Sitcoms: Was waren die Kultserien der 90er?
Al Bundy, Steve Urkel, Tim Taylor? Wer war beliebter? Oder macht doch eher Will Smith das Rennen? Ein Rückblick auf kultige Sitcoms der 90er. Am Ende entscheiden Sie!Alle unter einem Dach: Vom Serienableger zum Publikumsrenner
Family Matters, so der englische Originaltitel, startete 1989 unter denkbar schlechten Voraussetzungen. Die Sitcom war lediglich ein Ableger der Serie Perfect Strangers, in der das Ehepaar Winslow eine Zeit lang Nebenrollen besetzte. Nun sollte die Familie von Carl und Harriet Winslow also zum Mittelpunkt einer eigenen Serie werden. In der Regel sind solche Zweitverwertungen nur sehr kurzlebig erfolgreich. Doch es sollte anders kommen: Ein Jahrzehnt lang eroberte die Serie mit 215 Folgen die Gunst des Publikums und überflügelte damit sogar die legendäre Bill Cosby Show.
Den großen Erfolg erzielte die Serie jedoch nicht mit dem Ursprungskonzept. Der leicht cholerische, übergewichtige Carl Winslow und all die anderen typischen Sitcom-Charaktere (zum Beispiel der sympathische Trottel Waldo) hätten vermutlich allein nicht ausgereicht, aus der Sitcom einen Dauerbrenner zu machen.
Der unbeabsichtigte Star von Alle unter einem Dach tauchte irgendwann in der Frühphase der Serie auf, als er einen Schnellimbiss betrat: Steve Urkel, dargestellt von Jaleel White. Der superschlaue, aber total tollpatschige und uncoole Steve wurde zum Publikumsrenner: Hosenträger an den Hochwasserhosen, Streberbrille, Polkamusik, eine BMW Isetta Baujahr 1960 und die Vorliebe für Käse waren die Markenzeichen des neuen Serienstars mit der nervigen Stimme. Seine ganze (fast bis zum Serienende unerwiderte) Liebe galt Laura, der schönen Tochter der Winslows.
Für Darsteller Jaleel White dürfte es mit den Jahren immer schwieriger geworden sein, diesen Charakter zu verkörpern, vor allem hinsichtlich der Stimme und der Körpergröße. Bei genauerem Hinsehen fällt in späteren Folgen auf, dass Steve Urkel eigentlich gar nicht mehr so klein ist, wie er dargestellt wird.
Ein wesentlicher Kritikpunkt an der Serie ist das Verschwinden von Darstellerin Jaimee Foxworth. Diese spielte die jüngere Winslow-Tochter Judy, verschwand aber ohne Erklärung nach 71 Folgen im Jahr 1993 aus der Serie.
Spätere Staffeln von "Alle unter einem Dach" gleiten zunehmend ins Unrealistische ab. Der hochintelligente Steve Urkel erfindet zunächst ein Elixier, dass ihn je nach Wahl zu einem Lover namens Stefan, einem Bruce-Lee-Verschnitt oder zum wiedererstandenen Elvis macht. Anfänglich trinkt er die Tinktur. Zur Vermeidung gewisser Nebenwirkungen erfindet Steve jedoch noch eine entsprechende Transformator-Maschine. Später kommen noch weitere Erfindungen hinzu: Ein Gerät zum Klonen, eine Zeitmaschine sowie das Reisen per Beamverfahren.
Eine schrecklich nette Familie: Schräge Comedy mit geistreichen Seitenhieben
Ein wesentlicher Bestandteil amerikanischer Sitcoms ist das Sofa. Hier spielen sich kleine Dramen und mehr oder weniger sinnvolle Dialoge ab. Wenige Serie dürften dieses Klischee so sehr ausreizen wie Eine schrecklich nette Familie. Sie war zu ihrer Zeit vermutlich eine der längsten Sitcoms überhaupt, denn in gut einem Jahrzehnt (1987-1997)wurden über 250 Folgen ausgestrahlt.
Im Mittelpunkt steht Al Bundy, ein frustrierter Schuhverkäufer. Er verdient allein das wenige Geld, das seine undankbare Familie mit vollen Händen ausgibt. Gelegentlich bieten sich dem Familienoberhaupt lukrative Möglichkeiten, sein Schicksal doch noch zu verbessern. Allerdings werden diese Chancen regelmäßig durch ihn selbst oder andere zunichte gemacht. Mangels anderer Erfolge träumt Al Bundy regelmäßig von längst vergangenen, sportlichen Triumphen. Dem Sex ist er nicht abgeneigt, solange dabei nicht die eigenen Ehefrau eine Rolle spielt. Gegen die zunehmende Herrschaft der Frauen gründet Al zudem einen Männerverein (später eine Kirche) namens No Ma'am, inklusive eigener T-Shirts. Dieses Detail war so erfolgreich, dass es entsprechende T-Shirts noch heute zu kaufen gibt.
Ehefrau Peggy punktet hingegen mit einem überbordenden Sexualbedürfnis, hautengen Hosen, Animal-Prints und einer wilden, roten Mähne. Hausfrauliche Qualitäten hingegen sind ihr fremd. Darstellerin Katey Sagal ist heute übrigens kaum wiederzuerkennen und hat äußerlich mit der Serienfigur keinerlei Ähnlichkeiten mehr.
Tochter Kelly, genannt Dumpfbacke, ist dumm wie ein Pfund Stroh. Damit kommt die sexy Blondine allerdings erstaunlich erfolgreich durchs Leben. Bud, das jüngste und schlauste Familienmitglied, erringt wiederum weder mit schulischen Erfolgen, noch mit diversen Anmachversuchen die Gunst der Frauen und muss sich daher mit gewissen Heftchen und einer Gummipuppe begnügen.
Oberflächliche Kritiker bezeichneten die Comedyserie gelegentlich als reinen Trash. Tatsächlich scheint das Niveau der Themen und Dialoge eher der Unterschicht zu entstammen. Hinter den manchmal platten Wortwechseln steckt jedoch durchaus ein sehr feinsinniger Humor, der so manches politisch korrekte Gesellschaftsbild gewaltig aufs Korn nimmt. Beispielsweise die feministische Nachbarin Marcy, die sich einen Ehemann hält, der nicht arbeitet, stattdessen aber gut aussehen und ausreichend Sex liefern muss. Sie tut damit genau das, was Feministinnen der Männerwelt im Bezug auf ihre Ehefrauen vorwerfen und fühlt sich dennoch als politisch korrekt handelnde Emanze.
Ebenso wird im Verlauf der Serie deutlich, dass Arbeit, Ehrlichkeit und Fleiß oft nicht zum Erfolg führen. Beispielsweise verdient die strohdumme Kelly als Werbefigur und Fernsehstar in der Spätphase der Serie mehr, als ihr Vater, der Schuhverkäufer.
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Hör mal, wer da hämmert: Behämmerte Ideen und ein Schuss Emanzipation
Eine gänzlich andere Art Humor pflegt die Serie Hör mal, wer da hämmert (im Original: Home Improvement) rund um den "Heimwerkerkönig" Tim Taylor. Zum Erfolg der Serie gehört vermutlich eine gewisse Realitätsnähe. Die Dialoge sind nicht platt, sondern vor allem schlagfertig. Acht Jahre und 204 Folgen lang begeisterte die Serie Fernsehzuschauer beiderseits des Atlantiks. Tim Taylor ist ein typischer Heimwerker, der darüber hinaus auch noch eine entsprechende Fernsehsendung moderiert. Er bastelt und schraubt für sein Leben gern, egal, ob es sich um Haushaltstechnik, Elektrisches, ein Auto oder Gartengeräte handelt. Dabei begeht er den typischen Fehler vieler Heimwerker: Er glaubt, auch ohne diverse Anleitungen alles zu können und setzt voll auf die Power der Maschinen.
Ergänzt wird dieser erfrischend menschliche Hauptdarsteller von den unterschiedlichsten Widerparts: Neben seiner emanzipierten Ehefrau Jill ist dies beispielsweise Tims Mitarbeiter Al Borland, ein scheinbares Weichei, der aber in der Regel sorgfältiger und erfolgreicher als Tim arbeitet. Fester Bestandteil jeder Folge ist zudem Nachbar Wilson. Der gibt immer wieder weise Worte von sich, scheint alles zu wissen und alles schon einmal erlebt zu haben. Auf diese Weise kann er den jeweiligen Konflikt jeder Folge lösen. Der absolute Running Gag dabei ist, dass Wilsons Gesicht nie vollständig zu sehen ist. In der Regel sieht man nur die obere Gesichtshälfte, der Rest bleibt hinter dem Gartenzaun verborgen. Schwenkt die Kamera doch einmal in Wilsons Grundstück, dann dreht dieser just in diesem Augenblick den Zuschauern den Rücken zu. Der 2003 verstorbene Darsteller Earl Hindman trug selbst bei der Abschlussshow zunächst einen Miniaturzaun vor dem Kinn. Ganz am Ende durfte das Publikum sein Gesicht jedoch vollständig sehen.
Der Prinz von Bel Air: Immer schön locker bleiben
Diese Serie wurde dem Hauptdarsteller regelrecht auf den Leib geschrieben: Will Smith (Darsteller und Hauptfigur tragen den gleichen Namen) wird von seiner Mutter aus einem Ghetto Philadelphias zu den reichen Verwandten nach Los Angeles ins Nobelviertel Bel Air geschickt. 148 Folgen lang, unterteilt in sechs Staffeln, mischt Will das Leben der Reichen und Schönen auf, vorrangig natürlich das seiner Verwandten, der Familie Banks. Eine große Klappe und jede Menge nicht immer sinnvoller Ideen sind sein Handwerkszeug. Die Jacke der Schuluniform trägt er prinzipiell nach außen gewendet, und für seinen etwas kurz geratenen, streberhaften Cousin Carlton hat Will unendlich viele, bissige Bemerkungen parat. Dennoch gibt es auch in dieser Serie nicht nur heitere Momente. Der moralische Zeigefinger darf nicht fehlen, beispielsweise, als Will jemandem den Tod wünscht und dieser tatsächlich tot umfällt. Das Großmaul Will gerät daraufhin in eine Krise. Stark thematisiert wird auch der Kampf der Schwarzen um Gleichberechtigung.
Wie bei anderen Sitcoms, trägt zum Erfolg auch der richtige Mix aus Hauptfiguren und schrulligen Nebendarstellern bei. Da gibt es unter anderem sehr lebenslustige Rentner, einen britischen Butler mit trockenem Humor sowie die älteste Tochter der Familie Banks, eine wenig intelligente, aber an Luxus gewöhnte Schönheit.
Insgesamt lebt in der Serie die schrill farbenfrohe, etwas vorlaute Zeit der frühen Neunziger inklusive drahtiger Hip-Hop-Klänge auf, wodurch sie sich deutlich von anderen Produktionen dieses Genres abhebt.
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Querverbindungen zwischen den Serien
Interessant ist, dass diese vier Erfolgsserien einige Querverbindungen und Parallelen aufweisen. Beispielsweise absolvierte James Avery, der Familienvater aus Der Prinz von Bel Air, in genau dieser Rolle einen kurzen Gastauftritt bei Alle unter einem Dach. Im Gegenzug taucht der dortige Hauptdarsteller Jaleel White als Freund von Ashley Banks in Der Prinz von Bel Air auf. In Eine schrecklich, nette Familie dagegen erscheint der Steve-Urkle-Darsteller zwar nicht persönlich, aber immerhin regt sich Kelly Bundy in einer Folge darüber auf, dass so viele Leute auf die Serienfigur Steve Urkle stehen...
Zu den Nebenfiguren von Hör mal, wer da hämmert gehört auch eine Ikone der 1990er Jahre: Pamela Anderson spielte zwei Jahre lang Tims Assistentin Lisa. Sie absolvierte jedoch auch einen Gastauftritt in Eine schrecklich nette Familie.
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