In Wyoming verschwanden viele ältere Frauen (Bild: Daniel Gillaspia / Flickr)

Es gab eine auffällige Häufungen an Haushalten ohne Schwiegermutter

Die Schwiegermütter waren meist aus dem Osten mit ihren Familien in den Westen gezogen. Sie lebten mit mehreren Generationen unter einem Dach, was in der harten Umgebung Wyomings häufig zu Spannungen führte. In Briefen, Tagebüchern und späteren Zeitzeugenberichten finden sich zahlreiche Hinweise auf familiäre Konflikte - vor allem über Haushaltsführung, Erziehung, Eigentumsfragen und religiöse Vorstellungen. In vielen Fällen scheinen Schwiegermütter als dominierend und kontrollierend wahrgenommen worden zu sein.

Der Begriff "Schwiegermutter-Morde" tauchte erstmals in einem privaten Brief des örtlichen Arztes Dr. Elias Burnett aus Rawlins im Jahr 1897 auf. Darin beklagte er die "auffällige Häufung an Witwen und schwiegermutterlosen Haushalten". Doch weder Burnett noch Beamte gingen den Fällen systematisch nach. Im Wilden Westen des 19. Jahrhunderts war die Aufklärung von Morden und anderen Verbrechen äußerst schwierig - vor allem, weil es noch keine moderne Forensik gab.

Polizei- und Justizsysteme waren in vielen Gebieten kaum oder gar nicht vorhanden. Siedlungen lagen oft weit auseinander, was eine schnelle Ermittlung erschwerte. Fingerabdrücke wurden erst ab etwa 1900 systematisch genutzt. DNA-Analysen existierten noch lange nicht. Tatorte wurden nicht gesichert, Beweise nicht gesammelt oder bewertet. Ohne Zeugenaussagen ließ sich ein Verbrechen praktisch nicht aufklären.Viele Todesursachen wurden entweder nicht untersucht oder bewusst vertuscht. Auch Reisende konnten leicht untertauchen, da es keine zentrale Personenregistrierung oder Lichtbildausweise gab. In diesem Umfeld hatten Verbrecher leichtes Spiel - nicht weil sie klüger waren, sondern weil ihnen schlicht niemand auf die Spur kommen konnte. Erst mit der Entwicklung kriminaltechnischer Methoden begann sich das zu ändern.

Die Rolle der Schwiegermutter wurde ambivalent betrachtet

In einigen Fällen der Schwiegermutte-Morde wurden Knochenfunde gemacht - etwa in ausgetrockneten Brunnen, verlassenen Ställen oder unter Scheunenböden. Doch mangels Identifizierungsmöglichkeiten und wegen des Schweigens der Dorfgemeinschaft blieben diese Spuren lange unbedeutend. Es wurde vermutet, dass einige Männer ihre Schwiegermütter in der Nacht ermordeten, die Tatorte reinigten und gemeinsam mit anderen Dorfbewohnern verschwiegene Begräbnisse organisierten. In einem besonders dokumentierten Fall soll eine Frau namens Martha C., die sich oft über die "Einmischung" ihrer Schwiegermutter beklagte, nach deren "Verschwinden" bei einem Nachbarn beiläufig bemerkt haben, "der Schnee habe endlich zwei Zungen zum Schweigen gebracht".

Der Grund für das langjährige Schweigen der Bevölkerung liegt vermutlich in einer Mischung aus Scham, Loyalität und Misstrauen gegenüber äußeren Autoritäten. In kleinen Siedlungen des Westens galt es als Ehrensache, Probleme innerhalb der Gemeinde zu regeln. Zudem betrachtete man die Rolle der Schwiegermutter oft als ambivalent: einerseits als Familie, andererseits als Störfaktor in einem ohnehin harten Alltag.

Erst in den 1920er Jahren begann ein junger Historiker der Univerity of Wyoming, Thomas D. Hanley, alte Gerichtsakten, Zeitungsberichte und Tagebücher zu sammeln. 1931 veröffentlichte er eine brisante, wenn auch kontrovers diskutierte Studie mit demTitel "Silence under the Prärie: Familial Crimes oft the West" (Schweigen unter der Prärie: Familienverbrechen des Westens). Darin führte er mindestens 14 Fälle auf, die er als "mögliches vorsätzliches Verschwinden älterer weiblicher Familienmitglieder" einstufte.

Die wissenschaftliche Welt reagierte zurückhaltend, doch das Thema war nun öffentlich. Bis heute sind die Schwiegermutter-Morde von Wyoming ein Stoff für Legenden, Bücher und regionale Museen. Ob es sich um einen Einzelfall, eine übertriebene Interpretation familiärer Tragödien oder ein systematisches, verschworenes Verbrechen handelt, bleibt umstritten. Klar ist nur: Der Mythos des Wilden Westens war nicht nur von Heldentum, sondern auch von häuslichen Spannungen und düsteren Geheimnissen geprägt.

BerndT, vor 21 Tagen
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Bildquelle:
KFM (Selbstjustiz im Wilden Westen)
Bernd Teuber (Die gehenkte Leiche im Wilden Westen)

Autor seit 13 Jahren
397 Seiten
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