Tilo Baumgärtel

Tilo Baumgärtel (Bild: Courtesy Galerie Kleindienst, Leipzig)

Die Lust am Expressiven

Mit einem wilden Furor werden die Besucher bei den Bildern von Marc Jung (Kunsthaus Erfurt) konfrontiert, als habe er Elemente von Jackson Pollock und Wols aufgegriffen und in seinem persönlichen Stil weiterentwickelt. Bei Niemand hat gesagt es sei einfach ein Schwein aufzuziehen verwendet Jung die Maltechnik des Drip Painting, doch sein Mixed Media auf Papier ist in seinem exzessiven Toben wesentlich fröhlicher und bestens geeignet zur Aufwertung des Küchendekors. Ähnlich impulsiv ist die Malerei von Janina Roider (Smudajeschek Galerie), einer Meisterschülerin von Günter Förg, die das Figurative hinter dem Abstrakten verschwinden lässt, um die Vielschichtigkeit des Daseins aufzuzeigen. Eine weitere Newcomerin ist Jule Ja Kantor (Private View), die den täglichen Bewusstseinsstrom veranschaulicht und eine Überflutung des Wahrnehmungsapparats thematisiert.

Soziale Beklommenheit und Großstadtwahnsinn

Bei der Galerie Bart aus Amsterdam/Nijmegen lohnt es sich, ein wenig länger zu verweilen, vor allem, wenn man sich dem Koreaner Jisan Ahn zuwendet. Überlebenskampf, soziale Beklommenheit und Machtmissbrauch sind seine Themen. Wir sehen ein Gesicht, das gegen einen gläsernen Rahmen gepresst ist: Hier wird einer existentiellen Not Ausdruck verliehen. Düster geht es auch zu bei den Werken von Birgit Borggrebe (Kuhn & Partner), sie zeigt den tristen Großstadtwahnsinn, eine zubetonierte Skyscraper-Landschaft, die Kultur und Romantik längst aufgefressen hat. Wer das Ausweiden, herausquellende Eingeweide und funkelnde, entblößte Hoden zu schätzen weiß, ist bei einer auf den Kopf gestellten Skulptur des Norwegers Mattias Härenstam genau richtig. Man fühlt sich in eine Zeit versetzt, als sich Katholiken und Lutheraner nicht mit einem schlichten, konventionellen Töten begnügen wollten. Magische Momente lässt hingegen Grzegorz Klimek (DNA Gallery, Wroclaw) aufglühen, seine Leinwandproduktionen haben eine sanfte Eindringlichkeit.

Jisan Ahn

Jisan Ahn (Bild: Courtesy Galerie Bart, Amsterdam)

Dschungellandschaft mit Aborignes

Auffällig bei der Schmalfuss Galerie sind die wie antiquiert erscheinenden, unbewohnten Straßenszenarien von Stefan Hoenerloh, vorzüglich tauglich für Filmkulissen und das Abtauchen ins Imaginäre. Die Galerie Michael Reid in Berlin hat es sich zur Aufgabe gemacht, speziell australische Künstler zu fördern. Wunderschön ist eine in Blau getauchte Dschungellandschaft von Danie Mellor (SuperNatural), wo Aborigenes und kleine Tiere auf verschlungenen Ästen versuchen zu leben, statt zu vegetieren. Auch C/O Berlin, seit Jahren vielbeachtet von der Presse, ist mit Fotokunst vertreten. Inmitten all der Vielfalt gibt es auch dieses Jahr einiges Entzückendes, aber auch schwächere Arbeiten, die beim Flanieren nur flüchtig mitgenommen werden. Insgesamt erlebt man die Entfaltung eines Talentschuppens mit vielen Halbarrivierten, etwas zum Entdecken und teilweise erschwinglich für schmalere Bankkonten.

Preview Berlin Art Fair

Opernwerkstätten Berlin, Zinnowitzer Str.9, 10115 Berlin

Ausstellung vom 19. – 22. September

 

Danie Mellor

Danie Mellor (Bild: Courtesy Galerie Michael Reid, Sydney)

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