Immer wieder und immer mehr Mogelpackungen
Weil sich Preiserhöhungen am Markt nicht durchsetzen lassen, werden die Hersteller von Produkten der Lebensmittelbranche immer findiger, um an das Geld der Verbraucher zu kommen.Die VZ Hamburg beobachtet den Markt und informiert
Die Verbraucherzentrale (VZ) Hamburg hat festgestellt, das im deutschen Lebensmittelhandel und im Drogeriehandel allein im ersten Halbjahr 2018 über 50 Prozent mehr Mogelpackungen neu auf den Markt gekommen sind als im Durchschnitt der letzten Jahre.
Die VZ Hamburg fordert die Verbraucher auf, ihr die täglich neuen Mogelpackungen zu melden, führt eine von jedermann einsehbare Mogelpackungsliste mit Beispielen für versteckte Preiserhöhungen und kürt zum Leidwesen der Lebensmittelindustrie regelmäßig eine "Mogelpackung des Monats".
Die Liste umfasst schon heute mehr als 500 Produkte unter Nennung des Produkts und des Herstellers
Dreistes Marketing
Mit der klammheimlichen Einführung von Mogelpackungen lassen sich problemlos Preiserhöhungen bis zu 20 Prozent am Markt durchsetzen.
"Downgrading" heißt das Verfahren in der Fachsprache der Marketingexperten; die realistischeren Bezeichnungen der Öffentlichkeit dafür sind Mogelpackung und Irreführung des Verbrauchers.
Die betroffenen Verbraucher empfinden dies als ein äußerst dreistes Marketing, wenn ihnen in der Werbung dabei durch Behauptungen suggeriert wird, dass "das Rezept verbessert" sei, aber tatsächlich aus Kostengründen nur die Ingredienzien verringert worden sind oder, noch dreister, "aufgrund von Verbraucherwünschen" das Rezept verändert wurde. Im Branchenjargon des Marketings heißt dies "Reformulierung".
Die Mogelpackung des Jahres 2017
Die unrühmliche Auszeichnung als "Mogelpackung des gesamten Jahres 2017" erhielt im Januar 2018 das Vitalis Früchtemüsli von Dr. Oetker. Mit der Reformulierung auf eine behauptete verbesserte Rezeptur enthielt die Packung bei gleichem Preis nur noch eine Füllmenge von 500 Gramm statt 600 Gramm wie bisher. Das entsprach einer satten Preiserhöhung von 20 Prozent. Die verbesserte Rezeptur bestand darin, dass die Packung weniger Vollkorn und mehr Zucker enthielt.
Die Mogelpackungen des 1. Halbjahrs 2018
- Februar 2018: "Grand Dessert" Schoko von Ehrmann
Der Becher blieb gleich groß, aber der Inhalt wurde von 200 Gramm auf 190 Gramm reduziert. Das sind 5 Prozent Preiserhöhung für Ehrmann.
- Februar 2018: Feuchtes Toilettenpapier "Sanft und sicher" von dm
Statt 60 gab es zum gleichen Preis von 1,25 Euro nur nur 50 feuchte Toilettenpapiere. Durch die "verbesserte Tuchqualität" laut dm ergab sich für den Verbraucher eine Preiserhöhung von 20 Prozent.
- März 2018: Aktivia Joghurt von Danone
"Noch cremiger, aber dafür weniger" wäre die passende Werbeaussage. Statt 125 Gramm befinden sich nur noch 115 Gramm im Becher. Das ist eine Preiserhöhung von 9 Prozent.
- April 2018: Lenor Waschmittel von Procter & Gamble
Weniger Füllmengen bei gleichem Preis bringen eine Preiserhöhung um 18 Prozent.
- April 2018: Magnum Minis von Unilever
Rechtzeitig vor dem nächsten Sommer wurden die Mini-Eisstangen von 50 Gramm auf, je nach Sorte, 43, 44 oder 46 Gramm geschrumpft. Das sind Preiserhöhungen bis zu 16 Prozent.
- Mai 2018: Natural Chips von Lorenz (Bahlsen)
Jedes Jahr erhöht Lorenz kurz vor der Saison den Preis eines seiner Produkte; 2018 sind es seine Natural Chips, die sich durch eine geringere Füllmenge bei gleichem Preis um 19 Prozent erhöhten.
- Mai 2018: Leerdammer Käse von Bel
Jetzt ist der Leerdammer Käse in dünnere Scheiben geschnitten. Aber leider ist die Zahl der Scheiben gleich geblieben. So zahlt man für weniger Käse 40 Prozent mehr.
- Juni 2018: Smarties von Nestlé
Die vielen, vielen bunten Smarties werden auch in der Riesenrolle immer weniger. Statt 150 Gramm sind jetzt bei gleichem Preis nur noch 130 Gramm drin. Das gleiche Prozedere hatte Nestlé bereits vor vier Jahren (170 auf 150 Gramm) angewandt. Das macht in vier Jahren für die Schokolinsen ein Plus von rund 31 Prozent.
- Juni 2018: Rolo von Nestlé
Acht statt zehn Rolos in der Rolle bedeuten bei gleichem Preis eine Verteuerung von 25 Prozent.
Eine Transparenzplattform muss geschaffen werden.
Fast immer heißt es aus Verbrauchersicht "Weniger drin – aber Preis gleich", wenn die Industrie versteckte Preiserhöhungen am Markt durchgesetzt hat. Ist weniger Zucker oder Fett im Produkt, wird die Ware nicht billiger, sondern der Preis bleibt oder steigt sogar.
Gleiches gilt für weniger Ware zum gleichen Preis. Weil die Politik dem Treiben seit Jahren untätig zusieht, fordert die Verbraucherzentrale Hamburg eine Transparenzplattform, auf der alle Unternehmen geänderte Füllmengen veröffentlichen müssen, damit dies nicht klammheimlich "am Verbraucher vorbei" geschieht
Es geht hierbei nicht um das Anprangern von Preiserhöhungen, sondern allein um eine Markttransparenz. Sind Kosten gestiegen, sind Preiserhöhungen oder die Reduzierung von Füllmengen oder der Wechsel von Zutaten sinnvoll, verständlich und nachvollziehbar.
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Bild: Axel Alm
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