Stephen Kings "Misery" auf blu-rayGlück im Unglück für Bestsellerautor Paul Sheldon (James Caan): Nachdem er sein neuestes Manuskript in einem abgelegenen Hotel in Colorado fertiggestellt hat, gerät auf der Heimfahrt sein Wagen ins Schleudern, rast eine Böschung hinab und bleibt schließlich in einem Schneehaufen stecken. Den schwer verletzten Autor von Schnulzenromanen scheint ein langsamer Tod zu erwarten. Aber da erscheint sein Rettungsengel in Form der tatkräftigen Annie Wilkes (Kathy Bates). Die ehemalige Krankenschwester zerrt Paul aus dem Auto und transportiert ihn zu ihrem Haus, wo sie ihn aufopferungsvoll pflegt.

 

Als der Schriftsteller das Bewusstsein wiedererlangt, befindet er sich wider Erwarten nicht im Krankenhaus, sondern in Annies Gästezimmer. Die zunächst überaus liebevoll scheinende Frau teilt ihm mit, dass seine Beine gelähmt seien und sie die Ambulanz anrufen würde, sobald die Telefonleitungen wieder funktionierten, die nach einem schweren Schneesturm defekt seien. Paul wähnt sich glücklich, dank Annie überhaupt noch am Leben zu sein. Derweil hat ihn seine besorgte Verlegerin (Lauren Bacall) als vermisst gemeldet.

 

Ihre Besorgnis ist berechtigt, denn die anfangs sogar etwas schüchtern wirkende Annie entpuppt sich nicht nur als Pauls größter Fan, sondern auch als seine Nemesis, nachdem sie sein neues Manuskript gelesen hat. Schließlich stirbt in seinem neuen Roman der Kitschreihe "Misery" die von ihr glühend verehrte Protagonistin, da er sich ernsthafter Literatur zuwenden möchte. Ein Schritt, den sein "Fan Nummer eins" kategorisch ablehnt. Für sie ist "Misery" nicht einfach harmlose Unterhaltung, sondern der einzige Lebensinhalt.

 

Kurz entschlossen zwingt sie Paul mit allerlei psychischen Tricks, aber auch roher Gewalt, die Kitschromanserie fortzusetzen. Dem Schriftsteller wird allmählich klar, dass Annie kein Interesse daran hat, ihn jemals wieder ziehen zu lassen. Eher würde sie ihn töten, wie sie beweist, als sie plötzlich mit einer Axt in Händen vor ihm steht...

Packender Psychothriller "Misery"

Stephen Kings Stalker

"Ich bin Ihr größter Fan!" - Was für Normalsterbliche wie ein wunderbares Kompliment klingen mag, lässt so manche Stars schaudern. Nicht zu Unrecht, wie Stephen King persönlich einige Male schmerzhaft erfahren musste. Angeblich gab er einem gewissen Mark Chapman ein Autogramm, der später John Lennon ermordete. Weniger gefährlich, aber nicht minder furchteinflößend, waren einige Stalker, die dem Bestsellerautor das Leben schwer machten. All diese Ängste verarbeitete Stephen King in seinem Roman "Misery" (unter dem höchst originellen Titel "Sie", der wohl als Referenz an H. Rider Haggards "She" verstanden werden soll, eingedeutscht), der 1990 von Rob Reiner verfilmt wurde.

 

"Misery" erwies sich als eine der bis dato kommerziell erfolgreichsten Stephen-King-Adaptionen und brachte Hauptdarstellerin Kathy Bates einen höchst verdienten "Oscar" für ihre Verkörperung der schizoiden Retterin ein. Trotz des minimalen Settings - die meisten Szenen spielen in einem einzigen Zimmer - und des auf die beiden Hauptdarsteller gerichteten Fokus, überzeugt die Verfilmung als furios gespielter Psychothriller.

 

Fragile Beziehungen zwischen Autor und Leser

Dabei gelingt es Regisseur Rob Reiner eindrucksvoll, die wesentlichen Passagen des nicht gerade dünnen Romans von Stephen King perfekt zu adaptieren und somit den Geist der Vorlage zu behalten. Es wäre verlockend leicht gewesen, Annie einfach als komplett verrückte Psychopathie darzustellen. Aber gleich den Charakterisierungen im Roman ist Annie viel mehr, als "nur" verrückt. Sie ist auch eine Pragmatikerin, hat durchaus liebenswerte Züge und verzehrt sich nach jener Liebe, die sie nur in den "Misery"-Romanen finden kann. Denn die Gesellschaft hat sie, die "Verrückte", ausgespuckt und zu einem isolierten Leben verurteilt.

 

Paul wiederum agiert anfangs von einem hohen Sockel herab und kann seine Überheblichkeit nur schwer unterdrücken. Denn ist er nicht weitaus gebildeter und erfolgreicher, als Leute wie eben Annie? Im Laufe des Romans, wie auch des Filmes, muss er aber erkennen, auf welch dünnem Eis seine Selbstsicherheit erbaut ist.

 

Die zentrale Prämisse des Plots wird ungemein spannend und dramatisch, bisweilen auch mit auflockernden witzigen Passagen entwickelt. Beide Hauptfiguren sind untrennbar miteinander verbunden, was man auch metaphorisch auffassen könnte. Denn jeder Schriftsteller benötigt Leser, jeder Leser benötigt einen Autor, der seine Vorstellungen aufnimmt und daraus ein spannendes Buch produziert. Ironisch betrachtet erweist sich Annie sogar als der ideale Fan: Sie hat unmittelbaren Kontakt zum Künstler und vermag diesem augenblickliches Feedback zu geben. Mit höchst schmerzhaften Konsequenzen, die Paul rasch lernen lassen, was sein größter Fan zu lesen wünscht.

 

Realistischer Horror nach Stephen King

Dankenswerterweise verzichten King und Rob Reiner auf jegliche übernatürliche Aspekte. Während die in Kings Werken auftauchenden Schriftsteller oftmals mit Telepathie, Monstern oder Außerirdischen konfrontiert werden, schöpft "Misery" seine überzeugende Darstellung der Hass-Liebe zwischen Autor und Leser aus der Vorstellung heraus, dass eben jenes Szenario zwar fiktiv, aber nicht unrealistisch ist.

 

Somit bieten Film, wie auch das als Lektüre unbedingt zu empfehlende Buch, spannende und gleichermaßen intelligente Unterhaltung. Angesichts der phantastischen Schauspielleitungen einer bis "Misery" wenig bekannten Kathy Bates sowie des durch die "Pate"-Filme oder Actionstreifen wie "Rollerball" berühmten James Caan verschmerzt man die letztendlich überflüssigen Nebencharaktere wie jenen der Verlegerin, der bloß ein Cameo für Lauren Bacall darstellt. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Stephen Kings größter Fan bin?

Originaltitel: Misery

Regie: Rob Reiner

Produktionsland und –jahr: USA, 1990

Filmlänge: ca. 103 Minuten

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

Deutscher Kinostart: 25. April 1991

Verleih: MGM Home Entertainment

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