Eine Insel in Berlin....

... allerdings umgebenen von Bahngleisen. Die Besiedelung des Gebietes ging im 19. Jh. halt einher mit der Entwicklung der Eisenbahn. Und da entwickelten sich dann zwei Bahnstrecken gen Süden : eine in Richtung Teltow und die andere zum Wannsee. Die Ringbahn machte dann den Abschluß des Viertels komplett.

In den Gründerjahren des deutschen Reiches, nach 1870, begann man Schöneberg, einen Ort vor den Toren Berlins, zu erweitern. Der alte Kern lag westlich der "Roten Insel". Es entstand einerseits das elegante Bayerische Viertel im Westen, anderseits das Viertel jenseits der Eisenbahntrasse.

Die Bevölkerung war durchaus durchmischt : Staatsangestellte, Militärs, aber auch immer mehr einfache Arbeiter. Auch hier entstanden die berüchtigten Berliner Mietskasernen, von denen wir hetzutage nur noch die Fassaden wahrnehmen.

Warum aber "Rote Insel"? Angeblich wurde hier 1878, in der Zeit des Sozialistengesetzes, von einem Verleger eine Rote Fahne aufgehängt. Dabei war es in dieser Zeit, besonders nach den Attentaten auf den Kaiser, üblich, die schwarz-weiß-roten Fahnen aufzuhängen.

Die "linke" Bevölkerung der Insel spielte eine bedetende Rolle bei der Niederschlagung des Kapp-Putsches 1920.

Es hat immer wieder Versuche gegeben, die Insel anders zu nennen, z.B. Sedanviertel, benannt nach der ersten Straße des Viertels.

Noch 1937 schrieb ein Reiseführer : "Häuserblock zwischen den Bahnkörpern der Wannsee-, Ring-und Anhalter Bahn, ehemals roter Stadtteil,.... Kampfgebiet des SA Sturmes 9 mit dem Sturmlokal "Wespe"....".

"Erster Propagandamarsch der SA-Standarte II durch die Rote Insel. Am Tage darauf Einsetzen eines wütenden Terrors gegen den Sturm 9, der in zehn Tagen 14 Schwer- und Leichtverletzte zählte."

"Bei einer Propagandafahrt der SA-Standarte II auf 5 Lastzügen versptritzte die Kommune in der Sedanstraße in der Roten Insel Salzsäure. Mehrere Verletzte"

( Aus : Wir wandern durch das nationalsozialistische Berlin. München 1937)


Die Rote Insel ist immerhin auch mit dem Widerstand gegen die Nazis verbunden : Julius Leber, bekannter Widerstandskämpfer gegen das Driite Reich, lebte hier.

Andere Prominente, die auf der Insel gelebt haben, sind u.a. Marlene Dietrich und Hildegard Knef.

Nach 1990 rückte die Insel wieder näher zur historischen Stadtmitte Berlins. Noch ist die Entwicklung "durchwachsen", auffällig ist aber der hohe Kinderanteil an der Bevölkerung. Auch hier gibt es Bestrebungen, das Viertel aufzuwerten, nicht zuletzt durch die Nutzung des Gasometers als "Europäisches Energieforum" und Fernsehstudio.

Am Rande der Insel, eigentlich schon auf Schöneberger "Festland", befindet sich die charmante Crellestraße mit kleinben Geschäften und Restaurants.

Wer das Viertel durchläuft, wird erstaulich viel Grün vorfinden (zwei historische Friedhöfe, die eigentlich große Parks sind, der Cheruskerpark, auch die Bahnstrecken in den "Tälern" sind sehr grün). Das Viertel präsentiert sich (noch?) sehr offen für den Besucher und wenig "divenhaft" - einen Millionenstrom von Marlene-Dietrich-Touristen gibt es noch nicht. Ein Besuch lohnt sich immer, zumal man nur 10 Minuten vom Berliner Stadtzentrum hierher braucht.

Crellestraße

Die Rote Insel zwischen den S-Bahn-Gleisen
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