Revolution und Interessen in der Ukraine - Ein Eigentor des Westens?
Der vom Westen wohlwollend begleitete Umsturz in der Ukraine erweist sich mehr und mehr als Eigentor. Eine lästige Grippe wurde ausgemerzt – um sodann die Pest herbeizuholen.Der Sturz Janukowitschs und der Aufstieg des »rechten Sektors«
Die Proteste der Demonstranten sollten am 22. Februar 2014 endlich Erfolg zeigen: Das ukrainische Parlament setzte Präsident Janukowitsch ab, der in den folgenden Tagen untertauchte und sich nach Moskau absetzte. In dieser Zeit wurden auch dessen umfangreichen Besitztümer für alle Öffentlichkeit aktenkundig dargelegt. Wie es scheint, hatte das Volk sein korruptes und habgieriges Staatsoberhaupt gestürzt. Soweit kann die offizielle Diktion stehen gelassen werden.
Logo der Swoboda-Partei (Bild: Wikimedia)
Was jedoch vor allem in den deutschen Medien kaum thematisiert wurde, sind jene politische Gestalten, die im Anschluss einen nicht unwesentlichen Teil der Macht in der Ukraine übernahmen. Dabei sollte jedoch aufhorchen lassen, dass die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung einen »Oppositionellen« finanziell unterstütze, der seinerseits wiederum politischen Rückhalt durch eine stark nationalistische Partei erfuhr, die ihrerseits mit Sprüchen um sich wirft, die den Geist eines Goebbels atmen.
Kurzum: Der durch deutsche Gelder »gepuschte« Ukrainer Klitschko wird in seinem Heimatland von einer gewissen Partei namens »Swoboda« unterstützt, deren Vertreter nun nach der Absetzung des ukrainischen Präsidenten in wichtige Ämter gelangten.
Diese Gruppierung verfolgt ganz offen das Ziel einer »Ukraine für Ukrainer« und führte bis vor zehn Jahren das Symbol der Wolfsangel, die gern von politisch rechtsextremen Fraktionen genutzt wird. Mehr sogar. Im Parteiprogramm der »Swoboda« findet sich der delikate Begriff des »Sozialnationalismus«, ein Wort, das sicherlich keiner weiteren Klärung hinsichtlich seines Ursprungs bedarf. Und genau jene Partei stellt mittlerweile Regierungsmitglieder sowie den stellvertretenden Ministerpräsidenten der Ukraine, wird sogar von dem EU-Botschafter in der Ukraine als »gleichwertiger Partner für Gespräche mit der EU« bezeichnet. Am Rande sei noch zu erwähnen, dass Swobodapolitiker der sächsischen NPD anno 2013 einen Besuch abstatteten. Na dann ...
Stimmverteilung in der ukrainischen Präsidentenwahl 2010 (Bild: Vasyl` Babych)
Ethnische Verteilung in der Ukraine (je gelber, umso höher der Anteil der Ukrainer, je blasser, umso höher der russische Anteil) (Bild: Alex Tora)
Ergebnisse der Swoboda-Partei bei den Wahlen im Jahr 2012 (Bild: Василь Бабич)
Ukraine vor der Spaltung?
Die drei oben stehenden Grafiken sollen das Grund»problem« der Ukraine darstellen: Die innere gesellschaftliche und politische Spaltung. Während der Westteil des Landes fast vollständig aus Ukrainern besteht, so ist der Ostteil stark russisch geprägt. Diese Eigenschaft bringt zwangsläufig Spannungen mit sich und schlägt auch auf die Wahlergebnisse durch. So wurde der prorussische Präsidentschaftskandidat Janukowitsch anno 2010 hauptsächlich mit Hilfe der Ostukraine ins Amt gewählt. Der Westen hätte Timoschenko bevorzugt.
Auch die Ergebnisse der bereits erwähnten »Swoboda« weist ein Ost-West-Gefälle auf. Während in der Westukraine zum Teil jeder Dritte die rechtsextreme Partei für sich entdeckt hatte, verzeichnete sie im Osten nur mickrige Prozente.
Dieser Spannungszustand – verschärft durch die stramm antirussische Rhetorik der »Swoboda« - explodierte also Ende 2013 und gipfelte in den blutigen Protesten gegen Janukowitsch.
Eine der ersten Handlungen der neuen Regierung unter Beteiligung der Nationalisten war dabei die Abschaffung von Russisch als Amtssprache, ein offener und gezielter Affront gegen die zahlreichen russischen Muttersprachler in der Ukraine.
Auch das neuerdings erlaubte offene Tragen von Waffen kann als Provokation interpretiert werden, sodass die Gräben zwischen ethnischen Ukrainern und Russen immer tiefer werden.
Mehr und mehr wird in diesen Tagen eine Spaltung der Ukraine auch öffentlich diskutiert, durch welche sich der wirtschaftlich stärkere Osten verselbstständigen und nach Russland hin orientieren könnte. Die verbleibende Zentral- und Westukraine würde sich im Anschluss mit ziemlicher Sicherheit in Richtung EU/Westen fokussieren. Tatsache ist dabei, dass unter den gegenwärtigen Umständen eine Aufspaltung die erfolgversprechendste und vor allem friedlichste Lösung wäre. Es ist kaum davon auszugehen, dass sich die NATO in einen Konflikt mit Russland einlässt. Die Ukraine wäre zwar für den amerikanischen Raketenschutzschild von Interesse, aber ob die westlichen Nationen nur deshalb einen größeren Krieg riskieren würden, ist mehr als fraglich.
Tatsächlich sieht es aus diesem Grund ziemlich übel für die EU und die USA aus: Man hat mit Hilfe von Bluffs hoch gepokert und steht nun vor einer Pleite.
Die Gegendrohungen gegen Russland sind im Angesicht des Ernsts der Lage geradezu lächerlich. Die Ankündigung, im Falle eines russischen Militärschlages gegen die Ukraine, Putins Riesenreich aus den G8 auszuschließen, wird dem ehemaligen KGB-Agenten bestimmt so viel ängstigen wie die Nachricht, dass der nächste Winter in Russland kalt wird. Ärgerlich, aber verkraftbar, zumal im Falle einer ernsthaften Krise ganz Europa mit einem Schlag vom wichtigen russischen Gas abgekoppelt wäre.
Darüber hinaus sind die militärischen Ressourcen ohnehin begrenzt. Fast ausnahmslos kämpfen die EU-Staaten wie auch die USA mit finanziellen Problemen. Im Gegensatz zu letzteren sind »unsere« Streitkräfte zu allem Überfluss bestenfalls mäßig ausgestattet: Großbritannien führt umfangreiche Sparmaßnahmen durch, Frankreich ist in mehreren Abenteuern in Afrika gefesselt und Deutschland wurschtelt seit Jahren mit den unterschiedlichsten Bundeswehrreformen herum. Da nützt selbst die Mobilisierung von einer Million ukrainischer Reservisten nicht viel. Im Zeitalter der modernen Kriege schlägt Klasse Masse, zumal unsicher ist, wie viele ukrainische Soldaten überhaupt der neuen Regierung in Kiew folgen werden. Laut Vize-Premier Temirgalijew würde es auf der Krim keine ernsthaften ukrainischen Streitkräfte mehr geben. Trauriger Höhepunkt der Tragikomödie war bisher zudem das Überlaufen des obersten ukrainischen Marinekommandeurs zu den Russen.
Welche realistische Reaktion des Westens hat Wladimir Putin also zu erwarten, wenn sich der Primärfeind schon vor Beginn der eigentlichen Kampfhandlungen in Auflösung befindet?
Summa summarum
Was bleibt? Einiges. Der EU und den USA droht ganz unabhängig von einem eventuellen Krieg zwischen der Ukraine und Russland ein Desaster, sollte ihr Einfluss auch in der Westukraine schwinden.
Die ukrainischen Nationalisten um »Swoboda« werden sich im Falle einer Annexion der russischen Gebiete durch Russland ganz einfach anderen Zielen im Inland widmen. Neben den Turkvölkern, Rumänen und Polen werden dann die Juden in der Ukraine von Repressalien betroffen werden. Kurzum: In Osteuropa droht ein neuer autoritärer Staat zu entstehen, der mit seinen Nachbarn schnell aneinandergeraten kann. Wie sich die NATO bei Differenzen zwischen der Ukraine und Polen oder Rumänien wohl verhält? Man kann es sich ausmalen und die Begriffe »Menschenrechte«, »Demokratie« und »Flugverbotszone« im Hinterkopf behalten.
Zuletzt aktualisiert: 05.09.2014