"Qivitoq" – Ein Grönland-Spielfilm von Erik Balling
1956 drehte der spätere Olsenbanden-Regisseur Erik Balling unter schwierigen Bedingungen einen Spielfilm in Grönland.Liebe und Modernisierung
"Qivitoq" erzählt die Geschichte einer Dänin (Astrid Villaume), die mit dem Schiff nach Grönland kommt, um ihren Verlobten, einen Arzt, zu besuchen. Das hätte sie besser nicht getan, aber den Brief, der sie davon abhalten sollte, hat sie nicht erhalten. In der kleinen Stadt wissen schon alle Bescheid, und das erträgt sie nicht. Also fährt sie weiter zu einem kleinen Handelsaußenposten, um dort auf das nächste Schiff zu warten. Dort stößt sie auf den Verwalter (Poul Reichhardt) dieses kleinen Jägerdorfes. Der ist gar nicht erfreut über den weiblichen Gast, der ihn aus seiner vertrauten Routine und Ruhe bringen könnte.
Neben der sich natürlich anbahnenden Liebesgeschichte zwischen der jungen Frau und dem Verwalter, gibt es eine zweite, nicht minder wichtige Story, in denen es um Grönländer geht. Da ist Pavia, ein Robbenjäger, der Fischer werden soll, denn der Verwalter ist nicht sicher, wie lange es in der Gegend noch Robben geben wird. Außerdem bringt Fischen mehr ein, so dass man sich neue Häuser leisten kann. Hier geht es also auch um die Thematisierung von sozialem Wandel und Modernisierung, um den Bewohnern langfristig ein besseres Leben zu gewährleisten. Als Pavia sein neues Motorboot hat, begeht er den Fehler, auf eigene Faust und ohne die Hilfe des Verwalters zu fischen, der sich auskennt. Als er mit leeren Netzen nach Hause kommt, lachen die anderen Bewohner ihn aus.
Und dadurch wird er zum Qivitoq, dem Bergwandler, wie er im Film erläutert wird: Ein Grönländer, der aus Scham keinen Menschen mehr sehen will, geht weit hinein ins Eis, wo niemand ist, wissend, dass er spätestens dann stirbt, wenn der Winter kommt. Und diese Qivitoqs gehen nach den Erzählungen der alten Frauen als Geister umher. Die Ursache für die Flucht Pavias in die Einsamkeit wirkt natürlich ein wenig banal, aber schon vorher wurde er als sehr verbissener und stolzer Mann dargestellt. Es ist also nicht so, als wollte der Film sagen, dass jeder Grönländer wegen der kleinsten Sache gleich "Qivitoq" geht. Nur eben dieser eine.
Qivitoq, Fjeldgængeren [Dänemark Import] |
Fjord Groenland (Bild: Georges Bosio)
Groenland (Bild: Rita Willaert / Flickr)
Alltagsleben statt Romantisierung
Einmal wird über die seltsame Anziehungskraft der einsamen grönländischen Landschaft gesprochen, wenn der Verwalter von seinem Leben erzählt. Aber die Gründe dafür haben eher etwas Psychologisches, wenn er sagt, dass das Leben hier so einfach wäre, dass es um die grundlegenden Dinge wie Kälte und Hunger ginge, wobei man gut die sogenannten kleinen Probleme wie Liebessorgen vergessen könne.
Im Großen und Ganzen wird der Film bestimmt von Sachlichkeit und Natürlichkeit. Auch wenn dem Film eine "kolonialistische Perspektive" vorgeworfen wurde, werden die Grönländer nicht als sehr exotisch dargestellt. Der Film zeigt ihre Bräuche und Feste ganz selbstverständlich. Das naturnahe Leben wird nicht idealisiert. Einmal wird ein zu Boden gefallenes Kind von den Hunden angefallen, die im Sommer nicht gefüttert werden. Und die Natur wird in ihrer oft einschüchternden Größe und erhabenen Schönheit gezeigt und wunderschön gefilmt, aber sie wird nicht mythologisiert oder romantisiert, wie man es von deutschen Bergfilmen z.B. von Arnold Fanck gewohnt ist, der sich mit "S.O.S. Eisberg" ja auch einmal in eisige Gefilde gewagt hat. Beim sachlichen und bodenständigen Filmregisseur Erik Balling stehen die Menschen im Mittelpunkt, nicht die Umgebung.
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