Italiens Weinwelt – unbekanntes Piemont
Das Piemont ist mengenmäßig betrachtet nicht die wichtigste Weinregion Italiens, aber in Bezug auf Qualität spielt das Piemont eine entscheidende RolleDas Piemont – mehr als nur Barolo und Barbaresco
Die Weine aus dieser italienischen Region muss man entdecken und sich ihnen widmen, damit sie sich dem Weintrinker erschließen. Das trifft verstärkt für den Norden zu. Man sollte also etwas mehr Interesse aufbringen, als es die zahlreichen Modetrinker und Etikettenkäufer tun, die es zwar wichtig finden, einen berühmten Barolo, Barbaresco oder Barbera im Glas zu haben, ihn aber nicht wirklich verstehen.
Lago Maggiore: Reisehandbuch mit vielen praktischen Tipps |
Der Norden des Piemont - Wer Weine entdecken möchte, fährt nicht nach Barolo
Bis auf wenige Ausnahmen schaffen es die Weine aus aus dieser Region Italiens, unter sich zu bleiben. Kaum etwas wird exportiert und die meisten Weine bleiben in der Region. Für die meisten Reisenden ist die Region in den Hügeln um Novara und Vercelli Transitstrecke. Und Carema liegt noch weiter abseits. Das sind keine guten Voraussetzungen, regionale Produkte bekannt zu machen und erinnert ein wenig an die Situation im Tal von Aosta.
Also muss man das dorthin fahren und eine eigene Entdeckungstour beginnen – verbunden mit einem Besuch am Lago Maggiore oder am Lago d'Orta (Ortasee), dessen westliche Seite bereits zum Piemont gehört. Denn der ist nicht sehr weit und mit Sicherheit ein reizvoller Ausgangspunkt. Wer vom Südende des Lago Maggiore aufbricht, ist schnell in den Weinbergen um Vercelli und Novara. Das nördliche Piemont ist also bestens geeignet für einen Tagesausflug. Auf den aus Gletschermoränen bestehenden Hügeln und Hochflächen legten bereits die Römer Weinberge an. Das ungewöhnliche Klima im dieses Weinanbaugebiets wird einerseits durch die Feuchtigkeit der oft überfluteten Reisanbaufelder der Poebene beeinflusst und anderseits durch die Luftströmungen aus den Alpen und dem Lago Maggiore, die für eine natürliche Ventilation sorgen.
Nebbiolo heißt hier Spanna - König im Keller der Weinmacher ist Nebbiolo
Im wesentlichen wird Nebbiolo, der hier Spanna genannt wird, angebaut. Er bestimmt den Haupttraubenanteil bei allen Weinen, die durchaus Langlebigkeit beweisen können und es teilweise mit den traditionellen Barolo oder Barbaresco aufnehmen. Am besten werden die Weine aus Nebbiolo in trockenen, heißen Jahren. Denn dann bilden Frucht und Extrakt ein ausgleichendes Gegengewicht zur Säure und Tannin. Außerdem werden für die Weine im noch Bonarda Novarese (auch Uva Rara genannt) und Vespolina mit verarbeitet.
Die Weine werden fast alle nach den Ortsnamen benannt, aus denen sie kommen und fallen, trotz ihrer räumlichen Nähe, alle sehr unterschiedlich aus. Am ähnlichsten sind sich, wenn man wirklich einen solchen Vergleich überhaupt machen möchte, Ghemme und Gattinara. Ein völlig anderer Wein aus Nebbiolo begegnet dem Weintrinker im Carema, der ganz im Nordwesten Italiens, am Eingang des Aostatales in 350 bis 700 Metern hoch gelegenen Weingärten heranwächst. Gute Jahrgänge sind wegen der unbeständigen Witterung hier seltener. Dennoch gibt es vorzügliche Weine in jedoch sehr geringen Mengen. Ebenso interessant wie auch selten sind die Weine aus dem Anbaugebiet Coste della Sesia, in den Hügeln um Vercelli. Hier werden Weine aus Croatina, Bonarda und Nebbiolo in die Flasche gebracht. Viele Weinmacher könnten ihre Weine oft früher in den Verkauf geben, als sie es wirklich tun. Somit sind die Weine, die auch im Handel sind, meist sofort trinkbar. Zwar sind die Weinmache hier im Bereich Vercelli und Novara traditionell, jedoch wird zuweilen auch die Barrique eingesetzt - allerdings sehr verhalten.
Interessant sind auch die Weißweine aus Caluso. Hier liefert die Erbaluce-Traube ansprechende trockene Weine und den süßen, üppigen Dessertwein namens Caluso Passito.
Novara, Italy (Bild: Giorgio Tomassetti / Flickr)
Cannobio (Bild: florianplag / Flickr)
Interessante Produzenten aus dem Norden des Piemont
Az. Agricola Biologica Bianchi Giuseppe, Sizzano
Guter Sizzano, gelungener Gattinara und Erbaluce. Bio-Wein (AIAB).
Giancarlo Travaglini, Gattinara
Zugängliche Gattinara-Weine intern. Prägung. Gut gemachte Weine besonders für Einsteiger
Antichi Vigneti di Cantalupo, Ghemme
Der Weinmacher für Ghemme. Traditionsbetrieb mit höchsten Qualiätsansprüchen. Schöner Rosato Il Mimo und Weißwein Carolus.
Azienda Vitivinicola Nervi, Gattinara
Feiner, eleganter Gattinara. Sehr gute Qualiät.
Cantine Sociale dei Colli Novaresi, Fara Novarese
Interessante, elegante Fara-Weine.
Podere ai Valoni, Grignasco, Novara
Kleines Weingut und empfhelenswerter Boca
Azienda Vitivinicola Massimo Clerico, Lessona
Kleiner Betrieb in Lessona mit gleichnamigem Wein und gutem Spanna (Nebbiolo)
Cantine Sociali Produttori Nebbiolo di Carema, Carema
Vorzügliche Carema-Weine und der fast einzige Betrieb mit nennenswerten "Mengen" für die Region.
Dessilani Luigi e Figlio, Fara Novarese
Breites Spektrum an sehr empfehlenswerten, regionalen Weinen. Gute Weißweine.
Aziende Agricole Sella, Lessona
Feiner Lessona aber kaum zu bekommen.
Hinweis zum Artikel
Die Auswahl der Weine und der Produzenten sind von subjektiver Prägung.
Die Weine aus dem Norden des Piemont - Selten und einzigartig
Die Weißweine
Erbaluce die Caluso & Passito
Trockener Weisswein aus der Erbaluce-Traube. Sie kann sehr fein ausfallen, wenn sie nicht als Massenware produziert wird. Als Dessertwein Caluso Passito Erbaluce gold- bis bernsteinfarben und wird aus rosinierten Trauben gekeltert. Es gibt auch trockenen Spumante aus Erbaluce.
Die Rotweine
Boca
Auch in Italien sehr selten anzutreffender Rotwein aus der Gemeinde Boca aus der Provinz Novara. Das kleine Weingut Podere ai Valoni füllt beispielsweise nur ca. 6000 Flaschen pro Jahr ab. Boca wird aus den Trauben Nebbiolo, Vespolina und Bonarda hergestellt. Jung ist er oft recht unnahbar und gewinnt nach 3 bis 5 Jahren an Milde.
Bonarda (Uva Rara)
Bonarda, auch als Uva Rara, ist eine Traubensorte, die meist zum Verschnitt mit anderen Weinen benutzt wird, in denen hauptsächlich Nebbiolo-Trauben verarbeitet werden. So kommt sie beispielsweise bei Sizzano, Boca oder Fara Novarese vor. Reinsortig betrachtet ist Bonarda ein leichter, angenehmer Rotwein der als täglicher Wein im Norden des Piemont auf den Tisch kommt.
Bramaterra
Vielbeachteter granatroter Wein aus Nebbiolo (50-70%), und den Rebsorten Croatina, Bonarda und Vespolina. Der in der Provinz Vercelli hergestellte Wein reift zwei Jahre im Edelstahltank und ein Jahr im Fass. Bramaterra ist robust, körperreich und erreicht seine optimale Trinkreife nach rund 4 - 6 Jahren. Lagerungsfähig ist er fast 12 Jahre und gewinnt dann zunehmend an Harmonie und Anmut. Insgesamt werden weniger als 100.000 Flachen produziert. Empfehlenswerte sind die Weine von Luigi Perazzi und Sella.
Canavese
Aus der Hügellandschaft von Canavese, die sich über die Provinzen Turin, Biella und Vercelli erstreckt, kommen ganz eigene, aber sehr interessanteWeine her. Die Rotweine bestehen hauptsächlich aus den Trauben von Nebbiolo, Barbera, Bonarda und der seltenen Freisa, wobei Nebbiolo und Barbera auch reinsortig in die Flasche kommen. Der Hauptweißwein ist hier der Erbaluce.
Carema (Carema di Carema)
In kaum nennenswerten Mengen produzierte Rarität aus der gleichnamigen Gemarkung an der Grenze zum Aosta-Tal. Er wird ausschließlich aus Nebbiolo, der regional auch als Picutener bekannt ist, hergestellt und verlässt die Region allenfalls im Kofferraum eines Touristen. Vorgeschriebene Lagerzeit vier Jahre, davon zwei Jahre im Fass. Von 120 Hektar stehen nur 39 Hektar unter Reben. Nuancenreich und mit feiner Geschmacksnote, verdient der Carema mehr Aufmerksamkeit als bisher. Aufgrund der eher felsigen Bodenbeschaffenheit und des herben Regionalklimas ist er etwas weniger körperreich als andere Nebbiolo-Weine, dafür aber feiner. Er kommt nach langer Fasslagerung und Verfeinerung in der Flasche nach ca. fünf Jahren in den Handel. Sehr feine Weine gibt es von der Cantine Sociali Produttori Nebbiolo di Carema.
Croatina
Einfache, frische und leicht fruchtige Weine, die nicht nur zum Verschnitt benutzt werden, sondern auch reinsortig, hauptsächlich in den Colline Novaresi und in den Hügeln der Coste della Sesia, in die Flasche kommen.
Fara
Ein echter Charakterwein. Hergestellt hauptsächlich aus Nebbiolo-Trauben, sowie Vespolina und Bonarda läuft er nach rund vier Jahren zur Höchstform auf und hält sich gut 15 Jahre. Zunächst etwas robust wirkend, dann aber weich und elegant, findet er außerhalb der Region um Fara Novarese erstaunlicherweise kaum heraus. Schöne Beispiele gut gemachte Fara-Weine sind die Cantine Colli Novaresi und das Weingut Dessilani mit einem ausgezeichneten Fara Caramino sowie mit einem sehr langlebigen Lochera.
Gattinara
Ein langlebiger, granatroter tanninreicher Wein, der von einem schönen Veilchenbouquet begleitet wird. Zumeist sortenrein aus der Nebbiolo-Traube hergstellt, darf er auch einen geringen Prozentsatz an Bonarda- oder Vespolina-Trauben haben. Er kommt nach vier Jahren in den Handel, nachdem er vorher mindestens zwei Jahre im Holzfass zugebracht haben muss. Er erinnert ein wenig an Barolo oder Barbaresco, hat aber auf den Gletschermoränen des nördlichen Piemont ganz eigene Nuancen entwickelt und kommt etwas sanfter und feiner daher. In weniger guten Jahrgängen kann er etwas herb und rau wirken. Die Lagerungsfähigkeit ist etwas umstritten, aber gute Jahrgänge halten 15 Jahre und länger bis sie allmählich abbauen. Gattinara ist, mit dem Ghemme, einer der besten Weine der Region. Empfehlenswerte Gattinara gibt es von den Weingütern Travaglini, Bianchi und Nervi.
Nebbiolo Grapes, Tuscany, Italy (Bild: Armin Faber)
Ghemme
Gattinara wird eigentlich höher eingeschätzt als der Ghemme. Nichtsdestotrotz ist der Ghemme ganz klar einer der großen Weine Italiens. Beide Weine kommen sich geschmacklich auch nahe. Unübertroffen sind dabei die Weine des Weingutes Antichi Vigneti di Cantalupo. Ghemme wir aus Nebbiolo hergestellt und darf einen kleinen Prozentsatz an Vespolina bzw. Bonarda beinhalten. Ein rubinroter, kraftvoll wirkender Wein mit mindestens 20 Monaten Fasslagerung. Als Riserva muss er vier Jahre gereift sein. Ein Wein aus dem Piemont, den es lohnt zu entdecken und der sich in guten Jahren Jahrzehnte hält.
Lessona
Eine kleine Gemarkung aus Hügeln um Vercelli, aber ein kleiner, unentdeckter Schatz in Sachen Wein. Auch hier ist die Nebbiolo-Traube diejenige, die den Wein bestimmt. Ihn zeichnen ein volles Bouquet, verhaltenes Tannin und ein feiner Geschmack aus. Nach rund sechs Jahren verliert er seinen robusten Charakter und wandelt sich in einen runden, harmonischen Wein.
Sizzano
Hauptsächlich aus der Nebbiolo-Traube mit etwas Vespolina und Bonarda. Er kommt aus der Region um die Stadt Sizzano. Gute Jahrgänge halten sich Jahrzehnte. Allerdings ist die hergestellte Menge sehr gering. Der Wein reift mindestens zwei Jahre im Eichenfass, bevor er sich noch ein Jahr lang in der Flasche entwickeln muss. Einzig nennenswerter Produzent von Sizzano ist die Az. Agricola Biologica Bianchi Giuseppe. Sizzano ist weit über zehn Jahre lagerfähig.
Spanna (Nebbiolo)
In den Hügel um Novara und Vercelli heißt die Nebbiolo-Traube ursprünglich Spanna. Früher eher mittelmäßig, hat sich Spanna als guter bis sehr guter Alltagswein durchsetzen können. Mit dem Nebbiolo aus der Langhe kann er zwar nicht konkurrieren, dafür hat er aber einen ganz eigenen, feinen Charakter. Spanna kann jung getrunken werden. Spanna aus Gattinara oder Ghemme, die in den gleichnamigen Weinen verwendet werden, können sich durchaus mit den großen Weinen wie Barolo oder Barbaresco, messen. Auf den Etiketten wird mittlerweile meist Nebbiolo statt Spanna verwendet. Gute Spanna/Nebbiolo gibt es von der Az. Agricola Biologica Bianchi Giuseppe, Giancarlo Travaglini und Dessilani.
Vespolina
Sie kommt fast nur im Norden der Region vor und wird hauptsächlich mit Gattinara, Ghemme, Lessona, Bramaterra oder Boca mit Nebbiolo verschnitten, um diesen Weinen etwas die Wucht zu nehmen und um ihnen Frucht zukommen zu lassen. Reinsortig wird Vespolina fast nur in der Region getrunken,es sind leicht fruchtige Weine mit feiner Säure.
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