"Huhn mit Pflaumen" - der zweite Film der gebürtigen Iranerin Marjane Satrapi

Ihr erster Film "Persepolis" sorgte für Aufsehen, da Satrapi mit herzerwärmender Offenheit und Natürlichkeit über ihr Leben im Iran berichtete. Noch vor Erscheinen des Films hatte die Regisseurin einen gleichnamigen Comic herausgebracht, der auch in Deutschland schnell zu einem Best- und Dauerseller wurde. Auch diesmal hat das Multitalent, das zur Zeit in Paris lebt, wieder zunächst einen Comic verfasst. Dieser besticht, ähnlich wie "Persepolis", vor allem durch die Klarheit der Zeichnungen. Die Comicautorin nutzt keine Farben, trotzdem erhalten ihre Figuren in der schwarz-weiß-Gestaltung eine erstaunliche Plastizität und Klarheit. Der Schritt zur Verfilmung scheint auch diesmal wieder ein ganz natürlicher gewesen zu sein. Als Regisseurin hat Satrapi ihre Schauspieler sorgsam ausgewählt, sie erwecken den Eindruck geradezu den Buchseiten ihres Buches entsprungen zu sein. 

Eine tieftraurige Geschichte von Liebe und Sehnsucht

Satrapi beginnt ihre Geschichte scheinbar heiter. Mit ironischem Augenzwinkern berichtet sie von einem Musiker, der beschließt, zu sterben. Dieser Entschluss wird ihm nicht leicht gemacht, da schon die Wahl der Todesart zur Qual wird. Er möchte niemandem zur Last fallen, indem er sich z.B. vor einen Zug wirft und auch nicht in seiner Todesstunde grässlich verzerrt erscheinen, wie es seines Erachtens wohl kommen würde, wenn er sich eine Tüte über den Kopf zöge. Außerdem möchte er Rücksicht auf seine Kinder nehmen, schließlich ist es möglich, dass sie ihn auffinden. Trotz dieser Wiedrigkeiten, verrät die Erzählerstimme bereits zu Beginn des Films, dass der Protagonist in genau acht Tagen tot sein werde.

Huhn mit Pflaumen - der Trailer

Nach und nach wird nun aufegrollt, wie es zu der Selbstmordabsicht des Geigers kommen konnte. Ein Streit mit seiner Frau - heftige Worte - der Griff zur Geige - die Scherben. Danach die unerfreuliche Suche nach einer neuen Violine. Satrapi komponiert ihre Bilder mal scharf aneinander geschnitten, mal erzählt sie nahezu episch. Sie lässt ihren Protagonisten auf so sonderbare Charaktere wie einen engagierten Antiquar (herrlich gespielt von Jamel Debbouze) treffen, der ihm eine "echte" Stradivari verkauft. Doch mit seiner alten Geige, scheint auch die Musik in dem Musiker zerbrochen zu sein. Erst nach und nach lässt der Film ein Gesamtbild der Geschichte vor dem Auge des Zuschauers entstehen. Unterbrochen durch die Erzählung der gegenwärtigen Situation und von Vorausschauen, die die Zukunft seiner Familie illustrieren, erzählt Satrapi die Geschichte einer großen Liebe.

Als junger Mann verreiste der Musiker, um bei einem Meister seine Kunst zu verfeinern. Auf einem Marktplatz verliebt er sich in die Beine einer Frau, die der schönen Iran. Langsam lernen sie sich kennen und lieben. Doch ihr Vater verwehrt dem Paar die Heirat und er muss Iran verlassen. In dem Moment, in dem die Liebe zum Tode verurteilt wird, erwacht die wahre Kunst im Protagonisten. Als Zeichen seiner Vollendung, schenkt ihm sein Meister seine Geige. Von nun an steht diese für die Liebe und für den Verlust derselben. Der Musiker kehrt zurück und heiratet auf Wunsch seiner Mutter ein Mädchen, welches schon lange in ihn verliebt ist. Er kann diese Liebe nie erwidern und wird so zu einem schlechten Ehemann und Vater. Obwohl seine Frau ihn immernoch liebt, verbittert sie seine Verschlossenheit so sehr, dass sie zunehmend aggressiv wird. So kommt es zu dem Streit, bei dem sie die Geige, und damit das Symbol für die Kunst an sich, das Sinnbild der Erinnerung und der Sehnsucht, zerbricht.

Eine tieftraurige Geschichte in ungewöhnlichen Bildern erzählt

In jeder Minute dieses Films ist die Nähe zu seinem Ursprungsmedium, dem Comic, spürbar. Marjane Satrapi schafft wunderschöne, poetische Bilder. Der Film changiert ständig zwischen einer äußerlich wahrgenommenen und einer vorgestellten Realität. Sie arbeitet im Film wie im Comic viel mit der Plakativität von Farben, seien dies schwarz-weiß-rot für die Todesszenen oder rosa-rot-orange für die Erinnerungen an die Liebe zu Iran. Dadurch entsteht eine mächtige Bildsprache. Die Erzählstimme unterstreicht das märchenhafte Moment dieses Films und bringt gleichzeitig ironische Untertöne in die Erzählung ein. Dies ist mehr als erfrischend, denn Marjane Satrapi zeigt in "Huhn mit Pflaumen" eine tieftraurige Geschichte, die ohne ironische Brechungen den Zuschauer wohl stark überfordern würde. Es gelingt ihr in der Singularität dieses merkwürdig anmutenden modernen Märchens eine Verallgemeinerbarkeit anzudeuten. Die Bitterkeit, die durch die Trennung der geliebten Iran entsteht, aber auch die Kunst, die daraus wächst, weisen auf Satrapis eigenes Schicksal zurück. Auch sie wurde einer großen Liebe beraubt, der Liebe zu ihrer Heimat Iran, und auch für sie entspringt in der Sehnsucht die Quelle ihrer Kunst. Am 5. Januar 2012 kommt der Film "Huhn mit Pflaumen" nun auch in die deutschen Kinos. Ein absolut sehenswertes Filmereignis, das jedoch kaum ohne eine große Packung Taschentücher gesehen werden kann.

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