum können beispielsweise so genannte Bilsteine bewundert werden. Das sind majestätische, kräftige Basaltkuppen, Überbleibsel des im Tertiär hier aktiven Vulkanismus. Der Basalt trug auch bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg in Helsa selbst zum Broterwerb nicht weniger Einwohner bei: Am Steilhang unweit des Bahnhofes gab es einen großen kommerziell genutzten Steinbruch.

Hier wurden auch Hugenotten angesiedelt

Ein nächster Wandertipp ist der Flecken Sankt Ottilien. Sein Ursprung geht auf das Jahr 1699 zurück. Seinerzeit erhielten 14 Hugenottenfamilien, die wegen ihres Glaubens Frankreich verlassen mussten, von Landgraf Karl von Hessen die Genehmigung, sich hier anzusiedeln. Und wer auf diesem historischen Grund weiter wandern will, der kann westlich von Sankt Ottilien den "Franzosentriesch" ansteuern. Es ist heute ein Waldstück, in dem die in Ottilien angesiedelten Hugenotten ihr Vieh weiden lassen konnten. Dort in der Nachbarschaft findet sich ein alter Brunnen, der bereits im Jahr 1353 in alten Schriften Erwähnung gefunden hat. Heute ist er gefasst und nach dem einheimischen Volksdichter Johann Lewalter benannt. Und schließlich: Weil Helsa, Rumpelstilzchens Heimat, logischerweise an der deutschen Märchenstrasse liegt, ist der Ort auch bequemer Ausgangspunkt für einen längeren Streifzug durch die Welt der Brüder Grimm.

Chemie-Nobelpreisträger Ziegler stammt aus Helsa

Von der Märchenwelt zur Realität. Helsa hat auch einen leibhaftigen Nobelpreisträger aufzuweisen. Es ist der am 26. November 1898 als Sohn des örtlichen Pfarrers geborene Karl Ziegler. Mit seinen Entdeckungen auf dem Gebiet der Polymeren hat er zusammen mit dem Italiener Giulio Natta wesentlich zur industriellen Massenproduktion von Kunststoffen beigetragen. Beide wurden in 1963 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Wobei das Echo zwiespältig war. Denn Ziegler war in der Zeit des Nationalsozialismus förderndes Mitglied der SS. Er erhielt das Kriegsverdienstkreuz – denn seine Forschungsarbeiten waren für die militärische Nutzung durch die deutsche Wehrmacht gedacht.

Nationalsozialistische Vergangenheit

Das rührt an ein trüberes Kapitel Helsaer Dorfgeschichte. Die fing damit an, dass der zuvor politisch stark sozialdemokratisch geprägte Ort bei den Wahlen Anfang der 1930er Jahre mit fliegenden Fahnen ins NS-Lager wechselte. Die SPD schrumpfte 1932 von 49 auf 14 Prozent; die NSDAP kam sozusagen aus dem Stand auf über 50 Prozent. Der "Lohn" kam bald: Das schon im Jahr 1912 für das X. Hannoversche und XI. Hessische Armeekorps gebaute großzügige Genesungsheim – Helsa war 1897 zum Luftkurort ernannt worden – änderte bald Charakter und Aufgabe: 1936 wurde daraus eine Motorsportschule des Nationalsozialistischen Kraftfahr-Korps (NSKK). Hier erhielten die jungen Soldaten ihre Kfz-Ausbildung, vom Führerschein bis zur "körperlichen Ertüchtigung". Und dem hat Helsa auch sein schon damals großzügiges Freibad zu verdanken; in seinen Maßen bis zum Kriegsende das einzig wettkampf-taugliche weit und breit. Die zwölf "braunen Jahre" werden heute gern ausgeblendet. Die Motorsportschule des NSKK oberhalb des Dorfes traumhaft gelegen, ist Altenheim geworden.

Wilhelm Keil: der Demokrat

Aber auch demokratische Traditionen haben sich erhalten: Aus alter Helsaer Familie stammt beispielsweise Wilhelm Keil, von 1910 bis 1932 als Sozialdemokrat Mitglied des Berliner Reichstags, dann nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner schwäbischen Wahlheimat – er wurde Ehrenbürger von Ludwigsburg bei Stuttgart – Präsident des Württemberg-Badischen Landtags.

 

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