"Nine Dead": Ich weiß, was ihr letzten Sommer getan habt ...

Es gibt nur wenige Psychothriller, die von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend sind und dazu noch mit einer Schlusspointe enden, die den Zuschauer nachhaltig erschüttern. David Finchers "Sieben" ist ein solcher Film. Chris Shadley wollte es dem Meister gleichtun und inszenierte einen Thriller mit durchaus erfolgsversprechender Prämisse. Ob "Nine Dead" jedoch hält, was er verspricht?

Trailer zu "Nine Dead" (auf Englisch)

Handlung des Psychothrillers "Nine Dead"

EIne ungewöhnliche Verbrechensserie hält Los Angeles in Atem: Scheinbar zusammenhanglos werden Menschen entführt, ohne dass danach Lösegeldforderungen eingingen. Die vom Entführer betäubten Opfer erwachen in einem kleinen, völlig von der Außenwelt abgeschotteten Raum, an Stahlstangen gekettet. Insgesamt neun Menschen befinden sich schlussendlich in dem Verlies und werden vom maskierten Entführer mit einer Frage bedrängt: "Warum seid ihr hier?"

Der Psychopath führt aus, dass sie exakt zehn Minuten Zeit hätten das Motiv der Entführungen herauszufinden. Sollten sie daran scheitern, müsse einer von ihnen sterben. Zunächst glauben die Eingesperrten noch an einen fiesen Polizeitrick, um die Verbrecher unter ihnen zu Geständnissen zu zwingen. Doch nach Ablauf der besagten zehn Minuten stellt sich heraus, dass es der Maskierte bitter ernst meinte. Er erschießt vor den entsetzten Augen der anderen eines der Opfer. Seeleruhig gibt er ihnen wiederum zehn Minuten Zeit, das Rätsel zu lösen. Sollten Sie es wieder nicht nach spätestens zehn Minuten knacken, werde es wieder einen Toten geben.

Immer noch ist nicht allen die dramatische Lage klar. Während sich einige der Entführten in kleinkrämerischen Streits ergehen, tickt die Uhr. Bald sind wieder zehn Minuten vorbei...

Kritik "Nine Dead"

Psychothriller zeichnen sich in der Regel dadurch aus, den Zuschauer ebenso wie einige der Protagonisten im Unklaren zu lassen, mit welchen Bedrohungen sie es zu tun haben. "Nine Dead" von Regisseur Chris Shadley 2010 inszeniert, folgt den klassischen Pfaden. Eine offenbar komplett zufällig zusammengewürfelte Menschengruppe wird von etwas Bösen bedroht und muss allen inneren und äußeren Widerständen zum Trotz einen Weg finden, sich zu retten.

 

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"Und nun, Mesdames et Messieurs, präsentiert Ihnen unser Starmodel Norman den Psycho-Look der Saison! Bitte beachten Sie die raffinierte Maske..."

 

 

 

Ob es ihnen gelingt ist dabei sekundär. WIchtig sind dem Zuschauer die stete Spannung des Unterfangens und möglichst viele überraschende Wendungen. Tatsächlich versteht es "Nine Dead" geschickt, das Interesse des Zuschauers für sich zu gewinnen. Man möchte unbedingt erfahren, was es mit den Entführungen auf sich hat, wodurch sie miteinander verknüpft sind und ob die Entführten möglicherweise mehr auf dem Kerbholz haben, als sie zuzugeben bereit sind.

Ex-Teenie-Hexe Melissa Joan Hart

"Nine Dead" wartet mit keinem stargespickten Cast auf. Sowohl Daniel Baldwin - einer der vielen Baldwin-Brüder -, als auch Melissa Joan Hart haben ihre besten Zeiten lange hinter sich. Insbesondere Ex-Teenie-Liebling Joan Hart zeigt sich erschreckend gealtert. Oder waren ihr die Maskenbildner feindlich gesonnen? Ihr blasses, unvorteilhaft fotografiertes Gesicht lässt die zu Drehzeit Mittdreißigerin weitaus älter erscheinen.

Trotzdem nimmt sie die formelle Hauptrolle ein und ist es letztendlich auch, die die Gruppe zusammenhält und dazu anspornt, das Motiv des Entführers aufzuklären.

Mit dem neuen, verbesserten Clairasil wäre das nicht passiert...

 

 

 

 

Die Figur der eiskalten Anwältin, die notfalls auch über Leichen gehen würde, nimmt man ihr aber kaum ab. So perfekt Joan Hart dereinst als harmloser Teenager von nebenan besetzt war: Den Sprung ins Charakterfach hat sie nicht geschafft, und "Nine Dead" legt Zeugnis davon ab.

"Nine Dead": Klischeehafte Figuren

Freilich: Einfach machte es das Drehbuch der ehemaligen Fernseh-Hexe nicht. Allzu klischeehaft sind die Figuren gezeichnet. Angefangen von der erwähnten eiskalten Anwältin ohne Gewissen über den unbeliebten, pedantischen Strebertyp bis hin zum funny Sidekick in Form einer Chinesin (Lucille Soong), die kein Wort Englisch spricht und von keinem der Anwesenden verstanden wird und dennoch unablässig in ihrer Muttersprache quasselt.

Im Bild (von links nach rechts): Die in den USA lebende Chinesin, die kein Wort Englisch spricht, daneben der stets korrekte Buchhaltertyp,  gefolgt vom Priester mit Schuldgefühlen sowie dem reuelosen Pädophilen.

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Diese Entwicklung macht auch vor dem Entführer nicht halt. Sein Motiv mag nachvollziehbar sein. Aber nach der unvermeidlichen Demaskierung dürfte so mancher Zuschauer verblüfft darüber sein, wie eben jener Mensch all diese Entführungen absolut perfekt über die Bühne brachte.

Dramaturgisches Hamsterrad

Was "Nine Dead" am Offensichtlichsten zu schaffen macht, ist die schludrige Dramaturgie. Nachdem der Entführer seine Drohung erstmals wahr gemacht hat, tritt die Handlung längere Zeit auf der Stelle. Was das Interesse des Zuschauers aufrecht erhält ist die Suche nach dem Motiv.

Dies geschieht mit Hilfe von Rückblenden der einzelnen Protagonisten sowie zahlreichen Dialogen, denen etwas Straffung deutlich genutzt hätte. Passagen mit sich wiederholenden gegenseitigen Anschuldigungen ermüden rasch und lenken von der spannenden Prämisse unnötig ab.

 

"Grüße, Erdenmensch! Ich komme in Frie-"

 

Überhaupt erweckt "Nine Dead" den Eindruck, etwas überhastet produziert worden zu sein, weshalb dem Drehbuch der letzte Schliff fehlte.

 

(c) der Bilder: http://www.schroeder-media.at/

"Nine Dead" verschenkt sein Potenzial weitgehend

Wer sich von "Nine Dead" einen durchgehend spannenden Nervenkitzel erwartet oder zumindest erhofft, dürfte enttäuscht werden. Man merkt dem Film sein geringes Budget und die überhastete Produktion an. Schade, denn mit etwas mehr Sorgfalt hätte die fesselnde Prämisse ihr Potenzial bestimmt vollends entfalten können! Auch die Idee, eine der Hauptrollen mit der immer noch berühmten Melissa Joan Hart zu besetzen, ging nach hinten los.

Trotzdem kann man "Nine Dead" als solide unterhaltenden Thriller bezeichnen. Von Genreperlen wie dem erwähnten "Sieben" ist er meilenweit entfernt. Andererseits gibt es erheblich schludriger inszenierte Psychthriller. Fans des Genres können mit "Nine Dead" kaum etwas falsch machen. Gediegene Spannung und ein immerhin latent überraschender Showdown sorgen für einen launigen Filmabend. Leider nicht mehr, aber immerhin auch nicht weniger.

Daten & Fakten

Originaltitel: "Nine Dead"

Regie: Chris Shadley

Produktionsland und -jahr: USA 2010

Filmlänge: ca. 95 Minuten

Verleih: SchröderMedia HandelsgmbH & Co KG

Deutscher Kinostart: -

FSK: ab 18 Jahren

Offizielle Website:www.ninedead.com
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