Die eigene Macht über die Sorgen zurückgewinnen

Sorgen und Grübelgedanken lassen sich nur sehr schwer unterdrücken. Lassen wir es zu, breiten sie sich rasend schnell aus und nehmen sämtliche Lebensbereiche unter Attacke.

"Passen Sie auf, Ihre Gedanken können zu einer Lawine werden!", schreibt Psychologe und Autor Richard Carlson

Da heißt es zunächst einmal: Stopp! Mit etwas Übung können wir den Gedankenprozess nämlich durchaus bewusster steuern.

Aus der Angsttherapie stammt folgender Ratschlag: Angstpatienten werden dazu ermuntert, sich in guten Zeiten gezielt mit angstbesetzten, negativen Gedanken auseinanderzusetzen, sie regelrecht hervorzurufen oder gar einzuladen. Das erfordert zwar zunächst etwas Überwindung, bewirkt aber eine entscheidende Wendung: Der Patient wird nicht mehr von seinen Angstgedanken überfallen, sondern entscheidet selbst, wann und wie er sich mit ihnen beschäftigen bzw. aktiv auseinandersetzen möchte. So gewinnt er Macht und Stärke zurück, das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht verschwindet.

(Vorsicht: Behutsam vorgehen und sich nicht zu viel zumuten - bei akuten Angstzuständen und Angsterkrankungen ist es besser, diese Strategie nicht alleine, sondern mit Unterstützung eines Therapeuten auszuprobieren.)

Konstruktiv statt positiv

Nein, bemüht positives Denken hilft meist nicht weiter. Vor allem dann nicht, wenn man selbst kaum glaubt, was man sich gerne einreden möchte.

Man kann Sorgen und negativen Gedanken aber den Nährboden nehmen, indem man den Geist bewusst mit neuen konstruktiven (= aufbauenden) Inhalten füllt. Je mehr neues Gedankengut wir uns zulegen, desto schwerer machen wir es Sorgengedanken, sich in unserem Kopf auszubreiten.

Noch besser: Destruktive Gedanken werden allmählich von neuen konstruktiven Gedanken verdrängt.

Der englische Psychologe Dr. Richard Wiseman (So machen Sie Ihr Glück: Wie Sie mit einfachen Strategien zum Glückspilz werden) hat erforscht, wie Menschen zu Glückspilzen oder Pechvögeln werden. Er bestätigt, dass die Glückspilze wesentlich konstruktiver denken, als ihre weniger glücklichen Kameraden und sich auf diese Art ihr Glück tatsächlich selbst erschaffen.

Was bedeutet das, konstruktiv?

Es ist nur eine kleine Veränderung, kann aber oft viel bewirken: Offen zu sein für positive Ereignisse. Eine offene Haltung bedeutet weder Hoffnung noch Erwartung, schon gar nicht festen Glauben oder unerschütterliche Zuversicht. Für positive Veränderungen offen sein können sogar – mit etwas Übung - eingefleischte Pessimisten.

Es bedeutet ja lediglich, dass wir dem, was wir uns wünschen oder erhoffen, eine (wenn auch noch so kleine) Chance einräumen. Nur mal eine Möglichkeit sehen. Ein "Könnte-ja-sein". Seltsam, wie viele Menschen selbst noch so unwahrscheinlichen negativen Ereignissen eine Chance einräumen können – warum sollte das nicht auch umgekehrt funktionieren?

Das Gegenmittel zu Zweifel und Pessimismus muss nicht zwangsweise Glaube oder Zuversicht heißen. Es geht nicht darum zu glauben, dass etwas Gutes passieren wird, sondern offen für die Möglichkeit zu sein, dass es passieren könnte.

Vorübergehende negative Stimmungen nicht zu ernst nehmen

Der Psychologe Dr. Richard Carlson schreibt in seinem klugen Anti-Problem-Ratgeber ("Alles kein Problem!"), dass wir Menschen dazu tendieren, unsere Stimmungen und die damit verbundenen negativen Gedanken viel zu ernst zu nehmen: "Ihre Stimmungen können Sie sehr in die Irre führen."

Dabei sind negative Stimmungen ganz normal und natürlich – und gehen auch wieder vorbei. Sich bewusst zu machen, dass die Welt nicht wirklich grauer geworden ist, dass das Leben nicht wirklich auf einmal viel hoffnungsloser ist, sondern dass man einfach nur mal "negativ drauf" ist, schenkt Gelassenheit und hilft, seelische Verstimmungen schneller wieder zu überwinden.

Überwältigende Probleme schrumpfen lassen

Richard Carlson gibt den praktischen Rat, die Zeit in Gedanken einfach mal um hundert Jahre "vorzudrehen". Er nennt es das Spiel der Zeitverschiebung:

"Ich habe es als Reaktion auf meinen hartnäckigen Irrglauben erfunden, dass das, worüber ich mich gerade aufrege, von äußerster Wichtigkeit sei."

Werden unsere Probleme, unsere Sorgen, unsere Missgeschicke, Peinlichkeiten oder Fehler in hundert Jahren noch eine Rolle spielen? Werden sie das in fünfzig oder zehn Jahren noch tun?

Oft kommen uns unsere Probleme riesig, überwältigend vor. Sie beherrschen unser gesamtes Leben, unsere ganze (kleine) Welt. Da wir selbst im Zentrum dieser Welt stehen, kommt es uns in der Tat so vor, als würden die Probleme von allen Seiten über uns zusammenschlagen. Oder als würde jeder mit dem Finger auf uns "Versager" zeigen.

Hier schafft die "Weltraumperspektive" Abhilfe:

Betrachte dich einfach mal von oben – da bist du, in deinem Haus oder deiner Wohnung. Eine kleine Person in deiner Straße. Schon nur noch ein winziger Punkt in deinem Dorf oder deiner Stadt. Kaum mehr zu erkennen in deinem Land. Ein winziges Pünktchen unter vielen auf der Erdkugel. (Zugegeben, manch einer mag das vielleicht ernüchternd finden ...)

Frage dich: Spielst du wirklich eine so große Rolle im Weltgeschehen? Sind deine Probleme so wichtig, so von Weltbedeutung, wie du manchmal glaubst? Interessiert sich wirklich jeder für deine Fehler, Missgeschicke, Blamagen, etc.?

Praktischer Tipp: Sorgen aufschreiben

Psychologen empfehlen gerne folgendes Rezept gegen Sorgen und Grübelgedanken: Sorgen und belastende Gedanken werden stichpunktartig auf ein Blatt Papier notiert und dann einfach auf später verschoben.

Mit dieser simplen Methode trickst man sich quasi selbst aus: Man hat die Sorgen nicht einfach ignoriert oder verdrängt, wirkt aber gegen die Gewohnheit, sich pausenlos mit ihnen zu beschäftigen.

Manchmal ist es einfach zu viel …

Tausende von Gedanken, Bildern und Eindrücken flimmern täglich über den "Bildschirm" unseres Geistes. Damit unser System nicht heißläuft und so einen information overload (Informationsüberfluss) verursacht, sind kleine Gedankenpausen wichtig. Einfach mal die gedankliche "Escape-Taste" drücken und den alltäglichen Gedankenwelten entfliehen!

Die bekannte Selbsthilfe-Autorin Louise L. Hay betont, wie wichtig gedankliche "Erholungsbilder" sind: Wir können, so schreibt sie, einen negativen Gedanken zwar nicht auslöschen oder wegschieben, wir können ihn aber durch einen angenehmeren oder auch nur neutralen Gedanken ersetzen. Louise Hay empfiehlt, für Notfälle immer einen solchen angenehmen, beruhigenden "Entspannungsgedanken" parat zu haben. Sie selbst stellt sich am liebsten eine gelbe Rose vor.

Trauma-Therapeutin Lisa Danylchuk (How You Can Heal: A Strength-Based Guide to Trauma Recovery) erklärt, dass es traumatisierten Menschen manchmal schwer fällt, einen angenehmen "Ersatz-Gedanken" zu finden. Dann hilft es, bei einer ganz neutralen Vorstellung zu bleiben:

Wie die Finger auf der Tastatur des Computers liegen. Eine Farbe, die man als neutral empfindet. Den Gedanken, sich mittags zum Essen hinzusetzen. Den Geschmack von Mineralwasser.

Aufmerksamkeit umlenken

In der Psychologie ist man sich meist einig, was den Umgang mit Sorgengedanken und Grübelattacken betrifft: Es geht weniger darum, was man denkt, sondern darum, die Aufmerksamkeit vom Grübeln wegzulenken.

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) hat für diesen Zweck viele hilfreiche Ansätze und praktische Übungen parat. Laut ACT ist es ganz normal, dass unser Gehirn uns immer wieder mit negativen Gedanken bombardiert. Das ist seine Aufgabe - ohne dieses unaufhörlich aktive Alarmsystem im Kopf könnten wir Menschen nicht überleben. Nicht alle negativen Gedanken sind also schlecht. Problematisch wird es dann, wenn wir uns von ihnen überwältigen lassen oder sie uns im täglichen Leben beeinträchtigen und handlungsunfähig machen.  

Lesetipp:

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT)

Ängste überwinden, Sorgen vertreiben, Ziele erreichen, Erfüllung im Leben finden? Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) zeigt, wie es geht – praktisch und sofort umsetzbar!

Vorsicht!

Anhaltendes Grübeln kann auch Anzeichen für eine Depression sein oder eine bereits bestehende Depression verstärken und wieder aufkeimen lassen. 

Anzeichen von Depressionen erkennen

Depressionen − was tun?

(Ohne Gewähr - Die hier vorgestellten Informationen wurden sorgfältig recherchiert und erstellt, können eine professionelle Beratung durch ausgebildete Ärzte bzw. Therapeuten aber nicht ersetzen.) 

Michaela, am 07.03.2017
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