Nicht nur auf Grund seiner latenten Flugangst scheint Air Marshall Bill Marks (Liam Neeson) für seinen Job nicht gerade bestens geeignet zu sein. Nach einem schweren Schicksalsschlag ist er dem Alkohol verfallen und hält sich nur noch mühsam über Wasser. Als kurz nach dem Flugzeugstart Richtung Europa eine SMS auf seinem Handy einlangt, wonach alle zwanzig Minuten ein Passagier sterben werde, so dem Absender nicht 150 Millionen Dollar auf ein Konto überwiesen würden, glaubt er noch an einen makabren Scherz.

Doch der erste Tote an Bord macht deutlich, dass es dem Unbekannten buchstäblich todernst ist. Fieberhaft versucht Marks dessen Identität herauszufinden und greift auf Unterstützung seiner Sitznachbarin Jen (Julianne Moore) sowie der Stewardess Nancy (Michelle Dockery) zurück. Aber während die nächsten zwanzig Minuten viel zu schnell verstreichen und somit die Lebensuhr eines weiteren Passagiers abzulaufen droht, muss sich Marks der Frage stellen, ob er überhaupt Jemandem an Bord des Flugzeugs trauen kann. Und schlimmer noch: Allmählich beginnen die Sicherheitsbehörden ihm zu misstrauen und für einen verkappten Flugzeugentführer zu halten ...

Glänzt non-stop: Liam Neeson

Schlag nach bei Alfred Hitchcock oder Agatha Christie: Kein Plot erzeugt mehr Spannung, als eine möglichst unterschiedliche Gruppe von Menschen auf engsten Raum zu pferchen, wo ein Mörder sein Unwesen treibt. Und welcher Ort könnte mehr Klaustrophobie bieten, als ein sich mitten über dem Atlantik befindendes Passagierflugzeug? Nach dem enttäuschenden Horror-Remake "House of Wax" (auch bekannt als der Film, in welchem Paris Hilton von einem rein gar nicht phallusartigen Gegenstand aufgespießt wird) sowie dem ausgeklügelten Thriller "Orphan – Das Waisenkind", erhofft sich der spanische Regisseur Jaume Collet-Serra mit dem Actionkracher "Non-Stop" den endgültigen Durchbruch in Hollywood.

Zumindest finanziell erwies sich sein Streifen aber nicht als Überflieger und blieb etwas hinter den Erwartungen zurück. Dabei lässt "Non-Stop" auf den ersten Blick das Herz jedes Thriller-Fans höher schlagen. Neben der Verpflichtung des ins Actionfach gewechselten Charaktermimen Liam Neeson ("The Grey", "96 Hours - Taken 2", "Zorn der Titanen") als abgehalfterten Air Marshall, verspricht die Film-Prämisse ein selten spannendes Leinwandvergnügen. In klassischer Whodunit-Manier kreist der Streifen um Liam Neesons Figur, die nicht nur den Erpresser unter rund 100 Passagieren herausfinden muss, sondern die zudem allmählich unter Verdacht gerät, ein doppeltes Spiel mit den Behörden zu treiben.

Auf den Spuren von "Flightplan"

Ähnlich Robert Schwentkes von der Kritik in der Luft zerrissenen "Flightplan – Ohne jede Spur" heftet sich die Kamera an die Fersen des Protagonisten und teilt dessen Konfusion mit dem Zuschauer. Zu Beginn hat der Film seine stärkste Phase. Ohne langatmige Charakterisierungen steigt der Streifen fast direkt in die Handlung ein und konfrontiert Liam Neesons Figur mit einem ausweglos scheinenden Szenario. Bar jeder Vertrauensperson gerät Bill Marks immer tiefer in den Sog eines ausgeklügelten Plans, der ihn zum unbekannten Erpresser stempeln soll.

Was anfangs tatsächlich für Spannung sorgt und die Handlung rasch vorantreibt, hat freilich einen Pferdefuß: Die Glaubwürdigkeit des Plots nimmt mit jedem neuen falschen Verdacht, mit jedem geschlagenen Haken ab und lässt den Zuschauer ins Grübeln geraten, wie der oder die Täter einen dermaßen perfekt ausgeklügelten Plan auf die Beine stellen konnte. In diesem Punkt unterscheidet sich "Non-Stop" natürlich nicht von ähnlich gestrickten Filmen, bei denen der Bösewicht entweder über hellseherische Fähigkeiten oder unverschämtes Glück verfügen muss, um seine Absichten dermaßen perfekt umsetzen zu können bzw. vom Protagonisten umsetzen zu lassen.

Solider Actionthriller

Gewiss: An einen Actionthriller wie "Non-Stop" stellt man keine übertrieben hohe Erwartungen was den Realismus anbelangt. Gerade Liam Neeson hat aber mit seinen grandiosen Filmen "The Grey" und insbesondere "96 Hours" eindrucksvoll bewiesen, wie man den Zuseher trotz einem gerüttelt Maß an Unglaubwürdigkeit bei der Stange halten kann.

Akribisch arbeitet das Script die zu erwartenden Stereotypen ab, wie den nervösen Cop, den aggressiven, leicht debil wirkenden Schwarzen, die geheimnisvolle Schöne und natürlich den stets verdächtigen Araber. Emotionale Nähe zu irgendeiner Figur soll erst gar nicht aufgebaut werden. Dadurch büßt der Film leider an Spannung ein, sind diese doch völlig austauschbar, während der Protagonist selbst als zentraler Punkt des Streifens unantastbar erscheint.

Die Auflösung des Rätsels, wer hinter den Erpressungen steckt, gipfelt in einer Enttäuschung, die an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden soll und die weder glaubwürdig, noch nachvollziehbar ist. Gar zu zahlreiche Zufälle pflastern den Weg zum Showdown und hinterlassen einen schalen Nachgeschmack. Der ganz große Wurf ist Regisseur Jaume Collet-Serra auch mit "Non-Stop" nicht gelungen, was angesichts des einmal mehr überragenden Liam Neeson doppelt schade ist.

Schließlich hätte die Prämisse Raum für eine wirklich verblüffende Auflösung geboten, die sich nachhaltig im Kopf des Zusehers festsetzen hätte können. Vielleicht hatte der Spanier Angst vor der eigenen Courage und ging deshalb auf Nummer sicher, sprich: Der Showdown tut außerhalb der Leinwand zwar niemandem weh, sorgt aber auch für kein "Aha"-Erlebnis.

"Non-Stop": Empfehlung für Genrefreunde

Inszenatorisch bewegt sich der Actionthriller ganz klar im oberen Bereich des Genres. Fast der gesamte Film spielt sich an Bord einer ganz normalen Linienmaschine ab, dessen Enge Jaume Collet-Serra geschickt für seine Zwecke nützt und an einigen Stellen durchaus ein Gefühl der Klaustrophobie erschafft. Die knapp 100 Minuten vergehen zwar – dieser Kalauer muss sein – wie im Flug, ein "Non-Stop"-Rückflugticket wird jedoch kaum ein Zuseher buchen. Denn anders als etwa "96 Hours" bietet dieser Streifen keine Motivation dafür, ihn erneut anzugucken.

Fazit: "Non-Stop" ist ein glatt inszenierter Actionthriller mit einem glänzend aufgelegten Liam Neeson, vermag aber die zu Beginn des Films aufgebauten Erwartungen nicht ganz zu erfüllen. Die der Prämisse geopferten Charakterisierungen errichten eine emotionale Barriere zwischen Film und Zuseher, was dem Werk einen sterilen Charakter verleiht. Nichtsdestotrotz ist er hinreichend spannend und für Genrefreunde geradezu ein Muss. Allerdings sollte man ihn nicht ausgerechnet vor einem anstehenden Langstreckenflug angucken …

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