Sieben Klassiker, die Spaß machen
Klassiker kann man auch zum Vergnügen lesen, sie müssen kein langweiliger Pflichtlesestoff für Schule oder Studium sein. Hier sind sieben Beispiele.1. Jane Austen: Stolz und Vorurteil
Beziehungsgeschichten haben immer Konjunktur, auch wenn es für die Frauen von heute nicht mehr darum geht, möglichst schnell und gut situiert "unter die Haube" zu kommen wie im frühen 19. Jahrhundert. Jane Austen war für ihre Zeit sehr modern, es ging ihr in ihren "Matchmaking-Stories" nicht nur darum, dass jeder Topf seinen Deckel findet, sondern die Partner sollten auch zueinander passen, die Beziehung sollte von gegenseitigem Respekt geprägt sein. In Stolz und Vorurteil ist es ein langer und schwieriger Prozess, bis Elizabeth Bennet und Mr. Darcy ihre beiderseitigen Qualitäten entdecken, ihre eigenen Fehler erkennen und trotz gesellschaftlicher Hindernisse zueinanderfinden. Eingebettet ist diese Liebesgeschichte in subtile Gesellschaftskritik. Gesellschaftlicher Ehrgeiz, Falschheit und Heuchelei bis hin zum Verbrechen werden gnadenlos bloßgestellt, nur durch genaue Beobachtung.
2. William Shakespeare: Der Widerspenstigen Zähmung
Um eine Komödie über die "Zähmung" einer widerspenstigen Ehefrau zu genießen, muss man wohl schon etwas hartgesotten sein, oder? Aber Shakespeare schreibt so amüsant und das Ganze ist so augenzwinkernd aufbereitet, dass alle feministischen Bedenken getrost unter den Tisch fallen können. Bianca und Katharina, die beiden Schwestern – die eine sanft, die andere wild –, sind einfach zwei Persönlichkeitstypen, und Petruchio, Katharinas Bräutigam, ist klug und einfühlsam genug, den Stier, äh, Verzeihung: die Kuh bei den Hörnern zu packen. Unterdrückt wird hier niemand, außer vielleicht der Bräutigam der sanften Bianca, deren Charakter nach der Eheschließung eine erstaunliche Wandlung durchmacht …
3. Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame
Was passieren kann, wenn es mit Liebe und Ehe nicht wie gewünscht klappt, zeigt Dürrenmatt in seiner Tragikomödie Der Besuch der alten Dame. Die junge Klara Wäscher wird von ihrem Freund geschwängert und dann sitzengelassen. Das war in einer ländlichen Umgebung im frühen 20. Jahrhundert noch ein echtes Drama. Klaras Ruf ist ruiniert, sie landet in der Gosse. Aber viele Jahre später kehrt sie als Milliardärin in ihre Heimatstadt zurück und übt auf raffinierte Weise Rache für das ihr angetane Unrecht. In dem Stück geht es weniger um die verpatzte Liebesgeschichte als vielmehr darum, wie die Einwohner des Städtchens nach und nach korrumpiert werden und sich gegen ihren Willen zu Handlangern für Klaras Racheplan machen lassen.
4. Joseph Sheridan Le Fanu: Carmilla
Carmilla ist eine der frühesten (und besten!) Vampirgeschichten. Sie ist nicht so gruselig wie Dracula, aber auch nicht so kuschelig-harmlos wie Twilight. Der Vampir ist hier noch ein echter Vampir und damit böse. Das Hauptgewicht der Erzählung liegt im Psychologischen. Carmilla, der weibliche Vampir, geht äußerst raffiniert vor, um ihr Opfer, die junge Laura, zu umgarnen. Das Ganze hat eine deutlich erotische Komponente, die sehr viel offensichtlicher ist als beispielsweise in Dracula und besonders bemerkenswert, da es sich dabei um zwei Frauen handelt.
5. Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Auch wer vor dicken Büchern und langen Sätzen zurückschreckt, sollte es mal mit den Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull versuchen. Früher nannte man so etwas Schelmenroman, heute wäre es vielleicht Comedy. Äußerlich orientiert Thomas Mann sich darin an der Form des klassischen Bildungsromans, der mit Goethes Wilhelm Meister seinen Anfang nahm und an dem sich fast jeder Autor versuchte, der etwas auf sich hielt. Inhaltlich aber wird der Bildungsgedanke persifliert, denn Felix Krull ist, wie der Titel sagt, ein Hochstapler. Seine "Bildung" macht ihn folglich nicht zu einem nützlichen Glied der menschlichen Gesellschaft, sondern führt nur zur Perfektion seiner Kenntnisse im Betrügen und Übervorteilen anderer. Trotzdem ist dieser Felix Krull so sympathisch, dass man ihm gutes Gelingen bei seinen Unternehmungen wünscht …
6. E. T. A. Hoffmann: Lebens-Ansichten des Katers Murr. Nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern
Erzählungen aus der Sicht einer Katze gab es auch früher schon. Die Lebens-Ansichten des Katers Murr haben allerdings eine Besonderheit, mit der moderne Katzengeschichten nicht aufwarten können. Sie enthalten in unregelmäßigen Einschüben Bruchstücke der Lebensgeschichte des Kapellmeisters Johannes Kreisler, die aus Versehen in das Manuskript geraten sind. Eigentlich geht es Hoffmann nur um diesen Kapellmeister, der für ihn das Lebensgefühl und die Kunstauffassung der romantischen Epoche verkörpert. Das allein wäre für Ungeübte vielleicht etwas schwere Kost, denn der Geniekult und die Überhöhung der – eher platonischen – Liebe, die damals en vogue waren, sind uns mittlerweile ziemlich fremd geworden. Aber mit ein paar lustigen Katzen-Einsprengseln zur Abwechslung kann man sich auch einmal an solch "hohe" Literatur wagen.
7. Christian Morgenstern: Galgenlieder
Zum Schluss ein bisschen Lyrik zur Entspannung. Huch, ich höre euch schon aufstöhnen: "Ausgerechnet Gedichte, die sind so schwer zu lesen. Da denke ich immer an die Schule, wo ich Gedichte interpretieren musste." Aber keine Angst, Morgensterns Galgenlieder sind ganz anders. Da geht es um Mondkälber, Tulemond und Mondamin, um Lämmergeier und Geierlämmer, um Wiesel, die um des Reimes willen im Bachgeriesel auf einem Kiesel sitzen… Kurz, um witzige Wortspielereien, die sich manchmal fast selbst zu genügen scheinen, manchmal aber auch zu überraschenden Erkenntnissen führen. So etwa, wenn Palmström, eine von Morgensterns Lieblingsfiguren, nach seinem Tod durch einen Autounfall aufgrund eingehender juristischer Recherchen zu dem Schluss kommt, dass "nicht sein kann, was nicht sein darf".
Bildquelle:
Karin Wobig / pixelio.de
(Sieben Klassiker für lange Winterabende)