Scharfe Witwenblicke von Margot Honecker

Judith Rosmair

© Karin Rocholl/Wikipedia

 

Als Einleitung fungiert ein Video von Jim Rakete. Die erhabenen Gattinnen werden vor dem Renaissance-Theater vorgefahren, sie werden im Taxi chauffiert und tragen gewaltige Sonnenbrillen, dazu läuft von den Rolling Stones "Gimme Shelter". Man sieht sogleich: Es wird wichtig. Die Bühne ist karg und wird in den 90 Minuten Spielzeit auch nicht verändert, drei Stühle, ein rollbares Tischchen und ein Kühlschrank verlieren sich im Raum. Corinna Kirchhoff spielt Margot Honecker als griesgrämige, verbohrte Witwe, die keinen Gran von ihrer lebenslangen Weltanschauung abweicht. Die mittlerweile 56-jährige Darstellerin, längst zu alt für Ophelia- und Nora-Rollen, ist in die Schabracken-Phase eingetreten oder, anders ausgedrückt: Sie wird jetzt gerne zur Darstellung von verbrauchten Vetteln eingesetzt. Dementsprechend schleudert sie ihren Gesprächspartnerinnen scharfe Witwenblicke entgegen. Frau Margot, wie sie vom Conferencier und Dolmetscher Boris Aljinovic genannt wird, hält sich für die Verkörperung einer Idee, die im Film nicht darstellbar ist, ihre erhabene Würde lässt das nicht zu. Diese knurrende Verbiesterung, serienweise trockene Randbemerkungen servierend, hat für den Zuschauer einen hohen Grad an Drolligkeit.

 

Weibliches Veteranen-Treffen der Schaubühne

Den Gipfel des Komischen erklimmt Imogen Kogge als Imelda Marcos nahezu mühelos. Die absichtlich Aufgetakelte hat sich ganz aufs bloß Komödiantische eingestellt und ist eine Dauerlieferantin von lustigen Einfällen und graziösen Sticheleien. Ihr opernhaftes Auftreten ist quasi ihr Lebensstil, wähnt sie sich doch in einer fortwährenden Operette, und sogar die im Probedurchlauf befindliche Gesprächsrunde gehört dazu. Die Marcos-Diktatur in den Philippinen? Bah, die Gattin fühlte sich vor allem als eine Wohlfahrtsinstitution. Insgesamt findet auf der Bühne ein weibliches Veteranen-Treffen der Berliner Schaubühne statt. In der Peter-Stein-Ära entfalteten Imogen Kogge und Corinna Kirchhoff dort eine alerte Aktivität, die Regisseurin Tina Engel inklusive, und Judith Rosmair hielt es im Ostermeier-Ensemble immerhin vier Jahre, bis 2012 aus. Man kennt sich also, ist ein eingespieltes Team, das sich aber auf dünnem Eis bewegt. Denn wenn der Witz ausgeht und die Pointen-Energie verpulvert ist, drohen Abstumpfung und Langeweile.

 

Kurz vor der Eskalation

Tina Engels Regie ist eigentlich eine Abwesenheitsregie. Die Komödie hat überhaupt keine Handlung, sie besteht nur aus Plaudereien und Selbstinszenierungen der Figuren. Judith Rosmair als Leila Ben Ali erntet die wenigsten Lacher, ihre Fähigkeiten liegen auch nicht unbedingt im Komödiantischen. Ihre Figur kann nur strahlen, wenn sie die originellsten Einfälle zugeschanzt bekommt, das geschieht aber nicht, ganz im Gegenteil. Ihre Rolle ist es, eine tunesische Modepuppe auf Hochglanzniveau zu verkörpern, knusprig, von überzarter Appetitlichkeit und ohne Anzeichen der Verwelkung. Der überforderte Dolmetscher übersetzt teilweise absichtlich falsch, um das Gespräch in Gang zu halten und eine Eskalation zu vermeiden, doch genau das tritt ein. Frau Imelda fühlt sich attackiert, holt zu einem Vergeltungsschlag aus und nennt Frau Leila eine "arabische Tyrannenfotze". Mit einer Krawall-Vorstufe lässt es Theresia Walser leider bewenden, sie beabsichtigte keine fiaskoähnliches Finale mit unversöhnlicher Feindschaftsstimmung. Was dann noch kommt, ist die Asche von Erich Honecker, in einer Urne auf Margots Schoß blühend. Der Samen sollte in naher Zukunft die ganze Welt befruchten, auf dass sie in Frieden und Gerechtigkeit auferstehe. Nur wird ihr das kostbare Gut entrissen, die Asche tritt aus der Urne und fällt über die versammelte Runde. Alles ist in Staub versunken. Nun, Historiker und nüchterne, realitätsnahe Menschen mögen an die vielen Opfer der Tyrannen denken, an die willkürlichen Inhaftierungen und Liquidierungen. Ihnen bleibt das Lachen im Hals stecken. Wer abschalten kann, erlebt einen heiteren Abend mit vielen komödiantischen Volten.

Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel
von Theresia Walser
Regie: Tina Engel, Bühne: Momme Röhrbein, Kostüm: Jorge Jara, Dramaturgie: Gundula Reinig, Video: Jim Rakete.

Mit: Judith Rosmair, Corinna Kirchhoff, Boris Aljinovic, Imogen Kogge.

Renaissance-Theater Berlin

Premiere vom 5.Dezember 2014

Dauer: 90 Minuten, keine Pause

 

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