"in mutatio tempora - Im Wandel der Zeiten" das aktuelle Album der Elektronik-Musikerin Matzumi
Ein Review zum Matzumi - Album "in mutatio tempora - Im Wandel der Zeiten". Elektronische Musik und ihre besonderen Formen abseits der Traditionen.1 A long journey - INTRO (Matzumi feat. F.D. Project)
Orchestral wird der Hörer vom ersten Stück empfangen, satte Streicher, warme Klänge im Bassbereich, Melodien bauen sich langsam auf. Kaum merklich schleicht sich ein unaufdringlicher Rhythmus in das Panorama. Ab jetzt ist klar, daß es wirklich ins Land der elektronischen Klänge geht. Durch Wiederholung setzt sich das Motiv des Titels schnell im Ohr fest und dann, nach einigen Variationen; eine E-Gitarre entert die Bühne, setzt sich ekstatisch in den Vordergrund, läßt dennoch den Flächen und dem hypnotischen Percussion-Pattern genügend Raum, Wärme und Harmonie zu verbreiten. Diese Saiten, angerissen von Frank Dorittke aka F.D.-Project, lassen unweigerlich ein Feeling von "Tubular Bells" aufkommen. So hat der "deutsche Mike Oldfield" einmal mehr einer EM-Komposition seinen Stempel aufgedrückt. Wild, kreativ, erfrischend organisch und ein Zugewinn für das Intro des Albums.
2 Step by step
Wieder beginnt der Titel sehr ruhig, mit Gong und Streichern wird der erste "Step" getan, atmosphärisches Rauschen und Effekte zeichnen den Beginn des weiteren Weges. Hier übernimmt ein stoischer, aber fordernder Rhythmus die Vorgabe des Schrittempos, eine zarte Melodiefolge begleitet ihn repetierend, Sequenzerklänge arbeiten sich hoch. Mit Variationen und sich abwechselnden Details in der Klanglandschaft fließt folgt der Hörer den akustischen Kreationen von Matzumi. Durchwachsen von Streichern und synthetischen Chören entschwinden Sequenzen und Effekte langsam in der Ferne, gabelt sich der Weg des Hörers zu den:
3 Heights and depths
Mystisch blitzen melodiöse Elemente auf, unterlegt von ruhig fließenden Harmonien. Langsam flicht sich ein Band aus Percussions in das Geschehen, Sequenzer und Drum-Machine übernehmen mehr und mehr das Bild. Langsam mischt sich eine melancholische Harmoniefolge mit den immer weiteraufgehenden Filtern um dann schließlich mit den meisten rhythmischen Instrumenten zu vergehen und für eine ergreifende Stimme Platz zu machen. Matzumi, unterlegt mit düsteren Tönen und sich nur dezent erhebenden, begleitenden Streichern, fängt den Hörer emotional ein, zieht ihn mit sich, um ihn dann der Einsamkeit und nur einigen wenigen, aber tröstenden Klängen zu überlassen. Ein sich sanft in die Wahrnehmung spielendes Piano führt den reisenden auf Matzumi's Wegen langsam wieder ans Licht.
Matzumi & Nattefrost on stage
4 Die Kinder der Erde - Vocal version (Matzumi feat. Nattefrost)
Beinahe stürmisch führt der Pfad nun weiter, Sequenzer-Lines wabern zwischen den Boxen hin und her, ein elektronischer Wind begleitet den Hörer fast ständig, ziehmlich kühl untermalen die Harmonien die düstere Stimmung, Fernweh mischt sich in Form von zart eingesponnenen Adlibs in den Klangteppich. Einige Elemente lassen sich sehr gut als aus der Feder des dänischen EM-Musikers Nattefrost stammend identifzieren, Matzumi dagegen sorgt vor allem mit ihrer Stimme für Originalität und die Zugehörigkeit der Komposition zum vorliegenden Album. Hören wir hier unsere Zukunft, oder die Vergangenheit? Sehr still und windig endet dieser akustische Ausblick, Matzumi's und Nattefrost's Vision über die Kinder der Erde.
5 Who we are - Instrumental version
Wer Matzumi's Album "Sometimes" kennt, wird sich an das Motiv dieses Titels sicher erinnern. Konnte man dort ihren Gesang in deutscher und englischer Sprache hören, ist diese Version vor allem dem Instrumentarium eines klassischen Orchesters überlassen. Eine zarte, fast weinende Violine leitet diese Version ein, übergibt an tiefe Celli und warme Streicher, läßt Hörner und Piano Raum für Variation und Fülle. Ruhig, ohne störende Schlaginstrumente, führt das Thema immer weiter und setzt irgendwann zugunsten eines Solo-Cello aus, um dann von einem synthetischen, aber himmlisch inszenierten Chor übernommen zu werden. Das Piano greift die Melodie wieder auf und interpretiert die bekannte Hook auf eigene Weise - ein sehr ergreifender Abschnitt, welcher Schritt für Schritt wieder in die spürbar elektronische Sphäre überleitet. Sehr, sehr filigran und nur, um "Who we are" würdig ausklingen zu lassen.
6 Chapters of life
Nicht immer muß ein Lebensabschnitt locker und leicht daherkommen. Daß dem häufig so ist, skizziert Matzumi klanglich in diesem Titel. Zögernd, und wie aus dem Dunkel heraus erscheint langsam eine Linie, der der Hörer folgen kann. Melancholisch sind die Harmonien auch hier wieder, geben eine subjektive Stimmung vor. Wenig an warmen Klängen, eher hektische Rhythmen und sehr geradlinige Sequenzen sowie rauhe Tonfolgen prägen vor allem das Bild. Am Ende steht die Hoffnung, daß es (besser) weitergeht, wenn auch immernoch unter der Last melancholischer Töne...
7 in mutatio tempora
Wie sich die Zeiten ändern, so spiegelt dieser Titel eine völlig andere Stimmung als sein Vorgänger wieder. Vorsichtig treten die Streicher am Beginn auf, mischen sich mit Matzumi's Adlibs, gewinnen an Fahrt und mit Einsetzen des Rhythmus macht sich ein langsam wachsendes, regelrecht fühlbares Drängen nach vorn bemerkbar. Ohne, daß der Titel mit Effekten und Instrumenten überfüllt wird, gelingt es dennoch, den gesamten Raum einzunehmen. Die Stimme unterstreicht diese "Anwesenheit" und spricht den Hörer wirklich sehr, sehr direkt an.
8 Consolation and oblivion
Tief aus dem Hintergrund taucht eine kleine Melodie auf, wird von Matzumi begleitet, ihre Stimme übernimmt mit eingängiger Variation das Thema und läßt mit dezentem Satzgesang regelrecht Gänsehaut aufkommen. Im späteren Verlauf wird die Stimmung deutlich kühler, die für Matzumi typische Melancholie und Spannung kennzeichnet die folgenden Harmonien. Dies erinnert stellenweise an manchen Titel von Lisa Gerrard, welche ihre Hörer auch gern minutenlang mit düsteren Klanggebilden und Stimmakrobatik bis kurz vor die Entrückung zu führen vermag. Ähnlich komplex in Arrangement und Emotion baut sich nun dieser Titel vor dem Reisenden durch Matzumi's Erfahrungswelt auf. Dunkel, fast schon drohend, ein verwirrender Mix aus kühlen und versöhnlichen Harmonien überflutet das Panorama. Dieses Stück ist wirklich nicht leicht verdaulich und vielleicht gerade deshalb eines, das öfter als andere gehört werden sollte, um es verstehen zu können.
9 Never alone
Ruhig, elektronisch und mit sanften, stimmlichen Verzierungen beginnt der Titel, baut Spannung auf, läßt den Hörer noch einmal Luft holen - und wird in dieser Zäsur fast schon zum berührbaren Medium, so dicht. Marschierende Drums leiten nun den nächsten Abschnitt ein, die Spannung vor dem Übergang wird direkt übernommen und entlädt sich in einem synthetischen Gitarrensolo und dem Werk der hypnotisch begleitenden Rhythmusgruppe. Wiederholend mischt sich Matzumi's Stimme in einer mystischen Sprache in den Verlauf, im Hintergrund kann man das variierte Motiv von "in mutatio tempora" vernehmen, bis - das Aufgebot der Instrumente vorübergezogen ist und für Streicher Platz macht, welche den sanften Ausklang liefern.
10 The migration - OUTRO
Heimlich und wie aus einer anderen Welt leitet dieser Titel ein, schwebt mit einem mystischen Chor in das Ohr des Hörers, ein Bild wie aus alten Zeiten entsteht vor dem geistigen Auge. Nebel, nur wenig Licht und schaurige Schatten füllen die Szene. Getragen von Erwartung, durchschreitet man diese Landschaft, nur wenig klärt sie sich auf. Die düstere Stimmung hält gefangen, bietet aber gleichzeitig Distanz. Man ist nur passiv in diese Welten eingebettet, erfährt nur, kann nicht verändern. So gar nicht typisch elektronisch wirkt dieses Outro, spiegelt es doch auf seine Weise das gesamte Album wieder. Die Art der Klangerzeugung stand nie im Vordergrund, wurde nicht klischeehaft bemüht, sondern teilte sich die Bühne mit traditionellen Instrumenten - wenn diese auch direkt aus der "Maschine" kommen. Es zeichnet ein emotionales, kein reißerisches, nur an Effekten interessiertes Bild. Dieses Outro bekräftigt nur noch einmal deutlich, was man über das gesamte Album hin spürt, hier drückt sich jemand sehr persönlich aus und nicht nur schwarze und weiße Tasten.
Fazit
Man darf sagen, "in mutatio tempora" ist ein gelungenes, wenn auch eher untypisches Album, zumal, wenn man die klassische EM-Szene kennt und was allgemein, traditionell unter Elektronischer Musik verstanden wird. Diese Divergenz tut der Zugehörigkeit zu dieser Musikrichtung absolut keinen Abbruch, entwickeln sich doch vor allem aus Querdenker-Projekten und unkonformen Seitenwegen neue Nuancen einer scheinbar abgeschlossenen Nische. So ist Matzumi im Kreis der EM-Musiker auf jeden Fall eine positiv überraschende Ausnahme und keine durch Castings gezüchtete Mode-Erscheinung. Sicher ist nicht jeder EM-Enthusiast von einem Stilbruch begeistert, schneidet man doch somit wieder ein paar "liebgewonnene" alte Zöpfe ab. Oder ist es doch vielleicht eine Bereicherung? Dies mag jeder für sich selbst entscheiden, Matzumi's aktuelles Album ist zumindest für mich eine Bestätigung, daß sie zu Recht vor einiger Zeit zum Newcomer des Jahres 2010 "geadelt" wurde.
Ich freue mich auf jeden Fall schon auf das nächste Werk aus ihrer Klangküche!
Die Titelliste
1 A long journey - INTRO (Matzumi feat. F.D. Project)
2 Step by step
3 Heights and depths
4 Die Kinder der Erde - Vocal version (Matzumi feat. Nattefrost)
5 Who we are - Instrumental version
6 Chapters of life
7 in mutatio tempora
8 Consolation and oblivion
9 Never alone
10 The migration - OUTRO
Bildquelle:
Donnaya
(Gothic, Mittelalter, Dark Metal - Musik außerhalb des Mainstreams)