Ein Leben mit Randgruppen-Image - Lebensform Homosexueller und die Ressentiments der Gesellschaft

Noch vor dreißig Jahren galt Homosexualität in der Gesellschaft als verpönt und viele, die homosexuelle Neigungen hatten, versteckten sich aus Angst vor eventuellen Repressalien durch den Arbeitgeber, den Bekanntenkreis oder gar die eigene Familie. Die Problematik der Immunschwäche-Erkrankung Aids trug das ihre dazu bei, dass viele Homosexuelle nur im Verborgenen ihre sexuellen Neigungen auslebten und in eine Subkultur abtauchten, die ihnen Schutz vor schiefen Blicken oder sogar Anfeindungen garantierte. Selbst, als in Deutschland die große sexuelle Aufklärungswelle aller Kolle ins Rollen kam, war die gleichgeschlechtliche sexuelle Neigung noch immer zum Versteckspiel verurteilt.

HIV und Aids brachten die Homosexualität ins Gespräch

Die ersten Fälle von HIV-Infektionen und der Tod Aids-kranker Homosexueller sorgte Mitte der 80er Jahre dafür, dass sich auch die Gesellschaft diesem Thema nicht mehr verschließen konnte. Die gesundheitlichen Risiken bei ungeschütztem, gleichgeschlechtlichem Verkehr wurden zunehmend diskutiert und gaben den Anstoß, sich mit der Homosexualität intensiver auseinanderzusetzen. Dennoch hatten gerade Homosexuelle, die sich mit dem HI-Virus infiziert hatten noch lange mit Widerständen zu kämpfen. Der Hollywoodstreifen "Philadelphia", in dem Tom Hanks und Denzel Washington die Hauptrollen spielten, macht die damalige Problematik auf sehr eindrucksvolle und einfühlsame Weise deutlich. Viele Menschen vermieden aus Angst vor einer Ansteckung jeglichen Kontakt mit Homosexuellen, was zu einer starken Ausgrenzung und nicht selten Vereinsamung von Schwulen führte. Inzwischen ist aber erwiesen, dass nur sexueller Kontakt und Austausch von Körperflüssigkeiten zur Ansteckung führt. Zudem ergaben immer neue Studien, dass nicht nur homosexuelle Personen von Aids betroffen sind.

Freddie Mercury, Rock Hudson und andere Persönlichkeiten starben an den Folgen von Aids

Auch der Umstand, dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an der Immunschwäche Aids erkrankten und schließlich starben, hat maßgeblich zur Thematisierung der Homosexualität in der Gesellschaft beigetragen. Spätestens als 1985 Rock Hudson an den Folgen von Aids starb, wurde deutlich, dass Homosexualität durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch ein Thema war und noch immer ist.

So musste die Musik- und Filmwelt in den nächsten Jahren von vielen Stars Abschied nehmen, von denen nur wenige wussten, dass sie homosexuell waren. Der bekannte Pianist und Entertainer Liberace erlag 1987 den Folgen der Immunschwäche-Krankheit, im Jahre 1988 erlebte die schwule Erotikwelt einen Schock, als mit John C. Holmes – einer der bekanntesten Pornodarsteller – an Aids starb. Zwischen 1990 und 1995 folgten der US-amerikanische Schauspieler Brad Davis, der Queen-Sänger Freddie Mercury, Anthony Perkins und der berühmte Balettstar Rodolf Nureyev. Auch deutsche Stars blieben nicht verschont. Neben den Schauspielern Kurt Raab und Manfred Seipold starb auch der bekannte Tennisspieler Michael Westphal an den Folgen der Immunschwäche.

Selbstverschuldetes Randgruppen-Image

Leider konnte das Image einer Randgruppe bisher nicht abgelegt werden. Zu diesem Image hat, das muss eingestanden werden, auch das oft verantwortungslose Sexualverhalten vieler Homosexueller beigetragen. Die Infektionsrate mit Aids gerade bei Homosexuellen sinkt leider nicht exorbitant, was ein verantwortungsbewusstes Handeln untermauern würde. Diese Tatsache zeigt sehr deutlich, dass die Angst vor der Immunschwäche bei vielen nicht mehr oder nur noch rudimentär vorhanden ist. Dies ist sicher ein Grund dafür, dass die homosexuelle Community ihr Randgruppen-Image bisher nicht völlig abstreifen konnte. Zu stark (und leider zu recht) wird Aids nach wie vor mit Homosexuellen in Verbindung gebracht und diese gesellschaftliche Gruppe gilt immer noch als Verursacher Nr. 1 für die wachsende Verbreitung dieser so schlimmen Krankheit. Deshalb muss auch die schwule Welt daran arbeiten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Denn nur auf diese Weise sind Vorurteile in der Gesellschaft zu überwinden.

Trotz aller Offenheit ist Homosexualität noch immer ein Problem

Auch wenn sich unsere deutsche Gesellschaft als weltoffen und tolerant gegenüber Randgruppen präsentiert, gibt es immer noch viele, die Homosexuelle schief anschauen oder sich beim Anblick eines gleichgeschlechtlichen Paares einen Kommentar nicht verkneifen können. So lebt man in manchen Bezirken der Hauptstadt immer noch gefährlich, wenn man seinen Partner in der Öffentlichkeit küsst oder gar Hand in Hand durch die Straßen läuft. Zwar hat sich die homosexuelle Community in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen größeren Platz und Gehör in der Gesellschaft erkämpft, hat ihre Anliegen bis in die Politik getragen und den einen oder anderen Sieg errungen. Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft beispielweise ist mittlerweile vom Staat anerkannt und man darf sie sogar auf dem Standesamt eintragen lassen. Dennoch ist Homosexualität in den Köpfen vieler immer noch ein Stein des Anstoßes und nicht selten Grund für verbale oder körperliche Übergriffe, so dass die Notfall-Telefone für homosexuelle Überfallopfer auch heute noch nicht stillstehen. Erstaunlicherweise sind es zunehmend Jugendliche, die trotz eigener Rebellion gegen gesellschaftliche Normen häufig Aggressionen gegen Homosexuelle entwickeln und bisweilen zu brutalem Vorgehen gegen diese Gruppe neigen. Vor allem hier gilt es, Vorurteile abzubauen.

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