Überbleibsel eines verschwundenen Viertels

Mit der Bildung neuer Berliner Bezirke im Jahr 1920 löste sich die Luisenstadt auf und wurde auf die Bezirke Kreuzberg und Mitte verteilt. Nur noch wenig erinnert an den ehemaligen Bezirk, der nicht nur der größte der historischen Stadtteile Berlins war, sondern auch der dichtbesiedeltste. Um 1900 wohnten hier über 300000 Menschen, ein großer Teil der Berliner Wirtschafts- und Kulturgeschichte wurde hier geschrieben. Begibt man sich auf die Spurensuche, taucht sicherlich irgendwann der Luisenstädtische Kanal auf, eine Verbindung, die 1848 zur Verbindung von Spree und Landwehrkanal angelegt wurde. Als der Kanal seine Funktion verlor, wurde er 1926/27 wieder zugeschüttet.

Einen Blick in die Kulturgeschichte des Viertels gestattet auch der Luisenstädtische Friedhof, der mit 90000 qm größte der vier Friedhöfe an der Bergmannstraße. Man stößt auf verfallene Mausoleen und Erbbegräbnisse, Plastiken und interessante Kunstwerke.

Dass einem viele Namen der großen Grabmale nichts sagen, ist eigentlich keine Schande - verschwanden doch viele Fabriken nach dem 2. Weltkrieg aus dieser Gegend. Einige Namen wurden in den letzten Jahren erst wieder bekannt, so z.B. die Heckmanns durch die wunderschönen Heckmann-Höfe in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte. Die Heckmanns betrieben zeitweilig Gießereien in der ganzen Welt (z.B. in Südamerika und Rußland), ihre Berliner Fabrik befand sich in der Luisenstadt, am heutigen Heckmannufer (sic!). Das Grab ist leider völlig verfallen, ob die Besucher der berühmten Heckmann-Höfe davon wissen?

Auf dem Gelände schreitet man durch die Wirtschaftsgeschichte des Viertels, die hier als Kulturgeschichte erlebt werden kann: besonders markant die Gräber des Industriellen Stock und des Wäschereibesitzers Reibedanz (letzteres als große Ausnahme im expressionistischen Stil von Max Taut gestaltet).

Und wie kommt das Grab des Nobelpreisträgers Gustav Stresemann hierher? Es ist eine Mischung aus Kultur- und Wirtschaftsgeschichte. Stresemann wuchs in der Luisenstadt auf und ging hier zur Schule (Andreas-Gymnasium). Auf jeden Fall wird das Grab des Friedens-Nobelpreisträgers immer wieder von deutschen und französischen Politikern und Delegationen besucht.

Bei diesem Gang durch die Geschichte läßt sich auch das Selbstverständnis der hier Begrabenen gut erfahren : das Ende des 19. Jahrhunderts war im Raum Berlin die Zeit der Neo-Stile, im Vergleich zum Friedhof Dreifaltigkeitskirche II, ein paar Meter entfernt, bemerkt man schon eine gewisse Protzigkeit der Gräber und die Hinwendung zu "modischen" Elementen.

Ein Besuch lohnt sich in jeden Fall : nicht zuletzt, weil der Friedhof am Südstern liegt, einer Gegend mit vielen Restaurants und kleinen Geschäften.

Grab des Industriellen Stock

Der gößte der Friedhöfe an der Bergmannstraße

Restauranttipps am Berliner Südstern

http://www.brauhaus-suedstern.de/

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