Moritz Gottwald, Jule Böwe

Moritz Gottwald, Jule Böwe (Bild: © Arno Declair)

Unter dem Joch der Frauen

Magda Willi hat ein Bühnenbild geschaffen, das an Hässlichkeit kaum zu überbieten ist. Vielfarbige vertikale Lamellen bestimmen die Szenerie, durch die man teilweise wie durch einen Vorhang hindurchgehen kann. Das Ganze sieht aus wie eine zweistöckige Wohnung, die mit zahlreichen kleinen Zimmern ausgestattet ist. Lichterketten umranken die Wohnzellen, als befinde man sich in einem Club, der auf Teufel komm raus eine harmlos schnuckelige und poppige Atmosphäre erzeugen will. Im Mittelpunkt steht Florian, der sich nicht über den Wolken, sondern weit unter ihnen bewegt. In einem Immobilienbüro sieht er sich einer Phalanx von drei Frauen (Jule Böwe, Marie Burchard, Jenny König) gegenübergestellt, und der mit viel Enthusiasmus Gestartete wird angesichts der Frauenoffensive mehr als geerdet und heruntergeholt. Ist das eine verschwörerische Gemeinschaft, die ihn bevormunden und seine Aktivitäten konterkarieren möchte? In der Tat, es ist wie bei Muttern, bei der leider nicht gekocht wird, und es hat ganz den Anschein, dass sein anfänglicher naiver Furor etwas gebremst wird. Die Regie von Marius von Mayenburg will es so, dass Gottwald, ein klassischer leichtknochiger Leptosom mit gestrecktem Körper und leiser Zappeligkeit, ständig halbnackt herumläuft, manchmal auch nur in einem hauchdünnen Slip. Wie ein Schuljunge lässt er seinen Oberkörper von Jule Böwe einreiben, als sei er ein aufsässiges, aber behütetes Kleinkind.

 

Lukas Turtur, Marie Burchard

© Arno Declair

 

 

Physiognomische Kunststücke

Auch im häuslichen Bereich sieht es eher düster aus. Eine Figur von Marie Burchard, versehen mit einer glatten blonden Perücke, fordert ein Recht auf Sex, dem er nicht nachzukommen scheint, weil er aus welchen Gründen auch immer seine ehelichen Pflichten vernachlässigt. Überhaupt ist das Ensemble von chamäleonartiger Wandlungsfähigkeit, ständig wird die Kleidung gewechselt, einmal ist es nur eine Putzfrauen-Kluft. Durch Perücken und andere Verkleidungen werden unausgesetzt die Rollen geändert – fünf Personen müssen 25 Figuren stemmen -, und dabei sind vor allem Burchard und König wahre Profis, insofern als sie sich immer wieder ihrer neuen Rolle anpassen und stets ihr Spielverhalten ändern, inklusive physiognomischer Kunststücke. Etwas fällt da Jule Böwe ab, die, egal wie sie sich kleidet, immer sich selbst spielt und, wenn sie nicht emotional neutral agiert, ins Nölen und Hysterische verfällt. Hervorzuheben ist auch Lukas Turtur, der wahre Matamophosen durchläuft. Weiblichen Sexismus gibt es selbstverständlich auch: Einmal befindet sich Florian in einem Gespräch mit einer Vorgesetzten, die ständig mit dem Fuß wedelt und dabei fast ihren Schuh verliert. Stark in diesem Stück ist das Theatersegment, wo Florian nach langem Kampf eine Hauptrolle erhält und in beinahe einfältiger Arglosigkeit triumphiert. Am Ende ist der Applaus gewaltig und fast ungewöhnlich. Es ist auch die beste Inszenierung, die von Mayenburg seit Jahren abgeliefert hat.

 

status quo

von Maja Zade

Regie: Marius von Mayenburg, Bühne: Magda Willi, Kostüme: Nele Balkhausen, Musik: Jakob Suske, Dramaturgie: Majy Zade.

Es spielen: Marie Burchard, Lukas Turtur, Jenny König, Moritz Gottwald, Jule Böwe.

Schaubühne Berlin, Uraufführung vom 18. Januar 2018.

Dauer: 2 Stunden, 10 Minuten, keine Pause

 

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