Rabatte, Bonuspunkte und Co.: Wie Handelsketten uns an ihren Handel ketten
Der Kunde König hat noch nicht gemerkt, dass er zum Rabatt-Sklave geworden istNervige Fragen und mögliche Kundenreaktionen
Möchten Sie Treuepunkte? Nein, meine Treue ist nicht käuflich.
Haben Sie eine Kundenkarte? Nein. Darf ich hier trotzdem einkaufen?
Möchten Sie zur ADAC-Karte noch zusätzlich unsere Vorteilskarte beantragen und so in Zukunft doppelt sparen? Vielen Dank, das spare ich mir lieber!
Haben wir uns schon über die Vorteile der Riesterrente unterhalten? Nein, aber so unterhaltsam ist das nun wirklich nicht!
"Kundengespräche" dieser Art scheinen inzwischen ebenso selbstverständlich zu sein wie die obligatorische Erkundigung nach der Postleitzahl. Beides geht im Prinzip keinen Verkäufer der Welt etwas an. Wenn ein Verbraucher tatsächlich Kundenkarten sowie diverse Coupons, Wertmarken etc. besitzt, so wird er solche Geiz-ist-geil-Symbole ganz von allein nutzen, falls es ihm passt. Niemand muss sich danach ausfragen lassen. Denn dies bedeutet ein unfreiwilliges Outing für alle, die den Rabattwahn nicht mitmachen wollen.
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Kundenbindungssysteme: Warum wir so genannte Rabatte erhalten
Hinter all diesen Fragen und Aktionen verbergen sich oft so genannte Kundenbindungssysteme. Anbieter mit einer gewissen Marktpräsenz versuchen auf diese Weise, vom Kunde über den aktuellen Einkauf hinaus zu profitieren. Das Lockmittel heißt Sparvorteil. Dem Kunden wird suggeriert, er könne sparen, wenn er seine sowieso nötigen Einkäufe immer beim gleichen Anbieter tätigt. Für diese angebliche Ersparnis zahlt der Verbraucher dann möglicherweise gleich mehrfach:
- Er vergleicht nicht mehr mit den Konkurrenzangeboten und verzichtet so auf eventuelle Preisvorteile.
- Im Bestreben, viel zu sparen, kauft der Kunde gelegentlich auch Dinge oder Mengen, die er gar nicht braucht.
- Er zahlt zudem manchmal auch mit seinen persönlichen Daten, die für so manche Kundenkarte völlig selbstverständlich abgefragt werden.
- Er nimmt unter Umständen längere Anfahrtswege in Kauf, wodurch der vermeintliche Preisvorteil wieder egalisiert wird.
So mancher Preisnachlass geht außerdem mit einem Verlust an Service und Sicherheit einher. Streng wirtschaftlich gesehen, hat sich also lediglich die Zusammensetzung der Kosten geändert. Weniger Geld, dafür mehr Aufwand und mehr Risiko. Das funktioniert ungefähr folgendermaßen:
Selbstbedienung ist "in"
Seit Jahrzehnten ist es üblich, dass Kraftfahrer an den Tankstellen der Republik ihr Fahrzeug selbst befüllen. Dennoch sind die Preise stetig gestiegen. Alle akzeptieren dies anscheinend klaglos. Schlimmer noch: Es wird gelegentlich laut darüber nachgedacht, diesen Service gegen Aufpreis wieder einzuführen. Wir sollen also für etwas bezahlen, was früher bei geringeren Preisen selbstverständlich war. Der Autor dieses Artikels weiß sogar von einer Tankstelle, die komplett automatisiert betrieben wird. Personal gibt es dort nicht mehr. Eigentlich müsste der Kraftstoff da besonders billig sein, denn es entfallen ja die angeblich so hohen, deutschen Lohnkosten. Doch eine Ersparnis war bisher erwartungsgemäß nicht festzustellen…
Was den Mineralölgesellschaften so gut gelungen ist, versuchen mittlerweile auch andere Branchen. In Supermärkten wiegen Kunden ihr Gemüse selbst ab. Sie kaufen in Möbeldiscountern teure Platten aus billigem Pressspan und bauen diese dann auch noch selbst zusammen – oder lassen es andere gegen Aufpreis tun. Um Bankgebühren zu sparen, nehmen Kunden beim Online-Banking das gesamte Transaktionsrisiko und den entsprechenden Zeitaufwand auf sich. Kostenlos sind solche Girokonten oftmals dennoch nicht. Man leiht also der Bank Geld, übernimmt die Arbeit und das Risiko und bezahlt dafür auch noch! Wie bekloppt sind wir eigentlich? Ende 2016 geriet eine Sparkasse sogar in die Schlagzeilen, weil sie angeblich für jeden Klick beim Online-Banking Gebühren erheben würde…
Für all diese Dreistigkeiten bieten uns Banken und Handel im Gegenzug mickrige Nachlässe, Kundenkarten, Treuepunkte, Coupons und dergleichen Almosen mehr. Der König Kunde ist zum Rabatt-Sklaven mutiert.
Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus: Irrwitz... | Ihr Anruf ist uns nichtig!: Neue Abenteuer aus ... | Das Märchen vom König Kunde |
Warum der Rabattwahn uns manchmal schadet
Jeder so genannte Rabatt muss allerdings irgendwie erwirtschaftet werden. Was geschieht, wenn man dies nicht beachtet, hat sich 2013 bei der Pleite einer gewissen Baumarktkette gezeigt. Niemand hat also etwas zu verschenken. Im schlimmsten Fall bezahlen Verbraucher ohne Kundenkarte und Co. für die Rabatte der Anderen mit. Eine weitere Variante: Der so genannte Vorteilspreis ist manchmal in Wahrheit der Preis, für welchen der Anbieter das Produkt sowieso verkaufen würde. Alles andere sind so genannte Mondpreise. Machen Sie doch deshalb einfach mal den Test: Vergleichen Sie die Preise verschiedener Konkurrenten einmal ohne diverse Rabattaktionen, Treuepunkte und dergleichen mehr. Vergleichen Sie also einmal bewusst die so genannten "Normalpreise". Dann wissen Sie, wer wirklich teuer ist: Der kleine Eckladen in Ihrer Nachbarschaft oder der seelenlose Discounter am Stadtrand…
Liebe Märchenerzähler aus den Werbeabteilungen: Mündige Kunden wollen Eure Tricks nicht! Sie kaufen dort ein, wo es ihnen gefällt und wo sie keine langen Anfahrtswege haben. Sie legen Wert auf kompetentes, freundliches Personal sowie auf bezahlbare Qualität. Das alles ist ihnen wichtiger, als kiloweise Kundenkarten, Rabattmarken, Treuepunkte und Coupons. Zu Eurem Glück sind diese mündigen Kunden (noch) nicht in der Überzahl…