Poesie und Ausschweifung - Der dänische Dichter Johannes Ewald
Der dänische Dichter Johannes Ewald (1743-1781) begründete die moderne dänische Dichtung und führte ein ausschweifendes Leben.Moderne dänische Dichtung
Mit Johannes Ewald (1743-1781) beginnt die moderne, dänische Dichtung, die das Ich, das Gefühl und den Gedanken der Freiheit in den Mittelpunkt stellt. Die statische, adelige, kirchliche Weltordnung wurde abgelöst. In seinem Leben nahm er sich darüberhinaus Freiheiten, die von seinen Mitbürgern als skandalös empfunden wurden. Er war in den bürgerlichen Kreisen lange Zeit verschrien als heruntergekommener, nichtsnutziger Dichter, der in den Kneipen mit Säufern und Prostituierten verkehrte. Doch dadurch, dass er krank war und meistens an Geldmangel litt, hatte seine nächste Umgebung, dabei vor allem seine Mutter, die Möglichkeit, ihm Zügel anzulegen, die ihm viel Ärger und manch düstere Zeit bescherten. Doch trotz dieses teilweise exzessiven Lebens ist seine Poesie von höchster Formgebundenheit und Klarheit.
Johannes Ewalds samtlige skrifter (Bild: http://commons.wikimedia.or...)
Kindheit und Jugend
Geboren wurde Johannes Ewald am 18. November 1743 in Kopenhagen. Sein Vater war Enevold Ewald, ein bekannter Pastor, Verfasser von religiösen Gedichten und vor allem der Leiter des ersten dänischen Waisenhauses. Auch seine Großmutter und Mutter waren der pietistischen Bewegung eng verbunden. Später sollte er zwar in einigen Texten böse Worte finden über diese Bewegung und ihre mitunter sehr ekstatischen Anhänger, doch hat sie sicher in ihrer Betonung des Gefühls ihre Spuren hinterlassen.
Seine Mutter Marie war fast zwanzig Jahre jünger als ihr Ehemann. Sie sollte Johannes Ewald immer wieder wie ein böser Geist das Leben schwermachen. Berichte von glaubwürdigen Menschen legen im Übrigen den Verdacht nahe, dass Johannes Ewalds gesetzlicher Vater nicht sein leiblicher Vater ist. Es gibt auch einige Berichte über den zweifelhaften Lebenswandel der Mutter. Dass Johannes Ewald diese Gerüchte kannte, lassen Stellen in dem Roman "Herr Panthakaks Geschichte" vermuten.
Am 17.11.1754 starb Enevold Ewald, und noch am selben Tag mußte Johannes Ewald die Reise nach Schleswig antreten, wo er die örtliche Domschule besuchen sollte. Quartier nahm er bei deren Rektor Licht, der mit seiner Begeisterung für die alten Sprachen und seiner Büchersammlung Eingang fand in die Autobiographie "Leben und Ansichten".
1758 kehrte er zurück nach Kopenhagen und nahm seine theologischen Studien auf, da für ihn der Beruf des Pfarrers ausgewählt worden war. 1759 heiratete seine Mutter erneut. Ihr Mann Peter Huulegaard war gerade Witwer geworden, doch durch eine Sondererlaubnis durfte noch im Trauerjahr drei Monate später die Ehe geschlossen werden.
A View of Copenhagen Towards the Stock Exchange from Gammel Strand (Bild: Martinus Rorbye)
Copenhagen, Denmark, c.1837 (Bild: 5178448)
Kopenhagen (Bild: Heinrich Hansen)
Verliebt auf der Flucht
Kurz zuvor hatte Johannes Ewald Arendse Huulegaard, eine Nichte seines Stiefvaters, kennengelernt. Hals über Kopf verliebte er sich in sie und schmiedete sogleich im Stillen Heiratspläne, die kompliziert wurden, als ihm sein junges Alter und seine Mittellosig- und Stellungslosigkeit klar wurden. Daher kam er auf die Idee, schnell Karriere zu machen. Und nirgendwo anders erschien ihm dies so gut möglich wie bei einer Armee in einem Krieg. Also überredete er seinen Bruder Mathias, mit ihm nach Süden zu ziehen, um auf der preußischen Seite im Siebenjährigen Krieg gegen die Österreicher zu kämpfen.
Leben und Ansichten |
Die Autobiographie „Leben und Ansichten“
Davon sollte später seine Autobiographie "Leben und Meinungen" handeln, die den Leser die Elbe hinabführt von Hamburg bis nach Magdeburg, wo sie kurz vor einem entscheidenden Gespräch mit einem Major endet. Doch diese spärliche Handlung ist nur der Rahmen für autobiographische Rückblicke, die der Anlass sind für Abschweifungen, vor allem über seinen Hang zum Abenteuerlichen, zum Wein und zur Liebe. Vorbild hierbei ist nicht die klassische Autobiographie wie die eines Augustinus, der ironisch erwähnt wird, sondern die moderne Literatur des 18.Jahrhunderts, vor allem Rousseau und die beiden Hauptwerke Laurence Sternes: "Leben und Ansichten des Tristram Shandy" und "Eine sentimentale Reise". Es ist ein Text, der die beiden Seiten des Autors enthält, sowohl die scharfe Gesellschafts- und Menschenkritik als auch den hochgestimmten, poetischen Träumer, der weit hinaufkommen und dichterischer Vermittler zwischen Gott und den Menschen sein will. Vielleicht erklärt dies auch das Fragmentarische des Textes, denn die darauf folgende Zeit verlief nicht so, wie er es sich gedacht hatte.
Nach einiger Zeit desertierte er von den Preußen, kämpfte auf der Seite der Österreicher und endete dann todkrank in Prag, von wo aus er dann im Oktober 1760 wieder in Kopenhagen ankam und seine theologischen Studien bis zum Abschluss mit sehr guten Noten weiterbetrieb. Die erhoffte Zukunft mit Arendse war zu dem Zeitpunkt schon unmöglich geworden und nicht erst 1764, als diese heiratete.
Scheinbar gute Aussichten
Ende der 60er sah seine Zukunft dann wieder scheinbar glänzend aus. Er lernte Klopstock und den Kulturförderer Grafen Bernstorff kennen. Es wurde sogar über eine Reise nach Schottland gesprochen. Doch es geschahen zwei Dinge, die sein Leben in ganz andere Bahnen lenkten sollten. Durch den Staatsstreich Struensees wurde Graf Bernstorff entmachtet und zog sich auf seine Güter in Holstein zurück. Auch Klopstock reiste aus Dänemark ab. Außerdem machten sich bei Johannes Ewald erste Gichtsymptome bemerkbar, wegen derer er 1770 ins Krankenhaus musste. Doch er war immer noch nicht zu krank, um zum Trinken nicht zwischendurch aus dem Krankenhaus zu verschwinden, wobei die symptomlindernde Wirkung des Alkohols nicht vergessen werden darf. Nach seiner Entlassung zog er denn auch in einer der verrufensten Straßen Kopenhagens, wo ihn 1771 sein Freund Torkild Baden auffand und zur Rekreation mit auf sein Gut Ryggaard nach Gentofte nahm.
Nach diesem Aufenthalt auf dem Land ging er wieder nach Kopenhagen, wo er in die Straße mit den Branntweinbrennereien zog. Der Vater eines Freundes besaß eine solche und dort wohnte Johannes Ewald dann direkt an der Quelle und führte ein dementsprechendes Leben, in dem das Geld locker saß.
Johan Hartwig Ernst Graf von Bernstorff (Bild: http://upload.wikimedia.org...)
Friedrich Gottlieb Klopstock (Bild: http://upload.wikimedia.org)
Rungsted
Also sorgte seine Mutter gemeinsam mit ihrem Gemeindepastor Schønheyder dafür, dass er aus der Stadt herauskam und im Frühjahr 1773 nach Rungsted gebracht wurde, einem kleinen Fischerdorf am Strandweg zwischen Helsingør und Kopenhagen. Die Gastwirtschaft Rungsted Kro, in der er ein Zimmer bewohnt, ist heute bekannt als Rungstedlund, dem Sitz des Karen-Blixen-Museums, in dem "Ewalds Zimmer" und im Garten "Ewalds Hügel" zu besichtigen sind.
Auch wenn er nicht aus eigener Initiative umgesiedelt war, so war es für ihn ein Glücksfall, und hier erlebte er die vielleicht schönste Zeit seines Lebens. Hier entstanden auch eines der schönsten Gedichte der dänischen Literatur "Rungsteds Glückseligkeiten" und das Trauerspiel "Balders Tod". Hier war er glücklich und dachte sogar ernsthaft über ein bürgerliches Leben nach, wollte von seiner Feder leben und wünschte sich zur Unterstützung vom Staat eine Titularprofessur. Außerdem hegte er ernste Heiratsabsichten.
In diese Zeit fällt auch der Beginn der Entstehung von "Leben und Meinungen", die zunächst gar nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren. Ein kurzes Vorwort zielt ab auf Pastor Schønheyder, dessen Frau und den Konferenzrat Carstens, einen Ratgeber Johannes Ewalds. Es sollte eine Verteidigungsschrift sein, um seinen Anspruch auf ein eigenständiges Leben zu unterstreichen.
"Ewalds Hügel" (Garten Rungstedlund) (Bild: Eigenes Bild)
"Ewalds Hügel" (Bild: Eigenes Bild)
Bevormundet von einem Pastor
In all diesen Fragen war er kein freier Mann. Besonders bestimmend war hierbei Pastor Schønheyder, der ihn als verunglückten, vom Weg abgekommenen Theologen betrachtete und nichts übrig hatte für Johannes Ewalds dichterische Tätigkeit, ja er betrachtete die freie Phantasie, die sich von den kirchlich-religiösen Werten entfernte, als etwas Schädliches. Von diesem Mann, der nur ein Jahr älter war, musste Johannes Ewald sich maßregeln lassen, ja sich sogar drohen lassen, daß er bei unpassendem Benehmen damit rechnen müßte, auch juristisch entmündigt zu werden.
Also wurde er wieder einmal umgesiedelt und kam von seinem Paradies Rungsted im Herbst 1775 auf einen landeinwärts gelegenen Hof, Søbækshus, einem Ort, der eine eher düstere Zeit für ihn bedeutete. Wie schon vorher konnte er nicht frei über sein Geld verfügen und zwecks Kontrolle wurde seine Post geöffnet.
Auch fuhr Pastor Schønheyder fort, Johannes Ewald theologische Ermahnungen zu senden und tatsächlich kam es 1777 zu einer Bekehrung, die man in einigen seiner Gedichte verfolgen kann, die man aber im schöpferisch-biographischen Zusammenhang sehen muss, denn er hatte es schon aus rein persönlichen, geistigen Gründen nötig, sich zu erneuern, da er schriftstellerisch ausgebrannt war. Diese Bekehrung, diese Öffnung der oft nach außen verschlossenen poetischen Innerlichkeit zu Gott ebnete eben auch den Weg zu einer zweiten Öffnung hin zum dänischen Volk, zu dem patriotischen Volksstück "Die Fischer. Ein Singspiel in drey Aufzügen" (Gratisansicht bei Google Books), aus dem die dänische Könishymne "König Christian stand am hohen Mast" stammt.
Illustration zu Ewalds "Die Fischer" (Bild: http://upload.wikimedia.org...)
Illustration zu "Die Fischer" (Bild: http://upload.wikimedia.org...)
Gichtgeplagt
1777 kehrte er auch nach Kopenhagen in eine angenehmere Umgebung zurück und wohnte bei einer Tischlerwitwe, bei der er die nötige Pflege bekam, denn seine Gichterkrankung war schon seit langem so weit fortgeschritten, daß er Treppen hinauf- und hinuntergetragen werden musste.
Friederike Münter, eine Schwester seines Freundes Friedrich, berichtet folgendes: "Eine mitleiderregende Gestalt erhob von ihrem Schmerzenslager den Blick zu mir. Die Knie waren zur Brust hinaufgezogen, der Rücken zitternd vornübergebeugt, Hände und Füße steif und voller Gichtknoten. Nur das herrlich geformte Gesicht und die großen, blauen Augen strahlten mir mit überirdischem Glanz liebevoll entgegen."
Eigenhändig stellte er seine "Sämtlichen Schriften" zusammen und verzichtete hier auf "Leben und Ansichten", die erst 1855 vollständig erschienen.
Tod
Er starb am 7.März 1781, worüber ein Zeugnis Friedrich Münters überliefert ist: "Er klagte sehr dem Arzt Aaskow gegenüber, dass er keine Luft bekommen könnte, und als Aaskow ihm sagte, dass der Tod nah sei, fragte er, wie viele Stunden er noch hätte. Aaskow sagte, dass er hoffte nur wenige. Gott sei Dank, Gott sei Dank, ich darf fort, sagte Ewald. Um Viertel vor 3 zur Mittagszeit bekam er einige wenige Zuckungen; dann schlief er still dahin und atmete aus. Den Todesaugenblick selbst konnte ich nicht bemerken. (...) Seine Augen bewahrten ihren Glanz eine ganze Stunde nach dem Tod."
Johannes Ewald bekam ein stattliches Ehrenbegräbnis. Denn inzwischen hatte sich der Erfolg eingestellt. Die Welt um ihn herum hatte sich geändert, war aufgeschlossener geworden für seine gefühlsbetonte Lyrik. Junge Leute begeisterten sich für seine Dichtung, und er wurde zu ihrem Vorbild. Johannes Ewald starb im Bewusstsein seiner dichterischen Unsterblichkeit.
Johannes ewald
Trinitatis-Kirche Kopenhagen: Denkmal (Bild: http://upload.wikimedia.org...)