Opferstätten im Moor

Opfermoore in Europa stehen meist mit der germanischen und keltischen Kultur in Verbindung. Bereits der römische Schriftsteller Tacitus berichtete über germanische Menschenopfer. Es wurden allerdings auch Kultgegenstände, Waffen, Gefäße und sogar ein ganzes Schiff in Opferstätten in Mooren gefunden. Das berühmte Nydam Schiff wurde bereits im 19. Jht. ausgegraben. Heute ist es in Schloss Gottorf in Schleswig ausgestellt. Dort hat man sich auch auf das Konservieren und Erforschen von Moorleichen spezialisiert.

Mit modernen Untersuchungen wie der Radiokarbonmethode zur Altersbestimmung oder mit Röntgenaufnahmen, DNA-Analysen oder Computertomographien kann man heute viel über das Leben und den Tod der Mooropfer herausfinden. Durch spezielle Röntgenaufnahmen können z.B. so genannte Harris-Linien nachgewiesen werden. Diese belegen Wachstumsstörungen, die durch jahreszeitlich bedingte Unterernährung verursacht wurden.

Heute gibt es nur mehr wenige naturbelassene Moore. Mit gezielten Trockenlegungen und der Nutzung von Torf als Brennmaterial wurde bereits im Mittelalter begonnen. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts findet der Abbau von Torf zumeist maschinell statt. Viele möglicherweise noch im Moor eingeschlossene Artefakte werden dadurch vernichtet.

Bis heute wurden in Europa etwa 1000 Mooropfer gefunden. Während die ersten dokumentierten Funde im 17. Jht. umgehend kirchlich bestattet wurden, werden mit heutigen Funden wissenschaftliche Untersuchungen angestellt. Einige bekannte Moorleichen wurden dauerhaft konserviert und in Museen ausgestellt.

Kind und Mann von Windeby (Deutschland)

Als man in der Nähe von Windeby in Schleswig-Holstein im Jahre 1952 kurz hintereinander zwei Moorleichen fand, entstanden blühende Fantasien über eine Ehebrecherin und ihren Liebhaber, die zur Strafe für ihre Tat im Moor hingerichtet wurden. Bekräftigt wurden diese Fantasien dadurch, dass der Mann erdrosselt worden war, und dass das Mädchen von Windeby unbekleidet, mit verbundenen Augen gefunden wurde. Eine Hand war zur so genannten Feige geformt, was allerdings erst im Mittelalter eine obszöne Bedeutung erlangte.

Die Ehebrecher-Theorie erwies sich nach  modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen als falsch. Nach neuen DNA-Untersuchungen durch die kanadische Gerichtsmedizinerin Heather Gill-Robinson stellte sich heraus, dass es sich bei der, als Mädchen von Windeby berühmt gewordene Moorleiche, eindeutig um einen Jungen handelt. Und der Mann, ihr angeblicher Liebhaber, lebte gar 300 Jahre früher, wie eine neue Altersbestimmung mit der Radiokarbonmethode zeigte. Gegen die ursprüngliche These, die als Todesursache des Kindes von Windeby eine Hinrichtung vermutete, sprechen auch die liebevolle Ausstattung des Grabes mit Heidekraut und die Beigabe von Gefäßen als Grabbeigabe. Ein Vergleich mit Fotos vom Fundort zeigte außerdem, dass die Handstellung erst nachträglich manipuliert worden war, wohl um die These der jungen Ehebrecherin zu verstärken.

Tollund Mann (Dänemark)

Der Tollund Mann wurde 1950 in einem Hochmoor in Dänemark entdeckt. Sein Todeszeitpunkt fällt in die vorrömische Eisenzeit. Trotz des friedlichen, schlafend wirkenden Gesichtsausdrucks starb der Tollund Mann eines gewaltsamen Todes durch Erdrosseln. Die Sehnenschnur befand sich noch um seinen Hals.

Bildquelle: Sven Rosborn / Wikimedia Commons

Lindow Man (England)

Der Lindow Man wurde 1984 in Lindow Moss in der Nähe von Manchester gefunden. Bevor er vermutlich im 1. Jht. n. Chr. mit dem Gesicht nach unten im Moor versenkt wurde, erlitt er drei Tode: Schläge auf den Hinterkopf mit einem axtähnlichen Gegenstand, Erdrosselung mit einer Schlinge aus Sehnen und einen Messerstich in die rechte Vorderseite des Halses. Diese rituelle Ermordung und sein Mageninhalt, in dem auch Misteln gefunden wurden, führten zu der Vermutung, dass es sich bei seiner Hinrichtung um eine druidische Zeremonie gehandelt haben könnte.

Grauballe Mann (Dänemark)

Der Grauballe Mann wurde 1952 in einem Moor in Jütland gefunden. Der etwa 34 Jahre alte Mann starb ebenfalls eines gewaltsamen Todes. Ihm wurde die Kehle durchschnitten. Es konnten keine Hinweise gefunden werden, ob seine Hinrichtung Teil eines Menschenopfers war oder ob er zur Strafe getötet wurde. Der Grauballe Mann stammt, wie der Tollund Mann, aus der vorrömischen Eisenzeit, sein Todeszeitpunkt lässt sich nach der C14-Datierung in etwa auf das Jahr 290 v. Chr. festlegen. Durch die Gerbprozesse im Moor war die Leiche so gut konserviert, dass man sogar noch die Fingerabdrücke abnehmen konnte.

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