„Du, es ist Apokalypse!“ – „Geil! Gehste hin?“ - "Nö, kenn ich schon"

Zu den sichersten Blockbuster-Anwärtern zählen neben Verfilmungen gerade aktueller Buchbestseller Leinwandabbildungen apokalyptischer Szenarien. Und kein anderer Weltuntergangskracher wurde 2013 sehnsüchtiger als "Pacific Rim" erwartet. Kein Wunder: Dank visuell und inhaltlich unkonventioneller Filme wie "Hellboy" (2004) und insbesondere "Pans Labyrinth" (2006) hat sich Regisseur Guillermo del Toro, der ein bisschen wie die mexikanische Version von Michael Moore aussieht, in die Riege der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge des doch schon in die Jahre gekommenen Steven Spielberg katapultiert. Diesen vakanten Posten hat M. Night Shyamalan, vor Jahren vom einst einflussreichen Printmagazin "Newsweek" etwas vorschnell als nächster Steven Spielberg gefeiert, längst aus den Augen verloren, nicht zuletzt dank des an der Kritikerfront pulverisierten Science-Fiction-Lachers "After Earth", einem Streifen, der Will Smiths Sohn zum Superstar machen sollte, aber dermaßen langweilig und strunzdoof geriet, dass er nur deshalb seine immensen Kosten wieder einspielte, weil Millionen Menschen wissen wollten, ob er wirklich langweilig und strunzdoof ist (Spoiler: Ja, ist er!).

Um ein Haar wäre "Pacific Rim" trotz überraschend positiver Kritiken vom Publikum versenkt worden, hätten den Streifen nicht justament europäische und vor allem asiatische Kinogeher aus der drohenden finanziellen Misere gehoben. Justament deshalb, weil sich der Streifen als Hommage an unzählige japanische Monsterfilme versteht, was Mr. und Mrs. Wong offensichtlich gefällt. Dem US-Publikum ging "Pacific Rim" am – Schluck! – nur noch zweitfettesten Arsch der Welt (Guillermo del Toros Landsmännerinnen- und frauinnen haben die Amis als das fetteste Volk des Planeten buchstäblich überrundet) vorbei. Woran lag's? Waren US-Kinobesucher der apokalyptischen Stoffe bereits überdrüssig? Alleine 2013 drohte der Menschheit neben dem erwähnten "After Earth" (der nur haarscharf an "After M. Night Shyamalan vorbeischrammte) in "Oblivion", "World War Z", dem supersterilen Superman-Spektakel Sack Snyders "Man Of Steel" und selbst im neuesten "Star Trek"-Reboot kosmisches Ungemach aus dem All. Allerlei, einerlei: "Pacific Rim" ist ein lauter, dafür auf ehrliche Weise tumber Blockbuster, der es letztendlich verabsäumt, anders als "der teure Film, der eine Mischung aus Transformers und Godzilla ist" sich im Gehirn des Zuschauers zu verankern und somit in Erinnerung zu bleiben. Ach ja: Ron Pearlman ist auch wieder dabei. Als Mensch, nicht als Monster.

Hippies entsetzt: San Francisco von Monstern zerstört!

Irgendwie haben wir jahrelang in die falsche Richtung geschaut, nämlich nach oben, anstatt nach unten. Die Reiter der Apokalypse kommen nicht vom Mars, sondern aus einer Erdspalte im Pazifik. Und sie sehen wie gigantisch große Echsen aus. Gigantisch große, mies gelaunte Echsen, um exakt zu sein. Das erste der später Kaijū  genannten Monster macht San Francisco platt. San Francisco ist zwar die Hauptstadt der Hippies, nett ist das trotzdem nicht. Deshalb beschießt das US-Militär den Eindringling mit allem, was an Waffenkapazität vorhanden ist. Konventionelle Waffensysteme kratzen das Monster aber nicht einmal, weshalb die Regierungen dieser Erde ihre Streitigkeiten beilegen und tief ins Portemonnaie ihrer Schäfchen greifen, um eine neue Waffe zu kreieren: Riesige Kampfroboter, die auf Grund ihrer Komplexität von zwei Piloten gesteuert werden müssen.

Die Jaeger genannten Roboter sind nunmehr die einzige verbliebene Waffe im Kampf gegen die Kaijū, die in immer kürzeren Zeiträumen aus dem Pazifik quellen und Küstenstädte angreifen und zerstören. Obwohl sich die Jaeger als veritable Waffen erweisen, beschließen die etwas kleineren, dafür umso gefährlicheren Ungeheuer in diversen Parlamenten, das Programm zur Herstellung neuer Jaeger zu stoppen und die Mittel in den Bau riesiger Schutzwälle entlang der Küsten zu investieren. Nur wenige Kampfroboter bleiben einsatzbereit, darunter jener des Piloten Raleigh Becket (Charlie Hunnam), dessen Bruder während eines Monsterkampfes vor seinen Augen getötet worden war. Ihm wird die junge Asiatin Mako (Rinko Kikuchi) als Pilotin zur Seite gestellt, die jedoch selbst unter einem schweren Trauma leidet. Derweil wird ein tollkühner Plan entwickelt: Mittels Atombomben soll der Erdspalt, der eine Art Wurmloch in eine andere Dimension darstellt, versiegelt werden. Die Zeit eilt jedoch, entsteigen doch immer neue, noch größere Ungeheuer dem Pazifik …

Guillermo del Toro liebt Ron Perlman ... im übertragenen Sinne, ihr Perverslinge!

Es ist natürlich kein Zufall, dass in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten und gewaltiger sozialer und gesellschaftlicher Umbrüche Superheldenfilme sowie Filme mit apokalyptischen Stoffen boomen. Dahinter verbirgt sich zum einen die Sehnsucht nach einer "starken Hand", die alle Probleme für uns löst, zum anderen kokettieren wir Menschen mit der Urangst vor der völligen Vernichtung, welche jegliche Sinnsuche unterminiert. Da dies ein bisschen zu deprimierend wäre, serviert Hollywood zumeist die Light-Versionen von Apokalypsen: Mögen wie in Roland Emmerichs "2012" die meisten Menschen auch von Vulkanen eingeäschert, von Erdspalten verschluckt oder von Springfluten ertränkt werden – wenigstens hat eine Handvoll Menschen überlebt und sichert somit das Überleben der Spezies. Nämlichen Film kürte die NASA im Jahr 2011 übrigens zum aus wissenschaftlicher Sicht absurdesten Film aller Zeiten. Allzu viele Science-Fiction-Filme dürften die Eierköppfe bei der NASA offenbar nicht konsumieren. Vielleicht stimmt es ja, was Brent Spiner in "Independence Day" grinsend dem US-Präsidenten gesteht: "Man lässt mich nicht oft nach draußen!"

Denn verglichen mit "Pacific Rim" nimmt sich "2012" wie eine hochseriöse BBC-Dokumentation aus. Nur: Derlei Blockbuster erheben auch nicht den Anspruch wissenschaftlicher Akkuratesse. Bereits die Filmprämisse lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um ein klassisches Popcorn-Movie handelt: Monstren, die genauso gut in einem der unzähligen "Godzilla"-Filme japanische Städte zertrampeln und anschließend von Godzilla im Freistilringen der Ultraschwergewichtsklasse ins Körbchen zurückgejagt werden könnten, kommen durch ein Wurmloch im Meeresboden auf die Erde. Und sie sind unverwundbar gegen konventionelle Waffen. Wie kann man das ernst nehmen? Kann und soll man auch gar nicht. Entsprechend aussichtslos scheint das Unterfangen, den Zuschauer emotional für das Katastrophenszenario zu gewinnen.

Regisseur Guillermo del Toro gibt sich zwar redlich Mühe, seinen Protagonisten Ecken und Kanten zu verleihen, scheitert aber in den ernsthaften Momenten am steten Augenzwinkern, etwa wenn er die beiden Wissenschaftler einführt: Ein Brüderpaar mit deutsch klingenden (Hermann Gottlieb … warum nicht gleich Fritz Gruber, Richard Wagner oder Hermine Gorering?) Namen, das sich unentwegt streitet, wer von beiden nun genialer sei. Gewiss: Toro bedient das übliche Klischee und fällt damit nicht sonderlich aus der Reihe, aber wäre es nicht eine angenehme Abwechslung gewesen, sich halbwegs normal verhaltende Wissenschaftler zu porträtieren, anstatt Einstein-Twins auf Speed? Interessanter ist da schon das Trauma, welches die junge Mako anfangs daran hindert, Pilotin zu werden. Falls Sie den Film noch nicht gesehen haben und sich womöglich über einen kleineren Spoiler ärgern sollten: Seien Sie nachsichtig! Dass das schüchterne Häschen in Wahrheit eine starke Kämpferin ist, sollte niemanden überraschen, der in den vergangenen 50 Jahren schon mal den einen oder anderen Farbfilm im Kintopp gesehen hat. Über Ron Perlman, der Guillermo del Toro wohl öfter als seine eigene Frau sieht, nachdem er in dessen beiden "Hellboy"-Filmen, "Cronos" sowie "Blade II" mitspielte, muss man keine großen Worte mehr verlieren. Vermutlich erhält Perlman lediglich ein paar vage Regieanweisungen, wie eine Szene enden soll, und zieht einfach sein eigenes Ding durch. Warum, zum Hellboy, erhält Perlman meist nur Nebenrollen, während der mit dem Charisma einer Klarsichtfolie ausgestattete Colin Farrell einen Film nach dem anderen vergurken darf?

Was sich liebt, das prügelt sich! Nicht wahr, Schatz? Schatz?

Aber wie bereits erwähnt: "Pacific Rim" muss man mit den Augen eines glühenden "Godzilla"-Fans sehen, wie Guillermo del Toro einer ist. Der Unterschied: Das Budget seines Blockbusters betrugt ungefähr das zweimillionenfache eines handelsüblichen "Godzilla vs. XYZ"-Streifens und die Monster weisen keine sichtbaren Reißverschlüsse mehr auf. Budget und Format mögen sich geändert haben, die Klopperei hingegen ist immer noch Handarbeit: Monster und Roboter prügeln aufeinander an, bewerfen einander mit allem, was gerade herumliegt (und das ist in Folge der Zerstörung eine ganze Menge), und mehr als nur einmal wird ein Kontrahent wie bei einem Wrestlingmatch hochgehoben und weggeschleudert. Höhepunkt des Treibens ist eine Kampfszene, bei der ein Jaeger ein Schlachtschiff als Prügel verwendet. Ja, Sie haben richtig gelesen, und nein, das ist kein Spoiler! Die Szene ist sogar im Trailer zu sehen:

Ein Spoiler wäre vielmehr zu verraten, aus welchem Grunde die Kaijū dem Planeten einen Überraschungsbesuch abstatten. Und dies bringt uns zu einem weiteren Schwachpunkt von "Pacific Rim": Das alles hat man schon mal gesehen. Nun könnte man einwenden, dass dies doch für so gut wie alle Filme gelte. Allerdings lässt del Toro in einigen Passagen Originalität und subversiven Witz aufblitzen, etwa wenn in Hong Kong der von Ron Perlman verkörperte Hannibal Chau die erlegten Monster als Frischfleisch verkauft und sogar aus den Knochen noch Gewinn schlägt: Er lässt sie pulverisieren und als Aphrodisiaka verkaufen. Diametral hierzu ist der enttäuschend unspektakuläre Showdown geradezu 1:1 einem anderen Blockbuster entnommen. Abseits der Monster-Klopperei fühlt man sich doch allzu oft an "Transformers"-Filme erinnert, so man sich den nervigen Shia LaBeouf und die spätpubertären Michael-Bay-"Witze" (Roboter mit Eiern! Roboter, die einen fahren lassen! Megan Fox‘ Kopf landet aus unerfindlichen Gründen immer wieder zwischen männlichen Beinen! Eat your heart out, Fips Asmussen!) wegdenkt.

Die logischen Ungereimtheiten darf man ohnedies nicht weiter hinterfragen, deren größte wie ein Sack voller Pommes-Flaschen auf der Geschichte lastet: Warum wurde der Bau von Jaegern eingestellt und es wurden stattdessen sinnlose Wälle hochgezogen? Lassen Sie den Rezipienten an dieser Stelle eines gestehen: Bis zum Schluss wartete er auf eine Erklärung hierfür. Vergeblich. Eine Verschwörung der jüdischen Bauindustrie? Ein Jobprogramm? Hatte irgendein linksgrüner Klugscheißer herausgefunden, dass schon die nationalen Sozialisten (nicht mit den internationalen Sozialisten zu verwechseln!) das Wort Jäger benutzten, weshalb jede Verbindung damit sofort ad acta gelegt werden musste, um nicht als Nazi zu gelten? Man weiß es nicht. Guillermo del Toro, so steht zu vermuten, auch nicht. Selbst als der Wall um Sydney (für ostdeutsche Leser: Australien/Erde) von einem der Monster schneller geknackt wird als die österreichische Fußballnationalmannschaft ein Tor bekommt, wird darauf nicht mit dem panischen Bau weiterer Jaeger reagiert.

Überhaupt bleibt die Welt in "Pacific Rim" seltsam steril. Millionenstädte wie Hong Kong sind bei Monsterangriffen praktisch menschenleer, obwohl es so gut wie keine Vorwarnzeit gibt. Dadurch wird dem Streifen die Möglichkeit entzogen, düster und wahrhaft apokalyptisch zu erscheinen. Da aber nicht tausende Menschen von den Monstern zertrampelt werden, in ihren Autos verbrennen oder von den einstürzenden Gebäuden zermanscht werden, spielen sich die Kämpfe auf der Ebene der "Godzilla"-Filme ab, in denen sich Monster vor den staunenden Augen der Zuschauer gegenseitig auf die Umme kloppen, bis eines umfällt und mit einem schlimmen aua-aua nach Hause läuft. Wollte man damit die PG-13-Freigabe in den USA erreichen?Falls dem so sein sollte, liegt darin eine ganz besondere Ironie: Bislang nahm del Toro von der Verfilmung von  H. P. Lovecrafts berühmter Novelle "Berge des Wahnsinns" Abstand, da das finanzierende Filmstudio auf eine PG-13-Freigabe pochte, was bei Señor del Toro offenbar die Sombreroschnur platzen ließ. Das Ergebnis: "Pacific Rim" statt "Berge des Wahnsinns"!

Transformers 5: Megan-Fox-Roboter vs. Bayern

Freilich hätte es schlimmer kommen können in Gestalt eines "Transformers"-Nachzüglers. Welche Riesenhoden hätte ein Michael Bay wohl den Monstern verpasst? Und wäre es vorstellbar gewesen, Shia LaBeouf dergestalt zu casten, dass man als Zuschauer den Menschen und nicht deren Gegnern die Daumen hält? Nun möchte der Artikelautor Mr. Bay keine Flausen in den Kopf setzen. Aber der einzige vernünftige Weg, "Transformers" fortzusetzen, wäre es, die Roboter nach Megan Fox zu designen. In der "Special Edition" könnten selbst die letzten Hüllen fallen – eine Milliarde Einspielergebnis in den Kinos, zwei Milliarden auf DVD und blu-ray garantiert! Und, wertes Publikum, ich lege in meiner Prognose noch eine Milliarde drauf, falls beim Kampf der Megan-Fox-Roboter gegen aus Edmund Stoibers Nasenhaaren geklonten Monster, die Bayū, Shia LaBeouf zermanscht wird, idealerweise zwischen den Titanen-Brüsten der Roboter. James Cameron könnte sich seine "Avatar"-Sequels aufzeichnen: Keine Chance, Bayby!

Was man del Toro nebst dem unterhaltsamen, wenngleich mit gesundem Menschenverstand inkompatiblen Plot noch zugutehalten muss, sind die Kameraführung und Choreographie der Kämpfe. Hierbei ist stets klar ersichtlich, wer mit wem auf welche Weise ringt, welche Gliedmaßen zu welchem Monster gehören (sollten Sie, werte Damen, einen leichten Druck auf Ihren Oberschenkeln spüren, so sitzt der Inhaber desselben zu Ihrer Rechten und verdient sich eine Backpfeife), und warum gerade dies oder jenes in die Luft fliegt. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man annehmen. Doch dann hat "man" wohl keinen "Transformers"-Film gesehen, welcher jederzeit offenlässt, wie viele Roboter sich gerade balgen, ob sie überhaupt balgen oder sich nicht vielmehr autoboterotischen Phantasien hingeben, ganz zu schweigen von Nahaufnahmen Shia LaBeoufs, dessen mimischer Ausdruckstanz nur zwei Schritte kennt: "Ich bin gerade total verwirrt!" und "Hallo? Gehirn? Bist du eingeschaltet?"

Moral: Wurststullen aufessen!

Fazit: Das bundesrepublikanische Sozialdrama "Der Tag, an dem ich Mamas Wurststulle nicht aufaß und mir deshalb Guido Knopps Nazi-Pornos nicht angucken durfte" rührt zu politisch-korrekten Krokodilstränen und sollte ein Pflichtfilm für alle sein, die völlig verblüfft feststellten, dass Gaius Angelus Merkelus nicht seit zweitausend Jahren die Volksrepublik Germanica regiert.  Manch einer, der nicht zum Lachen in den Keller und zum Weinen bauchwärts auf diverse Gedenktage kriecht, mag sich einfach nur unterhalten lassen von einem Film wie "Pacific Rim", und das schafft Guillermo del Toros Science-Fiction-Blockbuster trotz einiger Schwächen mühelos. Eine etwaige Fortsetzung steht in den Sternen bzw. in den Bilanzen der – Achtung, Sie verlassen das Gelände der einzig wahren Bildungskultur! – Unterhaltungsindustrie.

PS: Der Rezensent hätte trotzdem lieber "Berge des Wahnsinns" verfilmt gesehen.

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