Hardings Romane: Deftig, aber beliebt

Es sind Szenen wie diese, welche die Paul-Harding-Romane in den 1990er und 2000er Jahren bei vielen Lesern so beliebt gemacht haben. Bis zur letzten Seite spannende Kriminalfälle aus dem mittelalterlichen England werden dabei kombiniert mit farbenfroher Detailgenauigkeit. Selbst die damalige Umgangssprache mit ihrer deftigen Ausdrucksweise findet hier ihren Platz, ohne dabei obszön zu wirken. Der Autor entwirft, gepaart mit einer Brise Geschichtsunterricht, ein vermutlich weitgehend realistisches Bild des englischen Mittelalters, wozu sicherlich auch die Einarbeitung sozialer und politischer Umstände beiträgt.

Paul Harding: Eine Maske unter vielen

Diese wirklichkeitsnahe und faszinierende Erzählweise resultiert unter anderem aus einem profunden Fachwissen, denn hinter dem Namen Paul Harding verbirgt sich der Historiker Paul Doherty, welcher bereits unter zahlreichen anderen Pseudonymen Romane schrieb. Seine als Paul Harding veröffentlichten Kriminalromane weisen verblüffende Lösungen auf, welche oftmals keineswegs Fiktion sind, denn der 1946 geborene Brite holt sich gelegentlich Anregungen aus mittelalterlichen Gerichtsakten. Die daraus entwickelten Romane sind im 14. Jahrhundert angesiedelt und gehören fast ausschließlich zwei Fortsetzungsreihen an, deren einzelne Folgen allerdings jeweils in sich abgeschlossen sind:

Der Meisterspion Hugh-Corbett

Die Hugh-Corbett-Reihe hat den gleichnamigen Meisterspion und Detektiv des englischen Königs Edward I. zum Mittelpunkt. Corbett wurde der historischen Figur John de Droxford nachempfunden, welcher tatsächlich als Edwards "Chefermittler" fungierte.Hugh Corbett klärt, meist sehr widerwillig, im Auftrag des Königs rätselhafte Verbrechen auf. Einige dieser Fälle lehnen sich dabei stark an Legenden wie Robin Hood oder historische Ereignisse wie den Schatzraub von Westminster Abbey an. Bei seinen Aufgaben wird der Meisterdetektiv unterstützt von dem ehemaligen Straßengangster Ranulf sowie dem tollpatschigen Pferdenarren Maltote.

Das Ermittlerduo Cranston und Athelstan

Die weitaus farbenprächtigere Romanreihe jedoch spielt zur Zeit des Kinderkönigs Richard II.. Als Hauptfiguren agieren der Ordensbruder Athelstan sowie Sir John Cranston, seines Zeichens Coroner der Stadt London. Der Titel stellt eine Mischung aus Friedensrichter und Staatsanwalt dar. Cranston ist laut und versoffen, gleichzeitig jedoch gutmütig, unbestechlich, gerecht und trotz seiner beachtlichen Leibesfülle ein hervorragender Kämpfer. Lediglich vor seiner zierlichen Gattin hat der königliche Beamte gewaltigen Respekt.

Sir John übt auch eine magische Anziehungskraft auf Tiere aus, obwohl er deren Zuneigung vorgeblich keineswegs erwidert. Auf diese Weise kommt der Coroner beispielsweise zu einem Ziegenbock sowie zwei Wolfshunden. Außerdem stellt er eine Kröte namens Thomas unter königlichen Schutz. Der gemeingefährliche Mastiff eines Stadtbüttels interessiert sich häufig für John Cranstons fleischige Schenkel, während ein entflohener Affe sogar auf den Namen des Coroners getauft wird...

Das ganze Gegenteil von Cranston ist sein Sekretär Athelstan, ein zarter und sehr scharfsinniger Mann. Der junge Dominikaner betreut neben seiner Arbeit für den Coroner eine chaotische Kirchgemeinde im Elendsviertel Southwark. Beide Tätigkeiten wurden ihm ursprünglich als Buße aufgetragen, denn er flüchtete einst aus dem Kloster, um mit seinem Bruder ein Kriegsabenteuer zu erleben.

 

Bald jedoch lernt Athelstan seine Strafarbeit lieben und sieht sich dadurch den Versuchen und Versuchungen einflussreicher Leute ausgesetzt. Diese wollen ihn unbedingt abschieben, denn als Freund der Unterdrückten ist der Priester den Reichen und Mächtigen suspekt. Im Ermittlerduo Cranston / Athelstan erscheint der scharfsinnige Dominikaner zudem gefährlicher als der Coroner: Regelmäßig klärt Athelstan die mysteriösen Verbrechen auf und entlarvt dabei auch adlige Drahtzieher, während Cranston eher die unterstützende Autorität darstellt und seine weit reichenden Verbindungen gekonnt einsetzt.

 

Paul Hardings mittelalterliche Kriminalromane erschienen im Verlagshaus Knaur.

Donky, am 09.11.2020
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Bildquelle:
Karin Scherbart (Asterix bei den Pikten – Rezension)

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