Die Chirurgen machten Sabine Hoffnung. Eine Darmoperation war gut verlaufen, das Krebsgeschwür wurde erfolgreich entfernt. Als sie im Krankenhaus zu einem Onkologen geschickt wurde um weitere Therapiedetails zu besprechen, bekam sie einen "kalten Waschlappen ins Gesicht geklatscht", wie sie mir später erzählte. Besagter Onkologe meinte, sie würde zwar nicht gleich aber wahrscheinlich nächstes Jahr sterben. Vielleicht hatte er einen schlechten Tag, vielleicht hatte er zu viele Sterbende gesehen, vielleicht war er tatsächlich empathielos, vielleicht wollte er auch einfach keine falschen Hoffnungen machen. ... Wie auch immer: Sabine jedenfalls war einige Tage lang völlig aufgelöst und mir fiel wenig ein, um sie zu trösten. 

Gott sei Dank hat Sabine ein gesundes Selbstwertgefühl und sagte sich immer wieder, dass die Prognose auf Statistiken beruhe. Statistiken aber sind immer Mittelwerte und sagen über den Einzelverlauf wenig aus. Auch von den Chirurgen und selbst vom Leiter der onkologischen Abteilung kam seelische Unterstützung. Man hätte so viele unterschiedliche Verläufe gesehen, dass man sich mit Prognosen zurückhalten würde, erklärten die renommierten Chirurgen auf dieser Station.

 

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Krebs: Viele Bücher, wenig Fundiertes ...

Um wenigstens irgend etwas für meine Freundin Sabine (Name von der Autorin geändert) tun zu können, machte ich mich auf die Suche nach einem guten Buch über Krebs. Das ist gar nicht so einfach. Es gibt tausende auf dem Markt und es werden viele Wundermittel und Wundermethoden angepriesen, sodass man sich fragen muss, warum die Krankheit nicht längst besiegt ist. Wie auch immer.

Selbstheilungen sind häufig - außer bei Krebs ...

Schließlich stieß ich auf das Buch "Wunder sind möglich – Spontanheilung bei Krebs" von Herbert Kappauf. Der Autor ist selbst Mediziner und hat auch eine eine Ausbildung als Psychotherapeut. Er nahm sich eines Themas an, das Wissenschaftler und Onkologen im Normalfall sehr meiden: Spontanheilungen bei Krebs.

 

Auch wenn die Wissenschaft und Schulmedizin eine fundierte Auseinandersetzung damit eher scheut, ändert das nichts an der Tatsache, dass es Spontanheilungen gibt. Was versteht man darunter genau: Unter Spontanheilungen oder Spontanremissionen bei Krebserkrankungen versteht man ungewöhnlich günstige Heilungsverläufe und das spontane Verschwinden von Tumoren.

Das Buch von Herbert Kappauf startet mit einem Vorwort, das zunächst Grundlegendes in der medizinischen Welt thematisiert: Die "Spontanremission bei Krebs – Zwischen Ablehnung, Banalisierung und zentraler wissenschaftlicher Diskussion". Es folgt das Kapitel mit dem selbsterklärenden Titel: "Wunder in der Medizin – staunen und sich wundern trauen". Es gebe statistische und religiöse Erklärungsmodelle zu Spontanheilungen. Wirklich genau erforscht ist aber offenbar wenig. Kappauf schreibt, dass Selbstheilungen bei Krankheiten häufig sind, "außer bei Krebs!".

... aber häufiger als sechs Richtige im Lotto

Dennoch gibt es das Phänomen und war gelegentlich Gegenstand von medizinischen Kongressen. "Wie häufig sind Spontanremissionen?" stellt Kappauf aus Seite 67 eine wichtige Frage. Zumindest "häufiger als sechs Richtige im Lotto", lautet die aufschlussreiche Überschrift eines weiteren Kapitels des Buches "Wunder sind möglich" und der Mediziner belegt das auch statistisch.

Den bisherigen Beobachtungen zufolge würden Spontanheilungen bei folgenden Krebsarten am häufigsten vorkommen:

  •  "maligne Melanome
  • Neuroblastome
  • Nierenzellenkarzinome
  • maligne Lymphome".

Mit diesen Arten beschäftigt sich Herbert Kappauf auf den nächsten Seiten noch eingehender. Spannend sind auch die geschilderten Fälle. Die persönlichen Geschichten geben doch ein wenig Hoffnung.

Grundsätzlich geht man heute davon aus, dass Spontanheilungen häufiger vorkommen als bisher angenommen. Wikipedia weist darauf hin, dass "in einer Mammographiestudie von 2008 eine um 22 % erniedrigte kumulative Inzidenz von Brustkrebs bei der Kontrollgruppe ohne Mammographie im Vergleich mit der mit Mammographiegruppe gefunden" wurde. Das wäre als eine "Spontanheilungsquote von 22 % bei Brustkrebs" interpretierbar. Auch andere Studien weisen auf einen ähnlich hohen Prozentsatz hin.

 

Vielfach lassen sich Spontanheilungen aber wissenschaftlich nicht so einfach dingfest machen. Erstens werden viele Fälle gar nicht erfasst: Zum Beispiel wenn diagnostizierte Krebspatienten einfach nicht mehr beim Arzt erscheinen. Teilweise werden auch Behandlungen eingeleitet, weshalb man dann nicht wirklich sagen kann, ob die Therapie erstaunlich gut gewirkt hat oder ob der Selbstheilungsmechanismus des Patienten einfach wieder anschlug und eine Spontanremission zustande kam.

Gibt es einen Königsweg für Spontanheilungen?

Betroffene interessieren sich allerdings wahrscheinlich weniger für Statistik als vielmehr für praktische Hilfestellung. Diese kann die Wissenschaft bisher nicht bieten. Herbert Kappauf stellt aber die wesentlichen Mechanismen, die bei Spontanheilungen eine Rolle spielen beziehungsweise in der Medizin diskutiert werden in einer guten Übersicht vor.

Es gebe biologische Abläufe, "psychoneuroimmunologische Mechanismen" wie soziale Unterstützung, Persönlichkeitsfaktoren und schließlich religöse Wunder.

Interessant sind schließlich fundierte Forschungen von Hiroshi Oda oder Dr. Berland. Oda setzte sich mit psychologischen Faktoren auseinander und wollte wissen, wie Krebskranke, "die eine Spontanremission erfahren hatten, ihre gleichzeitig bedrohliche und ungewöhnliche Krankengeschichte zu einem Teil ihrer Lebensgeschichte" gestaltet hätten, erklärt Herbert Kappauf den Forschungsansatz. Dabei hätten sich drei Gruppen gezeigt:

 

  • Geschichten des Abwehrkampfes

    Dabei handelte es sich um Menschen (Anm. offenbar vor allem Männer), welche die Krankheit als Eindringling begriffen hätten, "der durch gewohnte Lebensstrategien und eine 'Stärkung der Abwehrkräfte" angegangen wurde.

  • Geschichten der Gottesgnade

    Diese Krebskranken kämpften nicht aktiv ums Überleben, erklärt Kappauf. Sie erlebten ihre Heilung vielmehr als Wunder.

  • Geschichten der Selbsttransformation

    Diese Betroffenen betrachteten die Krankheit als Teil von sich, nicht als Eindringling von außen, wie die "Abwehrkämpfer". Die Frage "Warum ich?" wäre zentral für diese Krebspatienten, die im Zuge ihre wunderbaren Heilung ihr Leben oft grundlegend änderten.

    Auf Seite 191 führt Kappauf auch noch einen vierten Typus an:

  • "Verstricktes Beobachten"

    Dabei handelt es sich um Menschen die ihre Krankheit und schließlich die Spontanheilung wie einen "Kinofilm" erleben würden. Sie spielen zwar darin eine Rolle, lassen sich aber auf die Krankheit nicht sonderlich intensiv ein und leben im Großen und Ganzen weiter wie bisher.

Einen Königsweg selbst, der zu Spontanheilungen führt gibt es offensichtlich nicht. Dennoch gibt es Hoffnung und das Buch schildert sehr, sehr unterschiedliche Geschichten, die mich teils zutiefst berührt haben.

Meiner Freundin Sabine habe ich das Buch dann ziemlich zerlesen "geschenkt". Ich glaube es war mehr Therapie für mich selbst, denn ihre Erkrankung hatte mich offen gesagt emotional überfordert. Die empathische und wissenschaftlich fundierte Art des Autors, Herbert Kappauf, dem Leser das komplizierte Thema nahe zu bringen, ist bemerkenswert. Insofern kann ich Angehörigen von Krebspatienten das Buch zum Lesen sehr empfehlen und wenn Sie selbst an Krebs erkrankt sind, kann diese Lektüre ein Stück Hoffnung wieder geben.

Und unabhängig davon wie die Erkrankung ausgeht, eines sollte meines Erachtens ab dem Moment der Diagnose immer Vorrang haben: die eigenen Bedürfnisse, die Selbstliebe. Schock hin oder her: Noch ist man am Leben und jeder Tag könnte wundervolle Stunden für einen bieten.

 

NACHTRAG:

Leider gibt es auch Schattenseiten im Kampf gegen Krebs ...

Meine liebe Pagewizz-Kollegin Elli - die im Übrigen auch einen sehr guten Artikel über das "Anti-Krebs-Gewürz" Kurkuma geschrieben hat (hier: https://pagewizz.com/kurkuma-ein-gewurz-mit-heilwirkung-curcumin-gegen-krebs-30307/) - machte mich auf einen Fernseh-Beitrag aufmerksam, der die Schattenseiten in der Pharmaindustrie in Zusammenhang mit Chemotherapie und Krebsbehandlungen aufzeigt: Siehe unten den youtube-Clip "Die Krebsmafia ... " - Das Ganze ist halt auch ein Milliardengeschäft. Auf youtube finden sich noch andere gut recherchierte Beiträge. Unten zwei dieser Beiträge, die doch nachdenklich machen ... Hoffentlich wird der Korruption bald ein Riegel vorgeschoben. Das Leid von Krebskranken ist schon groß genug. 

Autor seit 11 Jahren
61 Seiten
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