Was unterscheidet Heilpraktiker von Ärzten?

Da sind zunächst einmal die unterschiedlichen Ausbildungswege beider Berufe zu nennen. Ein "Onkel Doktor" hat für seine Grundausbildung durchschnittlich etwas mehr als 6 Jahre studiert. Um aber selbstständig sein zu können, muss er nach diesem Grundstudium noch eine Fachausbildung absolvieren. Diese zusätzliche Ausbildung dauert, je nach Fachgebiet weitere 4 bis 6 Jahre. 

Die Ausbildung zum Heilpraktiker ist nicht reglementiert. Ziel eines Heilpraktiker-Anwärters ist eine (Über-) Prüfung durch einen Amtsarzt zu bestehen, um die Erlaubnis zu erhalten, die Heilkunde auszuüben, ohne Arzt zu sein. (Ohne ärztliche Approbation.) Ziel dieser amtsärztlichen Überprüfung ist festzustellen, dass vom Anwärter auf den Beruf des Heilpraktikers keine Gefahr für die Volksgesundheit ausgeht. Um allerdings diese Gefährdung der Volksgesundheit auszuschließen, können die Wissensinhalte eines Medizinstudiums abgefragt werden. Das beinhaltet neben der Kenntnis der Gesundheitsgesetze, Kenntnisse in der Anatomie, Physiologie, allgemeinen Krankheitslehre, der psychischen Krankheiten, die Erkennung und Erstversorgung akuter Notfälle, Techniken der klinischen Befunderhebung, Deutung von Laborwerten, Injektions- und Punktionstechniken, Praxishygiene. Weiter werden Kenntnisse über die Anwendungsgebiete, Grenzen und Kontraindikationen von Naturheilverfahren vorausgesetzt.

Ärzte haben in aller Regel ihren Beruf ergriffen, weil sie sehr gute Verdienstchancen und hohes Ansehen von Seiten ihrer Mitmenschen erwarten. Ärzte mit dem Anspruch dem Menschen uneigennützig helfen zu wollen trifft man gelegentlich zwar an aber die sind so selten "wie Schnee in der Sahara". Ärzte übrigens, die von ihren Kollegen belächelt werden, weil sie wegen ihrer Ehrlichkeit, trotz Honorierung durch die Kassen, fast verhungern. Heilpraktiker mit vergleichbarer Zielsetzung, haben es da noch ungleich schwerer. Und da sind noch Zahnärzte zu erwähnen, die bekanntlich "von der Hand im Mund" leben.

Sie sind immer noch überzeugt Heilpraktiker werden zu wollen? Gut, dann lesen Sie auf eigene Gefahr weiter...

Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?

Ein wichtiger und unbedingt zu bedenkender Aspekt ist für Heilpraktiker die Frage nach dem Einkommen. Privatversicherungen übernehmen im Rahmen ihrer Erstattungsbedingungen, möglicherweise mit Einschränkungen, auch die Kosten für Behandlungen durch Heilpraktiker. Dabei sollte bedacht werden, dass nur ein geringer Teil der Bevölkerung einen privaten Versicherungsvertrag hat. Die Masse potentieller Patienten ist  Mitglied gesetzlicher Krankenkassen, die die Kosten für HP-Behandlungen wegen ihrer Auflagen (siehe RVO-Versicherungsordnung) nicht übernehmen dürfen. 

Heilpraktiker müssen daher für ihre Arbeit dem Patienten Rechnungen stellen, die ihre Patienten von ihren Versicherungsträgern nicht zurückerstattet bekommen. Da in Deutschland Versicherungsbeiträge inzwischen fast astronomische Höhen angenommen haben, versucht annähernd jeder Patient auch alternative Therapieangebote bei seinem Arzt zu erhalten. Dort muss er derartige Extraleistungen zwar auch bezahlen, doch das Zauberwort lautet "Igel" (Individuelle gesundheitliche Eigenleistung).

Der Patient erhält dort annähernd jede Therapie, die in Naturheilpraxen ebenfalls angeboten wird. Therapien, die noch vor kurzer Zeit vom ärztlichen Praxisinhaber als obskur, esoterisch und unwissenschaftlich bekämpft wurden, der sie aber heute, nachdem ihm die Krankenkassen den Gewinn etwas gestutzt haben, gerne anbietet. (Lat. "Pecunia non odet" oder auf deutsch: "Geld stinkt nicht".)

Selbstverständlich erledigt diese Behandlungen der Arzt nicht persönlich, sondern delegiert sie an sein Personal. Damit erreicht er Stundenumsätze von etwa 200,- Euro. Bezeichnenderweise, müssen dessen Therapeuten, noch nicht einmal eine Ausbildung in alternativen Behandlungsmethoden haben, denn unter Aufsicht des Praxischefs dürfen auch "WC-Bürsten", äh Putzfrauen, weil sie im weißen Kittel so gut aussehen, an Patienten tätig werden.

Patienten werden vorrangig, auch für alternative Therapien, ärztliche Praxen aufsuchen, weil sie sich bei "ihrem Arzt" besser aufgehoben fühlen als bei einem, ihnen aber nicht bekannten und möglicherweise sogar deutlich fachlich kompetenteren anderen Therapeuten. Dazu kommt noch, dass während ihrer Anwesenheit zu diesen "Igel-Therapien" administrative Dinge, wie beispielsweise die Verschreibung von Medikamenten, Reha-Kuren und Rentenanträgen  unkompliziert und ohne Extrawege über die Administration der Praxis erledigt werden können.

Die Chancen der Heilpraktiker

So lieber angehender Heilmechaniker, jetzt überlege dir welche Chancen du bei diesem Spiel hast? Selbst wenn du eine erstklassige Ausbildung in einer alternativen Therapieform haben solltest, braucht es unendlich lange Zeit, auch bei bester Mundpropaganda, gegen den ärztlichen Nimbus anstinken zu können.

Wirtschaftlich erfolgreiche Heilpraktiker sind mit Ausnahme des Herrn Köhnlechner selten. (Manfred Köhnlechner war ein deutscher Verlagsmanager bei Bertelsmann und Heilpraktiker und in Insiderkreisen wird gemunkelt, dass er seine schreibende "Heilpraktikerkarriere" der Promotion des Verlages zu verdanken hat.)

Nur wenige Heilpraktiker können sich von den Einkünften ihrer Praxis ernähren. Ein nicht geringer Teil von ihnen verdient sein Geld mit der Unterrichtung seiner zukünftigen Kollegen, den Heilpraktiker-Anwärtern.

Erschwerend kommt dazu noch, dass die Pharmaindustrie mit Argusaugen über die Naturheilkunde wacht. Viele erprobt wirksame pflanzliche Heilmittel, die noch vor wenigen Jahren von Heilpraktikern verordnet werden konnten, sind heute entweder vom Markt verschwunden oder unterliegen der Verschreibungspflicht. Das natürlich zum Schutz des Verbrauchers, so wird zumindest argumentiert. Tatsächlich aber wohl eher, um der pharmazeutischen Industrie und ihren Kunden, den Ärzten und Kliniken, Pfründe zu sichern.

Weiter sollte m. E. gesehen werden, dass Heilpraktiker, trotz ihres Anspruchs Alternativmediziner zu sein, sich vielfach als "Mini-Ärzte" sehen und im üblichen symptomorientierten, schulmedizinischen System denken. Deshalb wird von ihnen oft versucht, den verschreibungspflichtigen Mitteln der "bösen Konkurrenz" naturheilkundliche Alternativen entgegen zu setzen. Ein Versuch, der in die Hose gehen muss, siehe das Beispiel Kondome: "Jute statt Plastik".

Lösung aus diesem Dilemma könnte sein, eigene und logische Gedanken zur Ursachenfindung anzustellen und zu behandeln. Als ein Beispiel dazu, die mich persönlich bewegende Frage: Bandscheibenvorfall, ok aber weshalb konnte es dazu kommen? Die Behandlung der tatsächlichen Ursache, nicht die des Symptoms des einklemmten  Spinalnervs, sollte Gegenstand der Behandlung sein. Anders gesagt, es ist vertaner Aufwand,  pflanzliche Alternativen zu "Diclofenac & Co" und Cortison finden zu wollen. Erst durch Anwendung solcher, wirklich alternativer Marktlücken lässt sich eine wirtschaftlich erfolgreiche Praxis realisieren.

Die verschiedenen Wege zum Heilpraktiker

Um als Heilpraktiker am Patienten tätig werden zu können, müssen Sie sich einer (Über-) Prüfung durch den Amtsarzt des Gesundheitsamts Ihres Wohnortes unterziehen. Der gesetzliche Sinn dieser Prüfung liegt im Nachweis, dass Sie der Volksgesundheit nicht schaden oder dass Sie beurteilen können, wo Sie Schaden anrichten könnten. Dazu gehört unumgänglich die Kenntnis von den entsprechenden gesundheitlichen Gesetzgebungen.  Die Kenntnis von meldepflichtigen Infektionserkrankungen, mit allen Details gehört ebenfalls dazu, wie umfangreiches Wissen über die Anatomie, Physiologie (Funktion) und Pathologie (Krankheitslehre). Das in einem Umfang, der in etwa dem Unterrichtsstoff der ersten Semester in einem Medizinstudium entspricht. An dieser Stelle stellt sich die Frage nach dem "Wie" und zu deren Beantwortung existieren verschiedene Optionen.

Heilpraktikerschulen

Um die für die Überprüfung notwendigen Kenntnisse zu erwerben, existieren die verschiedensten Wege. Da sind einmal Ganztagsschulen zu nennen, die den Stoff in zwei bis 3 Jahren unterrichten. Die wahrscheinlich sicherste aber auch kostenintensivste Variante. Daneben werden mehrjährige Abendschulausbildungen und Wochenendstudien aber auch Fernstudien, ja auch e-learning-Kurse, die oft durch Seminare ergänzt werden, angeboten. Einige Berufsvereinigungen der Heilpraktiker bieten ebenfalls Vorbereitungen auf die Überprüfung an. 

Das Internet gibt zuverlässig über Preise und Umfang der Ausbildungsangebote Auskunft. Schwarze Schafe, und die befinden wahrscheinlich auch unter diesen Anbietern, sollten nach einigem Suchen dort ebenfalls gefunden werden.

Prüfung bestanden - und nun?

Nun steht der Eröffnung der eigenen Praxis kaum noch etwas im Wege. Da müssen "nur noch" Räumlichkeiten angemietet werden. Wem dazu das Geld fehlt, der könnte, wenn die eigene Wohnung groß genug ist, darin seine Praxis integrieren. Aber Achtung, auch da könnte das Gesundheitsamt Auflagen machen, wie beispielsweise ein separates WC, Mindestraumhöhe etc. Anmeldungen beim Finanzamt, der Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege, sowie evtl. Statusmeldungen bei Ihrem Kranken- und Rentenversicherer gehören auch dazu. (Vielleicht melden Sie sich auch prophylaktisch beim Sozialamt, damit die wissen, wohin sie das "Essen auf Rädern" schicken sollen.) Alle wollen natürlich Ihr Bestes, Geld. Erkundigen Sie sich!

Sämtliche Hürden genommen? Dann sind Sie entweder reich oder gehen Ihrer vorherigen Beschäftigung nach wie vor nach, um all das zu finanzieren. Machen Sie aber Ihren Kids auf jeden Fall von vornherein klar, dass ein neues Handy für die nächsten Jahre "nicht drin" ist.

Jetzt kommt nur noch die Frage, welche Therapien Sie Ihren Patienten anbieten wollen. Die Antwort darauf erscheint Ihnen einfach, denn während der Ausbildung zum Heilpraktiker haben Sie ja bereits einige Methoden kennen gelernt. Toll, also alles rauf auf die "Speisekarte", denn viel hilft bekanntlicherweise viel! Beispielsweise:

  • Augendiagnose
  • Bachblüten
  • Dorn-Breuss
  • Ernährungstherapie
  • Homöopathie
  • Massage
  • Phytotherapie
  • Schüssler Biochemie
  • Grundlagen und Weiterbildung der Chinesischen Medizin - Akupunktur und TuiNa
  • Touch for Health

Eine beachtliche Menge, nur leider mit einem wissensmäßigen Hintergrund, der für die Praxis kaum ausreicht. Die Methoden werden mit der Zielsetzung unterrichtet, Sie in die Lage zu versetzen, bei der amtsärztlichen Befragung grundlegende (einfache) Kenntnisse über die Wirkungsweise von Naturheilmethoden zu demonstrieren. Das Ihnen darüber vermittelte Wissen und Können ist jedoch nur mit dem von Schnupperlehren vergleichbar. Das ist mit Sicherheit eine deprimierende Aussage, doch überlegen Sie, dass einige der erwähnten Methoden längere Ausbildungszeiten erfordern, als für die ganze Heilpraktikerausbildung benötigt wird. 

Lächle und sei froh ...

Ich glaube mich jetzt in Sie einfühlen zu können. Sie fühlen sich völlig demoralisiert, so frei nach dem Motto:

Und dann hörte ich eine Stimme aus dem Chaos: "Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen." Ich lächelte und war froh und es kam schlimmer!

Ich weiß weiter, dass Ihnen sofern Sie von der Idee Heilpraktiker zu werden überzeugt sind, auch nicht abgeraten werden kann. Ein Blick auf die Realität ist dann dennoch nützlich. Auf jeden Fall wünsche ich 
Ihnen eine kluge Entscheidung und später eine erfolgreiche und florierende Praxis.

Hier noch zwei meiner Meinung nach ausgezeichnete Arbeiten, die bei der Entscheidung hilfreich sein könnten:

1. Optimale Vorbereitung auf die Heilpraktikerprüfung

2. Hohe Durchfallquote bei der Heilpraktikerprüfung - woran liegt das eigentlich?

Die Autorin dieser beiden Artikel ist Heilpraktikerin und arbeitet seit 2001 als Dozentin und Coach für angehende HeilpraktikerInnen.

Klaus_Radloff, am 14.10.2012
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