Von Rasenmähern, Luftkissen und Schwiegermutters neuem Freund - Des Gärtners Lust und Leid

In einem Garten gibt es immer was zu tun und das ist ja auch gut so. Zumindest dann, wenn man Freude am Gärtnern hat. Und ich habe Freude an der Gartenarbeit: Rosen schneiden, Radieschen einsäen, die Hecke kürzen, Johannisbeeren ernten, Laub harken, ein Beet anlegen, die Terrasse von Unkraut befreien usw. usw. usw…. Das sind alles Arbeiten, die ich gerne und mit Einsatz und Erfolg erledige.

Eine Arbeit im Garten macht mir allerdings überhaupt keine Freude: das Rasenmähen!
Gut, eine kleine, gerade Fläche von 50 bis 100 qm zu mähen ist sicher keine Mühe und nach getaner Arbeit blickt man auch zufrieden auf sein Werk. Aber in meinem Garten ist die Rasenfläche ca. 350 qm groß, kurvenreich, auf insgesamt 4 verschiedenen Ebenen verteilt. Dazwischen gibt es kurze Verbindungsflächen mit Neigungen bis zu 40% über die ich den Rasenmäher mit Muskelkraft ziehen muss. Für den gesamten Rasenschnitt brauche ich ungefähr zwei  Stunden, reine Schnittzeit. Dabei ist noch keine Kante geschnitten, noch keine Mähgut zusammengeharkt. Je nach Klima und Jahreszeit muss ich alle 10 bis 14 Tage an die mühevolle Arbeit gehen, egal ob es kühl und windig oder brütend heiß ist. Denn warte ich zu lange, beklagt meine Frau den Zustand unseres ungepflegten Gartens und meine Faulheit. Der Rasen wird sonst zu hoch, die Arbeit geht noch langsamer voran und fordert mir noch mehr Kraft und Einsatz ab.

In den letzten Jahren fiel mir das Rasenmähen immer schwerer und so manches mal dachte ich, während ich mir den Schweiß von der Stirn wischte und den schmerzenden Rücken rieb, darüber nach, ob ich nicht einen pickligen, blassen Nachbarsjungen mit Geld bestechen sollte, mir die lästige Arbeit abzunehmen? Gab es nicht irgendwo einen verarmten ausländischen Mitbürger, der nur allzu gerne für ein paar gute Euro bereit wäre, mit einem fremdländischen Lied auf den Lippen, meinen Rasen zu kürzen, während ich auf der Terrasse bei einer kühlen Limonade sitzen würde und ihm versonnen bei der Arbeit zusähe. Leider gibt es in meiner Nachbarschaft nur ein paar auffallend hübsche Teenagerinnen, die wahrscheinlich so manches tun, aber sicher nicht im Garten arbeiten. Und fremdländisch singende Arbeiter gehören auch nicht zu meinem Bekanntenkreis. Also verdrängte ich diese Gedanken jedes Mal und wandte mich wieder dem verhassten Rasenmähen zu.

 

Elektrokabel und Luftkissen

Natürlich habe ich im Laufe der Zeit versucht mir die Arbeit durch geeignetes technisches Equipment zu erleichtern. Ich hatte einen Elektrorasenmäher, weil die nicht so schwer sind. Aus irgendeinem Grund liegt das Kabel dieser Maschinen leider immer genau da, wo ich gerade mähen will. Nach ca. 4 - 155 durchtrennten Stromkabeln und zahllosen witzigen Bemerkungen meiner Ehefrau bin ich auf einen Rasenmäher mit Luftkissenpolster umgestiegen.

Dieser Flying mower ist wahrscheinlich ein Nebenprojekt der Nasa. Jedenfalls hat er keine Räder, erzeugt stattdessen einen Heidenlärm und ein wenig Luftdruck,  mit dem er ein paar Millimeter über dem Boden schwebt. In idealer Schnitthöhe also. So weit der Verkaufsprospekt… In Wirklichkeit war das Ding aber entweder zu hoch über dem Rasen, so dass man mehrmals die selbe Stelle überstreichen musste. Oder aber ich hielt es leicht verkantet, so dass der Luftdruck lautlos zur Seite entwich und der Flymower ohne Vorwarnung mit dumpfem Geräusch zu Boden plumpste und dabei jedes Mal eine hässliche Kerbe in der Rasennabe verursachte. Ein ganzes Jahr lang bin ich mit diesem technischen Geniestück über meinen Rasen geschwebt, um den witzigen Bemerkungen meiner Frau zu entgehen. Lächelnd und mit einem Lied auf den Lippen balancierte ich das rote Ding auf seinem Luftpölsterchen, während ich innerlich fremdländisch geflucht habe wie ein Schweinehirt. Nach einem Jahr bekam dieses nicht gerade billige Gerät einen "Kolbenfresser”. Meine Frau hat viel Humor, aber Gott sei Dank keine Ahnung von Technik.

 

Früher war alles besser

Manchen Winterabend lag ich danach grübelnd im Bett und dachte über mein Rasenmäherproblem nach. Endlich kam mir die rettende Idee. Mein Hauptproblem war das Gewicht der Maschine. Was macht die Maschinen so schwer? Der Motor! Was ist die Lösung? Ein Rasenmäher ohne Motor! Meine Eltern hatten so etwas, eine Handrasenmäher. Und man konnte damals damit ganz einfach und schnell den Rasen kürzen. Soweit meine Erinnerung...  Also besorgte ich mir im Frühjahr im Fachhandel einen Handrasenmäher, im fröhlichen Hellblau von einem der führenden Gartengerätehersteller. Er war verfügte über sechs elegant geschwungene Messer in Superedelstahlschärfung, Doppelpolsterung an den Handgriffen und keinen Motor.  Er war leicht wie eine Spaten.
Als meine Frau über ein Wochenende bei einer Freundin war, holte ich den neuen Gartenfreund aus der Garage, schraubte ihn mit wenigen Handgriffen zusammen, freute mich über Eleganz und Leichtigkeit des Gerätes und machte mich an die Arbeit. Nachdem ich den Handrasenmäher drei, vier Meter über den Rasen geschubst hatte, holte mich die Erinnerung schlagartig ein. Hatten wir Kinder uns nicht immer vor der Gartenarbeit gedrückt? Hatte uns mein Vater nicht mehrmals mit seinem besten Argument, einer großen Hand, zum Rasenmähen getrieben? Musste meine Mutter nicht öfters zu ihrem härtesten Mittel greifen? Ihrem gefürchteten Seufzen und dem leicht gestöhnten: "Lasst nur, dann mach ich das eben auch noch?”, damit wir uns endlich bequemten den verhassten Rasenmäher in die Hand zu nehmen? Hatten meine Eltern nicht ein schmales Reihenhaus und einen Garten mit vielen Blumenbeeten, so dass die eigentliche Rasenfläche nur Parkplatzgröße hatte? Und auf den Parkplatz hätte nur ein Mittelklassewagen gepasst. Ich verflucht mein schlechtes Gedächtnis und die Verklärung, die die Jahre so mit sich bringen, während ich das hellblaue Teil weiter vor mich hin durch den Rasen schob, immer wieder hängen blieb, fluchte (laut, es war ja keiner da) und weiter schob. Nach einer halben Stunde gab ich wütend und entnervt auf, baute das Teil wieder auseinander und ließ es unauffällig mit dem nächsten Sperrmüll verschwinden.

Die Notlösung

Die Träume von einem selbst fahrenden Rasenmäher oder gar einem Aufsitzer hatte ich aus Gründen des unwegsamen Geländes und meines kleinen Portemonnaies schon lange vordem unter der Rasenkante vergraben. 
Also kaufte ich als nächstes einen Benziner. Einen grünen Rasenmäher mit Hochleistungsmotor und Startautomatik, extra leicht natürlich…. laut Verkaufsprospekt. Die Startautomatik bestand einerseits aus einem roten Gummiknopf, den ich dreimal drücken musste, damit etwas Benzin in Richtung Motor gedrückt wurde. Zum anderen gab es eine Starterschnur, die den Anlasser ersetzte. Wenn man energisch und mit weit ausholender Bewegung an dieser Schnur riss, sprang der Motor an, die Messer setzen sich in Bewegung und man konnte losmähen. Oder man musste noch einmal ziehen, oder noch einmal und vielleicht auch noch ein paar mal mehr. Wenn dann die Schulter schmerzte, fiel einem ein, dass man den roten Knopf nur zweimal gedrückt hatte. Oder es war gar kein Benzin im Tank und der Kanister war auch leer und man musste nur mal eben zur nächsten Tankstelle fahren und schon konte das Mähen beginnen.

Nein, ich will nicht unfair sein. Er sprang immer irgendwann an und er hat sauber gemäht. Er war auch nicht zu laut. Zwar war er nicht leicht wie ein Spaten, aber doch noch zu irgendwie zu bewegen. Er hat mir treue Dienste geleistet. Ich habe ihn nicht gepflegt, nie nachgeschliffen. Er verlor ein paar unwichtige Schrauben, die wahrscheinlich nur Dekoration waren. Ein Rad hängt schief und von unten beginnt der Rost an ihm zu nagen, aber hat unseren Rasen tapfer kurz gehalten. Und wahrscheinlich würde ich heute noch mit Pickeln, ein fremdländisches Lied auf den Lippen, und innerlich fluchend wie ein Schweinehirt diese Maschine über mein Grundstück ziehen. Wenn da nicht meine Schwiegermutter gewesen wäre.

 

Schwiegermutters neuer Freund

An einem schönen Sommertag vor zwei Jahren saß sie nach einem ausgiebigen Einkaufsbummel mit ihrer Tochter bei uns auf der Terrasse und sah mir zu wie ich mit hochrotem Kopf, verklebten Haaren und im schweißnassen T-Shirt den Rasenmäher in die Garage wuchtete, denn ich hatte die Zeit genutzt, um den Rasen auf die von meiner Frau gewünschte Länge zu bringen.

"Bei Sieberts mäht jetzt Gustav den Rasen. Der ist toll! Dem guck ich manchmal stundenlang zu.” Meine Frau hat den Humor von ihrer Mutter geerbt, also nahm ich die Bemerkung als wenig charmante Anspielung auf mein erschöpftes Aussehen und fand den Vergleich mit irgendeinem muskelbepackten Gustav, der bei ihren Nachbarn offensichtlich neuerdings mit nacktem Oberkörper den Rasen mähte, nicht sooo lustig. Doch ich hatte sie völlig falsch verstanden. Gustav war keine Konkurrenz zum Cola-Mann aus der Werbung. Gustav war ein kleiner fleißiger Rasenmäher, der ganz von alleine bei ihren Nachbarn tagein, tagaus durch den Garten fuhr, selbständig die Steckdose suchte, wenn seine Batterien erlahmt waren, um danach frisch gestärkt wieder mit seiner Arbeit fortzufahren. Sie erzählte ausgiebig von dem neuen Wundergerät und ich konnte gar nicht genug davon hören.

Zwei Tage später stand ich bei meiner Schwiegermutter am Gartenzaun und sah ihn zum ersten Mal:
Ein Roboter, der den Rasen mähte und auf den Namen Gustav hörte. In Wirklichkeit war es ein Automower C220 der Firma Husqvarna und es war Liebe auf den ersten Blick. 

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