Die eigenen Motive: Warum will ich ein Pflegekind aufnehmen?

Die Aufnahme eines Pflegekindes sollte gründlich durchdacht werden. Auch eigene Motive bedürfen einer selbstkritischen Analyse.

  • Fühlen Sie sich gedrängt, eine soziale Wohltat zu vollbringen? Das ist ein ehrenwertes Motiv. Jedoch sollten Sie nicht allzu idealistisch denken, um sich Enttäuschungen zu ersparen. Die Erziehung von Kindern ist immer ein Abenteuer, das nie vollständig nach Plan verläuft. Für Pflegekinder gilt dies ganz besonders.
  • Sie suchen ein lukratives Nebeneinkommen oder möchten sogar vollzeitlich (quasi als Haupterwerb) für die Kinder da sein? Tatsächlich sorgt der Gesetzgeber dafür, dass den Pflegeeltern für ihre Arbeit nicht noch finanzielle Nachteile entstehen. Das war es dann aber auch schon. Ausschließlich aufgrund finanzieller Interessen sollte niemand eine so verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen. Andererseits haben Sie natürlich ein Recht auf Vergütung, denn Ihr berufliches Fortkommen wird unterbrochen, gehemmt oder entfällt sogar. Auch bestimmte Vorsorgeleistungen aus dem Berufsleben fallen somit weg, Sie brauchen also kein schlechtes Gewissen zu haben. Das Pflegegeld steht Ihnen zu und ist ein Rechtsanspruch. Sie versorgen schließlich ein Kind, für das Sie nicht unterhaltspflichtig sind. Theoretisch kann das Jugendamt diese Gelder in Form von Unterhaltstiteln von den leiblichen Eltern zurückfordern. Ob jene zur Zahlung in der Lage sind, ist natürlich eine andere Frage...
  • Nachvollziehbar ist auch das Motiv "Kinderwunsch" oder gar der Ersatz für verlorene Kinder. Die Gefahr liegt hierbei in der emotionalen Erwartungshaltung, die das Pflegekind vielleicht nicht erfüllen kann oder will.
  • Bedenklich ist es hingegen, wenn Pflegekinder aus missionarischem Eifer heraus aufgenommen werden. Dies betrifft nicht nur religiöse Familien, sondern im Prinzip jede strikt ausgelegte Weltanschauung. Ob Öko-Freak, Wirtschaftsliberaler, politisch Engagierter oder Frauenrechtlerin: Erwarten Sie nie, dass Pflegekinder Kopien Ihrer selbst werden oder auch nur bestimmte Weltanschauungen zwingend übernehmen.

Vor allem aber sollten Sie daran denken, dass die Aufnahme eines Pflegekindes das eigene Leben völlig umstellt. Die Frage "Was ist danach, wenn die Kinder erwachsen sind?" will ebenfalls bedacht sein, auch, wenn dieser Zeitpunkt noch weit entfernt scheint.

Die Pflegekinder: Kinder mit zwei Familien

Im komplizierten Geflecht aus Herkunftsfamilie, Pflegeeltern, Jugendamt und Gerichten bilden ausgerechnet die Beteiligten den Mittelpunkt, die am wenigsten Einfluss haben: die Pflegekinder. Dennoch sind viele von ihnen wahre Überlebenskünstler und wissen (oft unbewusst), sich durchzusetzen. Sie haben eine eigene Persönlichkeit, die nur bedingt formbar ist und von Erbanlagen beeinflusst wird.
Ein Pflegekind wird daher kaum das Ideal verkörpern, das man sich vorstellt. Bitte bedenken Sie dies. Ihre vorderste Aufgabe ist die Betreuung, Erziehung und Versorgung der Kinder. Bitte erwarten Sie keine Dankbarkeit. Erhalten Sie diese trotzdem – umso besser. Halten Sie Ihr Pflegekind auch nicht dazu an, Sie mit Mama oder Papa anzusprechen. Seien Sie kreativ und finden Sie andere Lösungen. Wenn Ihr Pflegekind Sie als Vater oder Mutter benennen möchte, wird es das von allein tun.
Vermitteln Sie Ihrem Pflegekind jedoch andererseits nie das Gefühl, nicht richtig zur Familie zu gehören. Ein stabiler, familiärer Hintergrund ist hier sehr hilfreich. Bereiten Sie Ihre Verwandtschaft daher darauf vor, wenn Sie die Aufnahme eines Kindes planen.

Letztendlich sollten Sie sich noch Gedanken darüber machen, zu welcher Art von Hilfe Sie bereit sind. Möchten Sie ein Kind nur für eine befristete Zeit betreuen, dann kalkulieren Sie bitte auch den Schmerz ein, der entsteht, wenn Sie dieses Kind wieder loslassen müssen.
Der Idealfall ist natürlich eine dauerhafte Pflege bis zur Volljährigkeit. Hier können optimale Familienstrukturen wachsen. Zeitlich flexibel müssen Sie hingegen sein, wenn Sie für eine Bereitschaftspflege zur Verfügung stehen. Bereitschaftspflegeeltern sind die erste Anlaufstelle, wenn das Amt ein Kind in Obhut nimmt. Das kann auch einmal mitten in der Nacht sein. Als Bereitschaftspflegeeltern werden Sie zudem sehr viel Elend sehen, denn die Kinder kommen oft in dem Zustand zu Ihnen, in dem sie aus ihrer Herkunftsfamilie herausgeholt wurden.

Juristische Aspekte

Offiziell sind Sie nur Dienstleister für das Jugendamt. Über das Kind bestimmt eigentlich das Amt. Theoretisch kann das Kind also jederzeit aus der Familie genommen werden. Für Pflegeeltern bedeutet dies einen Spagat zwischen dem juristischen Status und dem täglichen Leben als erziehende Eltern.
Aber auch Pflegeeltern haben immer das Recht, die Pflegschaft zu beenden, beispielsweise, wenn sie zu sehr belastet werden, die eigene Partnerschaft leidet oder wenn man mit dem Kind einfach nicht zurecht kommt.
Eine Ausnahme bildet hier die Adoption: Ein adoptiertes Kind gilt als eigenes Kind, mit allen Vor- und Nachteilen. Die Macht des Amtes, aber auch seine Verpflichtungen, sind deutlich beschränkt. Andererseits muss man für das adoptierte Kind jedoch auch sorgen und notfalls sogar Unterhalt zahlen, wenn man einmal irgendwann mit ihm nicht zurechtkommen sollte.
Eine weitere Variante ist die Vormundschaft durch die Pflegeeltern: In der Regel geschieht dies erst nach längerem Aufenthalt des Kindes in der Pflegefamilie und nach einigen Gutachten bzw. einem Gerichtsverfahren. Viele Dinge können danach einfacher entschieden und gehandhabt werden. Neben dem Jugendamt ist man aber auch dem Vormundschaftsgericht oder einer ähnlichen Behörde rechenschaftspflichtig.

Das Jugendamt: Freund, Feind, Aufpasser?

Das Jugendamt als solches gibt es eigentlich gar nicht. Die Behörde ist keine homogene Einheit, sondern besteht aus zahlreichen Abteilungen und Sachgebieten. Jene verfolgen bisweilen unterschiedliche Interessen. Regional bedingt können die hier genannten Behördenstellen auch abweichende Bezeichnungen tragen:

  • Die Abteilung, mit der Pflegeeltern vermutlich am häufigsten zu tun haben, ist der Pflegekinderdienst. Die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit der Aufgabe betraut, Auswahl, Anwerbung und Betreuung der Pflegeeltern vorzunehmen. Gerade auf letzteres haben Pflegeeltern übrigens einen rechtlichen Anspruch (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). In der Regel ist der Pflegekinderdienst der natürliche Verbündete der Pflegeeltern. Beide Parteien sind schließlich vorrangig am Wohlergehen der Kinder interessiert. Durch Beratung in pädagogischer und teilweise rechtlicher Hinsicht unterstützt der Pflegekinderdienst (PKD) die Pflegeeltern. Dennoch sollten jene nie vergessen, dass der PKD vor allem auf das Pflegekind fokussiert. Dessen Wohlergehen steht im Vordergrund. Pflegeeltern sollten daher keine allzu sorglose Haltung dem PKD gegenüber an den Tag legen.
  • Der Amtsvormund ist für alle Teilbereiche des Sorgerechts zuständig, die nicht den Pflegeeltern übertragen wurden und auch nicht mehr bei der Herkunftsfamilie liegen. Das kann beispielsweise die Unterzeichnung von Schulzeugnissen betreffen, aber auch eine Kontoeröffnung oder die Zustimmung zu medizinischen Eingriffen. Der Amtsvormund sorgt also dafür, dass die Rechte des Kindes gewahrt bleiben.
  • Die Wirtschaftliche Jugendhilfe kümmert sich um die Auszahlung der finanziellen Unterstützung an die Pflegeeltern und erlässt entsprechende Bescheide. Dies betrifft einerseits die so genannten Pflegegelder, welche sich wiederum in Versorgungsleistungen für das Kind und den tatsächlichen Pflegesatz unterteilen. Je nach Bundesland können weitere Leistungen hinzukommen wie Weihnachtsgeld, Geburtstagsgeld, Ersatz von Vorsorgeaufwendungen, Kita-Gebühren usw. Wer jetzt Dollarzeichen in den Augen hat, sei gewarnt. Die wirtschaftliche Jugendhilfe kann je nach Rechtslage sowohl das Kindergeld, als auch andere staatliche Leistungen für das Kind (z. B. eine Ausbildungsvergütung der Arbeitsagentur) mit den Pflegegeldern verrechnen. Im Normalfall ist die Aufnahme eines Pflegekindes also nicht geeignet (und auch nicht dafür gedacht), um Reichtümer anzuhäufen.
  • Eine weitere, involvierte Behördenstelle kann der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) sein. Nicht immer, aber häufig, gehört jener dem Jugendamt an. Im Prinzip ist der ASD für Menschen zuständig, die mit ihrem Leben nicht zurecht kommen und deshalb behördliche Hilfe suchen. Daraus ergibt sich die Konstellation, dass der ASD eine regelrecht feindliche Position gegenüber den Pflegeeltern einnehmen kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zum Klientel des ASD die leiblichen Eltern des Pflegekindes gehören. Der ASD bemüht sich nun, diese Menschen wieder für das Leben fit zu machen. Oftmals ist die Zielstellung dabei, einen idealisierten Zustand wiederherzustellen, wie er angeblich vor Beginn der Hilfe bestanden hat. Dazu gehört natürlich auch, dass die Eltern wieder in der Lage sind, ihre Kinder zu erziehen. Der ASD kann daher theoretisch darauf hinarbeiten, den Pflegeeltern die in Obhut genommenen Kinder wegzunehmen.
  • Bei Kontakten zwischen Pflegeeltern und Behörden sitzt oft auch ein unsichtbarer Gesprächspartner mit am Tisch. Er wird nie erwähnt, und die Behördenmitarbeiter werden seine Existenz vermutlich abstreiten. Dieser Beteiligte hat aber im Zweifelsfall den größten Einfluss. Sein Name: Kostendruck. Wenn der Haushaltsplan der zuständigen Behörde in Gefahr ist, werden Ihnen die besten logischen, sachlichen und pädagogischen Argumente nicht helfen. Es wird immer Mittel und Wege geben, Ihnen das Pflegekind wieder zu entziehen. Wie legal und moralisch diese Vorgehensweisen sind, sei einmal dahingestellt. Auch Behördenmitarbeiter sind Menschen, die Fehler machen und subjektiv handeln können.

Die Herkunftsfamilie: Die unterschätzte Gefahr

Pflegeeltern können sich glücklich schätzen, wenn die Herkunftsfamilie ihrer Schützlinge unbekannten Aufenthalts ist, kein Interesse am Kind zeigt und das Sorgerecht komplett verloren hat. Nur in diesem Fall bleiben Ihnen wahrscheinlich Konfrontationen in dieser Richtung erspart.

Es ist eine menschliche Eigenschaft, dass man die Gründe für Fehlentwicklungen selten zuerst bei sich sucht. Die leiblichen Eltern ihres Pflegekindes werden Sie daher als Täter ansehen, die Ihnen das Kind "geraubt" haben... Das allein könnte Ihnen zunächst einmal egal sein. Wirklich schlimm wird es jedoch, wenn solche Eltern Kontakte zu den von ihnen vernachlässigten Kindern einfordern und oftmals auch gewährt bekommen. Im Prinzip ist es so, dass diese Menschen zwar kein geregeltes Familienleben und oft auch kein Arbeitsverhältnis zustande bringen, dafür aber andere Dinge:

Mit geradezu diabolischer Hinterhältigkeit werden gerichtliche Klagen auf Kosten des Staates in die Wege geleitet, die Kinder vor Schule oder Kindergarten abgepasst, telefonisch oder in sozialen Netzwerken mit "rosaroten Luftschlössern" konfrontiert oder postalisch mit Geschenken überhäuft.

Zur Seite steht solchen leiblichen Eltern manchmal auch eine ausgedehnte "Helfer(innen)industrie", deren Fortbestehen von immer neuen Hilfesuchenden abhängt. Diese Helfer(innen) kennen alle juristischen Kniffe und Tricks und wissen auch ganz genau, welche Sozialleistungen ihren Klienten zustehen. Auf diese Weise bleiben Eltern, die ihren Kindern schlimme Dinge angetan haben, vor Gefängnis, Sozialstunden oder einer geregelten Arbeit verschont. Die Helfer(innen) sorgen stattdessen für so nette Dinge wie kostenlosen Zahnersatz, endlose Therapien, sinnfreie Eingliederungsmaßnahmen und eben auch für die Chance, die einst misshandelten oder vernachlässigten Kinder wieder zurück zu erhalten.

Ihnen als künftige Pflegeeltern will der Autor dieses Textes mit solchen Szenarien keine Angst machen. Sie sollten aber wissen, wogegen Sie sich emotional wappnen müssen. Viele Pflegeeltern haben diese Belastungen bereits auf sich genommen, um den ihnen anvertrauten Kindern Sicherheit, Bildung und gute Zukunftsaussichten zu gewährleisten. Allen diesen Menschen sei an dieser Stelle daher ein großes Dankeschön gewidmet!


Bitte beachten Sie, dass oben stehender Text eine rein journalistische Arbeit ist und keine juristische oder anderweitig verbindliche Beratung darstellt.

 

Donky, am 17.05.2015
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Bild: clker.com (Wer gute Beziehungen möchte, sollte "Giraffensprache" sprechen: Gew...)

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