Sophiensaele Berlin: Kritik von "Wer(s) glaubt, wird selig" – Mädler/Schleipfer
Premiere der theatralen Installation. Das Duo Peggy Mädler und Julia Schleipfer liefert einen agnostischen Weg, einen atheistischen Weg, einen Pilgerweg und eine Videoinstallation.Julia Schleipfer (Bild: © Anna Rozkosny)
Steine in Reagenzgläsern
Der auf der linken Kantinenseite verlaufende agnostische Weg beginnt in den Zingerwiesen, Eingang Nordendstraße, und präsentiert einige Schmuckteller, die an Kitsch kaum zu überbieten sind. Dies ist eine frühzeitige Präparierung der Besucher, die sich neben interessanten Objekten eine Menge an geschmacklosem Firlefanz ansehen müssen. Station 3 testet den Aberglauben: Die Betrachter können Steine in Reagenzgläser legen, die z.B. die Aufschrift ‚schwarze Katze', ‚Sternschnuppe" und "Die Zahl 13' tragen. Hier ist ein klarer Bezug zum Titel der Veranstaltung. Für die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, hat man sich ausgerechnet Windräder ausgesucht, die eher ein Symbol für alternative Energie sind. Bei der Station 8 sind Risse im Bordsteinpflaster zu sehen – ein Bild für die Unsicherheit im Nichtwissen, manchmal geht dabei sogar ein Riss durchs beklommene Gemüt. Ein Planetarium mit Sternen und Tierkreiszeichen ist ebenfalls errichtet mit dem Ziel, die Frage nach dem Schicksal aufzuwerfen.
Videoinstallation und Sammlungskästen
Gegenüber dem Eingang, an der gegenüberliegenden Wand befindet sich eine Videoinstallation mit einer Dreier-Konstellation von Personen, die miteinander sprechen und den Platz für andere Kollegen räumen: Ein Agieren nach dem Rotationsprinzip. Ein Frau sieht gerne Horror-Filme, weil sie sich gruseln möchte. Eine andere Frau hat eine Klo-Phobie und schreckt vor Lichtlosigkeit und eingebildeten Geistern zurück. Ein Agnostiker hingegen betrachtet die Skepsis als positives Gefühl, das ihm ein außerordentliches Behagen verschafft. Die sprechenden Personen scheinen auf die Anwesenden eine magische Anziehungskraft auszuüben, hier ist wohl der Brennpunkt der Installation. Das "Labor für kontrafaktisches Denken" hat es sich ja zur Aufgabe gemacht, gegen die Tatsachen zu denken, nach dem Motto: Was wäre wenn...? Leider verdichten sich die Zwiegespräche, das fortwährende Murmeln der Besucher zu einer erheblichen Geräuschkulisse, so dass es schwer fällt, die Video-Äußerungen korrekt zu verstehen. In der Mitte des Raumes stehen Sammlungskästen mit Reliquien und persönlichen atheistischen bzw. agnostischen Glücksbringern. Man glaubt kaum, was die Leute alles an Unvergesslichem aufbewahren: Masken, Arnold Schwarzenegger als Denker, Plattenspieler, Armbanduhr, Fußball, Reh, Engel mit Harfe, Muscheln, Elefant, Frosch, Gartenzwerg, Hufeisen, Uhu, Medaillon mit dem Bild der Mama und vieles mehr. Materiell gesehen ist das hauptsächlich Schund, aber die Gegenstände haben für den Besitzer einen hohen ideellen Wert.
Lampenfabrik, Beleuchtungskörper (Bild: © Anna Rozkosny)
Die sozialen Werte triumphieren
Beim atheistischen Weg ist auch eine Lampenfabrik dabei mit einem Beleuchtungskörper, der als Symbol für die Zeit vor der eigenen Geburt steht. Selbst die Archenhold-Sternwarte aus Treptow ist vertreten, doch die Schranken der Selbstbestimmung können dadurch nicht erfasst werden. Etwas geschmacklos ist ein rostiges Wandbecken (Gusseisen, Emaille) mit Spiegel. Bei diesem Anblick fühlen sich vielleicht manche Leute an frühere Bronchialprobleme erinnert, als sie morgens nach dem Aufstehen ihre tägliche Ration Schleim aushusteten. Auf einem kleinen Video der Staatsbibliothek wird nach der individuellen Handlungsfähigkeit gefragt, viel geschrieben – und durchgestrichen. Die Station 11 zeigt noch einmal Reagenzgläser mit einer Werte-Statistik. Ökonomische und juristische Werte kommen für die Gäste kaum in Betracht, sie werfen ihr Steinchen vor allem in das Röhrchen mit den sozialen Werten. Zufall oder Widerspiegelung des allgemeinen Denkens? Nun, bei so viel sozialem Denken braucht man sich um die Zukunft der Menschheit keine Sorgen zu machen. Insgesamt kein uninteressantes Projekt, nur hätte es etwas üppiger ausfallen können.
Wer(s) glaubt, wird selig
Das Labor für kontrafaktisches Denken
Konzept & Umsetzung: Peggy Mädler, Julia Schleipfer, Raum: Markus Paetz, Grafik: Birgit Metzger, Video: Henrike Kochta, Musik: Tobias Vethake, Licht: Mark Howett.
Mit: Kiki Bohemia, Nora Bussenius, Daniela Dröscher, Tanja Dückers, Andreas Engler, Eckhard Greiner, Thomas Hashemi, Julian Mehne, Jochen Schmidt, Gregor Sander, Stefanie Taeger, Jan Falk, David Wagner.
Premiere vom 4. Dezember 2013
Dauer: nach persönlichem Ermessen
alle Fotos: © Anna Rozkosny
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)