Wer hat Angst vorm Bösen Wolf? Liam Neeson!

Nach dem Verlust seiner über alles geliebten Frau, hält John Ottway (Liam Neeson) nur noch sein Job über Wasser. Im Auftrag einer Ölfirma beschützt er deren Mitarbeiter vor Wolfsangriffen in Alaska. Von jeglichen sozialen Kontakten abgekoppelt, besteigt er eines Tages jenes Flugzeug, das ihn und seine Kollegen nach Hause bringen soll. Auf dem Flug gerät die Maschine aber in einen Blizzard und schmiert ab. Wie durch ein Wunder überleben Ottway und insgesamt sieben andere Männer.

Doch damit enden die Probleme nicht. Denn sie befinden sich irgendwo in den Einöden Alaskas und können nicht einfach auf das Eintreffen einer Suchmannschaft warten. Neben der mörderischen Kälte ist es ein Rudel Wölfe, das den Männern das Überleben schwermacht. Schließlich sind sie nicht irgendwo gelandet, sondern ausgerechnet im Jagdrevier des aggressiven Rudels. Der erste von vielen Angriffen lässt nicht lange auf sich warten...

Trailer "The Grey - Unter Wölfen"

Liam Neeson: Einzelgänger mit Herz

Das Fernsehen lügt! Ein Filmtrailer aber mitunter auch. Wer beispielsweise in der Verschnaufpause zwischen stupider Kinowerbung und dem erschreckend schlaffen Fantasy-Knallfrosch "Zorn der Titanen" den Trailer zu "The Grey - Unter Wölfen" sah, dürfte dahinter wohl einen klassischen Tierhorrorfilm vermutet haben. Ein Irrtum, dem mit Sicherheit so mancher Zuschauer aufgesessen sein dürfte. Tatsächlich handelt es sich um ein existenzialistisches Drama, dessen treibendes Element nur rein zufällig Wölfe sind. Mit Popcorn-Kino der Marke "Der weiße Hai" oder "Piranha 3D" hat dieser Streifen kaum etwas gemeinsam.

Vielmehr inszenierte Joe Carnahan nach dem sinnfreien Blockbuster "Das A-Team - Der Film" einen packenden Kampf ums Überleben. Erneut griff Carnahan auf Liam Neeson zurück - eine kluge Entscheidung. Denn der gebürtige Ire, dem im eingangs erwähnten "Zorn der Titanen" bestenfalls eine Alibi-Rolle zufiel, kann hier die ganze Bandbreite seines Können ausspielen. Kaum ein anderer zeitgenössischer Schauspieler verkörpert den verbitterten Einzelgänger mit Herz besser als Neeson. Auf der Kurzgeschichte "Ghost Walker" von Drehbuchautor Ian MacKenzie Jeffers basierend, schlägt der Film mitunter sehr ernsthafte Töne an, ohne in schwermütige Melancholie oder Humorlosigkeit zu verfallen.

 

Dramatischer Überlebenskampf

Eisiges AlaskaFreunde von Tierhorrorfilmen werden zwar nicht enttäuscht, sehen sich aber mit einem Filmprodukt abseits gewohnter Pfade konfrontiert. Gar so metaphysisch verschwurbelt wie Mads Mikkelsens Bilderrausch "Valhalla Rising" kommt "The Grey - Unter Wölfen" zwar nicht daher. Doch die üblichen Genrekonventionen werden immer wieder gebrochen, was bereits mit der halbwegs realistischen Darstellung von Wölfen beginnt. Diese jagen die Überlebenden des Flugzeugabsturzes nicht des Fleisches wegen, sondern weil sie in ihnen gefährliche Konkurrenz in ihrem Jagdrevier sehen. Carnahan reduziert den Überlebenskampf auf das Wesentliche: Mensch gegen Tier. Ohne Schusswaffen oder Fahrzeuge befinden sich die Überlebenden im Nachteil, den sie durch Kooperation und Cleverness ausgleichen müssen. Oder vielmehr "müssten", denn selbst im Kampf auf Leben und Tod kann der Mensch nicht aus seiner Haut und schwächt mit kleinlichen Reibereien die Gruppe.

Dabei umschifft Regisseur Carnahan die gewohnten Klischees geschickt und erzählt eine fesselnde Geschichte, die in ihrem Kern simpler kaum sein könnte. Auf komplexe Handlungsstränge wird ebenso verzichtet, wie auf allzu vielschichtige Charakterisierungen. Dem Film schade dies freilich in keiner Weise: Raubein Liam Neesons Lebensgeschichte wird mit Rückblenden ausgeleuchtet, während seine Mitstreiter in gebotener Kürze Profil zeigen dürfen. Das reicht völlig, um Sympathien für die Figuren zu erzeugen und die Handlung voranzutreiben.

Archaisches in Alaska

Für Gänsehaut sorgen archaisch wuchtige Momente wie das Aufblitzen blutrünstiger Monsteraugen in der Nacht. Die grandiosen Landschaftaufnahmen vermitteln ein Bild der essentiellen Bedrohung, erweisen sich doch die Tücken der Natur als ebenso zerstörerisch wie ihre mit Zähnen und Klauen bewehrten Kreaturen.

In den eisigen Weiten Alaskas wirken die Protagonisten geradezu lächerlich fremd, was einen harten Kontrast zu den Anfangsszenen in einer Bar bildet. Ohne den vermeintlichen Schutz des technologischen Fortschritts bröckelt der zivilisatorische Lack ab, bis das wahre Ich zum Vorschein kommt. Im Falle Ottways (lies: "odd way") die Gestalt eines an der Welt Verzweifelten, der seine Liebe zum Leben wiederentdeckt. Die anfangs proklamierte fatalistische Weltsicht weicht rasch dem pragmatischen Urinstinkt des Überlebens.

 

Spannendes Actiondrama "The Grey - Unter Wölfen"

"The Grey - Unter Wölfen" ist ein enorm spannender Film, so man ihn mit der richtigen Einstellung zu genießen versteht und keine Splatterszenen, barbusigen Schönheiten oder besoffenen Teenager mit doofen Sprüchen zwischen den aufgespritzten Lippen erwartet. Knapp 25 Millionen Dollar soll das Filmbudget betragen haben. Für extravaganten CGI-Schnörkel fehlten folglich die finanziellen Möglichkeiten, was dem Streifen gut zu Gesicht steht. Von Ridley Scott co-produziert, arbeitet der Film seine inneren wie äußeren Konflikte souverän ab und lässt den Zuschauer in eine faszinierende, wie auch tödliche Landschaft eintauchen, die viel zu selten cineastisch ausgelotet wird.

Wer sich für den Überlebensthriller "Frozen" erwärmen konnte, sollte sich "The Grey - Unter Wölfen" keinesfalls entgehen lassen. Alleine schon deshalb, um Liam Neeson bei einer weiteren schauspielerischen Glanzleistung zugucken zu dürfen. Ohne Grimassen oder Overacting reißt der Ire ganz locker jede Szene an sich. Bloß gut, dass der vielbeschäftigte Mime demnächst in der Fortsetzung zum Actionhit "96 Hours" und dem mit Spannung erwarteten SF-Kracher "Battleship" zu bestaunen sein wird.

Originaltitel: The Grey

Regie: Joe Carnahan

Produktionsland und -jahr: USA, 2011

Filmlänge: ca. 117 Minuten

Verleih: Warner

Deutscher Kinostart: 12.4.2012

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

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