Cover der DVD

 

Das Bedürfnis nach Feedback

Für viele der arrivierten Gesprächspartner ist ein wesentlicher Antriebsfaktor das Sich-Herzeigen, die Selbstpräsentation, nicht zuletzt weil, wie die Projektleiterin Petra Kohse im Booklet hervorhebt, das werktreue, auf die Sprache fixierte Regietheater von einst nicht mehr tonangebend ist. Die Schauspielerpersönlichkeit rückt automatisch mehr in den Fokus und Fabian Hinrichs unterteilt zwischen genuinen Selbstdarstellern und Soldaten, die "alles" machen, vor allem wegen der schlechten Bezahlung. Wirtshaus-Gänger Josef Bierbichler allerdings hat genug vom Verstellungstheater, der Stimulus für dieses "Getue" ist im Erlöschen begriffen, er fühlt mittlerweile Scham beim Herzeigen und hält die Gier danach für schädlich. Er braucht keine Rückmeldungen mehr, im Gegensatz zu Wiebke Puls, die die Notwendigkeit eines Feedbacks reklamiert, zumal viele Kollegen von einem narzisstischen Bedürfnis geleitet würden. Ein entscheidendes Agens für Edith Clevers Bühnenaktivität war, etwas ahnen zu lassen, das über das Menschliche hinausgeht. Leider verliert sie sich in Reflexionen über die frühere Schaubühne und erwähnt mit keinem Wort das Gegenwartstheater. Und Joachim Meyerhoff greift hoch hinaus, sieht sich gar als ein "Dompteur der Menschen", ausschlaggebend sei der Augenblick, in dem die Wahrheit von allen Seiten sichtbar wird.

 

Die Rolle des Interviewers

Wichtig für den Verlauf eines Interviews ist vor allem auch der Interviewer. Wer präzise Fragen stellt und sich nicht verschwommen artikuliert, bekommt in der Regel auch die besseren Antworten serviert. Als besonders geschickt erweisen sich Matthias Dell (mit Fabian Hinrichs), Yvonne Büdenhölzer (mit Sandra Hüller), Nachtkritiker Matthias Weigel (mit Signa Köstler) und Peter Kümmel (mit Joachim Meyerhoff). Hinzufügen muss man indes, dass gesprächsbereite, rhetorisch schnell in Schwung geratende Akteure wie Joachim Meyerhoff und Wiebke Puls nur eines kleinen Anstoßes bedürfen, um loszulegen: Aus ihnen muss der Gesprächspartner nicht viel herauskitzeln, der Motor läuft von allein wie ein aus sich selbst rollendes Rad. Matthias Lilienthal offenbart seine Vorliebe fürs Improvisieren, hat aber sein Pulver nach etwa 20 Minuten verschossen und erzählt schließlich von seinen – eher uninteressanten - Erlebnissen als Theatermacher, auf die Wiebke Puls dann gezwungenermaßen eingeht. Maren Eggert äußert sich sehr zurückhaltend, fast introvertiert, als sei sie, ähnlich wie Jens Harzer, während des Reflektierens noch auf der Suche. Die DT-Schauspielerin will sich auf der Bühne nicht ausbreiten, nicht ihr wahres Ich zum Ausdruck bringen und hält einige Rollen für unspielbar, beispielsweise die vergewaltigte Frau in "Verbrennungen" (DT Berlin, Regie Tilmann Köhler).

 

Das Eigentliche ist das Ziel

Meyerhoff und Puls sind zwei Personen, die auf der Bühne nicht zur Ruhe kommen und ständig agieren wollen, im Unterschied zu Jens Harzer ("Figuren kommen mehr aus dem Schweigen, dem Geheimnis".) Alles Gesagte sind für ihn nur Annäherungen, und das Ziel sei das Eigentliche, also die Seele oder das Wesen des Menschen. Sandra Hüller, die das Interesse an scharf konturierten Figuren etwas verloren hat und deshalb die Arbeit mit René Pollesch schätzt, präferiert in letzter Zeit sprachärmere Texte und betrachtet das Theater als Labor, wo neue Erfindungen Eingang finden. Der Labor-Begriff passt insbesondere zu Signa Köstler, die mit ihrer Kunstinstallation bzw. Performance-Kunst die Zuschauer einbindet, ohne dass sie mitmachen müssen. Ihre rekrutierten Darsteller, Profis und Amateure, sollen fähig sein, mit allen Zuschauern umzugehen, sie sind sehr selbstständig und führen quasi Eigenregie. Die meisten Interviewpartner haben einen relativ hohen Kunstanspruch, Ulrich Matthes, der Ironie auf der Bühne ablehnt, verlangt es nach einer Intensivierung der Empathie und ringt mit professionellen Mitteln gegen die innere Einsamkeit. Die Selbstkritik jedoch haben die Befragten für andere Gelegenheiten aufgespart. Das Projekt liefert aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl – und dem Fehlen von mindestens einem Akteur der Freien Szene – keinen umfassenden Überblick, eher verschiedene Ausblicke. Trotzdem sind nicht wenige Äußerungen und Einschätzungen als repräsentativ einzustufen.

Spielweisen. Acting Methods

Gespräche mit Schauspielern.

Mit: Sepp Bierbichler, Edith Clever, Maren Eggert, Jens Harzer, Fabian Hinrichs, Sandra Hüller, Signa Köstler, Ulrich Matthes, Joachim Meyerhoff und Wiebke Puls.

Gesprächspartner: Yvonne Büdenhölzer, Matthias Dell, Sebastian Heindrichs, Nele Hertling, Peter Kümmel, Matthias Lilienthal, Hans-Dieter Schütt, Anika Steinhoff, Andres Veiel und Matthias Weigel.

Kurator: Ulrich Matthes
Projektleitung: Petra Kohse
Mitarbeit: Tanja Krüger

2 DVDs mit ausführlichem Booklet

Akademie der Künste, Berlin 2014

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