Michael Mendl

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Vage Triumphe halbschlagender Herzen

Es vergeht einige Zeit, bis das Personal eingeführt ist. Kathys Tochter Susie (Linn Reusse) tritt auf als ein studierender, unbefangener Nesthaken, der längst aus dem Nest geflohen ist und eigene, unschauspielerische Wege gehen will. Der zurückgelassene Gatte und Holywood-Regisseur Walter (Michael Mendl) hat sich mit Nell einen vorzeigbaren Ersatz angeschafft, der zugleich als Jungbrunnen fungiert und das unauslöschliche Repräsentationsbedürfnis befriedigt. Der Regisseur Guntbert Warns hat Anika Mauer mit dieser Rolle keinen sonderlichen Gefallen erwiesen: Ausstaffiert mit einer schwarzen Perücke, hat sie als Anhängsel, als süßes Nichts ihren sinnlichen Reiz, der ihr normalerweise auf der Bühne anhaftet, fast gänzlich eingebüßt. Ihre Beziehung mit Walter hindert sie mitnichten daran, ihre feinsinnigen Fühlhörner auszustrecken, Neuland zu erforschen und dem frisch eingetroffenen Michael Astor (Christian Schmidt) Avancen zu machen. Michael, ein reüssierter TV-Schauspieler, hat keine magische Anziehungskraft, bestenfalls auf dem Blatt. Sein Bekanntheitsgrad allein reicht aus, und hier zeigt sich ein Schwachpunkt der textlichen Vorlage von Donald Margulies: Alle drei Frauen, zwischen denen gewaltige Generationsstrecken liegen, rücken kurz hintereinander bei seiner Couch an, um erotische Defizite in einen vagen Triumph halbschlagender Herzen umzumünzen. Für den Zuschauer ist es mehr ein Triumph des Fließbands. Derartige Versuche nächtlicher Streifzüge werden naturgemäß beobachtet, und das erzeugt Hochdruckgefühle und Gereiztheiten.

 

Versuch, das Scheitern abzuwenden

Der Handlungsort ist ein Anwesen. Der Bühnenbildner Momme Rohrbein präsentiert ein bescheiden herrschaftliches Wohnzimmer, dahinter ist ein Birkenwald tschechowscher Prägung arrangiert. Verlief das Bühnentreiben vor der Pause noch recht zäh, so nimmt es nach der Pause deutlich an Fahrt auf, als habe der Autor bislang neue Inspirationsquellen in einem bislang vernachlässigten Gehirnareal angezapft. Elliot stellt sein mit Herzblut hingeworfenes Bühnenwerk vor, das er für grandios hält. Die Urteile der Anwesenden sind vernichtend. Plötzlich gelingen die Dialoge, sie zünden, klingen zackig und schlagfertig, und Michael Mendl blüht auf wie nach einer Revitalisierung. Es wird gelebt, palavert und gelitten: Erst eine ernsthafte, ans Existentielle grenzende Kontroverse über künstlerisches Niveau hebt einen Abend, der in schalen Egomanien zu versickern drohte. Mendl, beziehungsweise seine Figur, sagt einmal sinngemäß etwas Wichtiges: Gute Unterhaltung ist manchmal mehr als sogenannte hohe Kunst, weil die Produktion guter Unterhaltung eine besondere Form der Kunst ist. Das gelingt in dieser Inszenierung nur manchmal. Das saftige Sprachduell zwischen Mendl und Deutschmann ist ein Höhepunkt, der bedauerlicherweise in eine aufs Ende vorbereitende Absackungs- und Schlafphase mündet, die an die Durchwachsenheit des Intros heranreicht. Eine zwiespältige Inszenierung, die die Sinne zugleich chloroformiert und aufweckt. Beim respektablen Beifall gebärdet sich der Autor, als habe er einen Film von Woody Allen zu viel gesehen.

Haus auf dem Land

von Donald Margulies

Deutsch von Helmar Harald Fischer

Regie: Guntbert Warns, Bühne: Momme Röhrbein, Kostüme: Angelika Rieck.

Es spielen: Anika Mauer, Linn Reusse, Judy Winter, Heikko Deutschmann, Michael Mendl, Christian Schmidt.

Renaissance Theater Berlin

Premiere vom 29. November 2015

Dauer: ca. 2 Stunden, 45 Minuten, eine Pause

 

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