Spinnenseide - wie sie entsteht

Spinnen sind am Hinterleib mit beweglichen Spinnwarzen ausgestattet. In diesen Warzen sitzen so genannte ebenfalls bewegliche Spinnspulen, die jeweils mit einer Spinndrüsen verbunden sind. Durch die Spinnspulen sondert die Spinne ein Sekret ab, welches an der Luft sofort fest wird. Dieses sind die feinen Spinnfäden, also die Spinnseide. 
Baut eine Kreuzspinne ihr Netz, kann man die Arbeitsweise des ganzen Spinnapparates gut beobachten. Durch Spreizen und Zusammenlegen der Warzen und Spulen entsteht in einem Arbeitsgang ein dicker Netzfaden. Dieser ist nicht etwa massiv, sondern besteht wie ein Kabel aus so vielen Einzelsträngen wie Spinnspulen an der Herstellung beteiligt waren. Ein Sicherheitsfaden, an dem sich eine Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) herablässt, besteht aus 200 Einzelfäden.

Die Spinnfäden unterscheiden sich

Spinnen spinnen nicht nur eine Fadenart, sondern verschiedene. Dementsprechend sind die Spinndrüsen auch verschieden entwickelt. Im Hinterleib eines Kreuzspinnenweibches sind nicht weniger als sechs verschiedene Formen dieser Drüsen vorhanden. Alle liefern eine andere, spezielle Fadenqualität. Jede dieser Spinndrüsen ist mit einer speziellen Spule versehen, deren Durchmesser und Form der Öffnung wiederum den Durchmessers und den Querschnitt des Spinnfadens bestimmt. Da die einzelnen Fäden auch noch wie Kabel zusammengefasst werden können, entstehen so ganz verschiedenen Fadenarten mit natürlich verschiedenen Funktionen.

Woraus Spinnfäden bestehen

Ihrer chemischen Natur nach ist Spinnenseide eine komplizierte Eiweißverbindung. Sie besteht zu fast 100 Prozent aus Proteinen. Vergleicht man dies mit Nahrungsmitteln aus Eiweiß, stellt sich die Frage, warum die Seide nicht wie andere Eiweiße mit der Zeit verdirbt, warum sie nicht verschimmelt oder irgendwann durch Bakterien zersetzt wird? Die Natur hat hier Lösungen gefunden, die die Spinnseidenproteine haltbar machen. Es sind drei Stoffe, welche sie konservieren. Zunächst sorgt das Pyrrolidin durch seine wasseranziehende (hygroskopische) Kraft dafür, dass der Faden nicht austrocknet. Als zweites sorgt Kaliumhydrogenphosphat für ein saures Milieu, in dem sich Fäulnisbakterien und Schimmelpilze nicht entwickeln können. Und zuletzt bewirkt Kaliumnitrat, dass die Proteine in den sauren Milieu nicht ausflocken. 

Reißfestigkeit und Dehnbarkeit der Fäden

Schon 1890 verglichen Wissenschaftler die Fäden der Seidenspinne (Nephila madagascariensis) mit denen der Seidenraupe. Danach konnten die 0,007 bis 0,008 Millimeter dünnen Spinnenfäden mit bis zu 4 Gramm belastet werden, wobei sie sich um circa 22 Prozent dehnten. Der 0,011 Millimeter dünne Faden der Seidenraupe trug maximal 3,8 Gramm und dehnte sich um nur 13 Prozent. 

Spinnennetz in Türrahmen (Bild: Heike Nedo)

Um die Reißfestigkeit von Spinnweben anschaulich zu machen, muss man sich vorstellen, dass jedes Seil bei einer bestimmten Länge so schwer wird, dass es durch das eigene Gewicht zerreißt. Ein Spinnfaden hat eine Zerreißlänge von über 70 Kilometern! Ähnliche Reißfestigkeit kann man mit Glas erreichen, Stahl ist etwa halb so fest. Neben der Reißfestigkeit ist die Dehnbarkeit interessant. Stahl lässt sich um etwa 8 Prozent dehnen, Nylon um etwa 20 Prozent. Die Fäden in einem Netz der Kreuzspinne reißen erst bei einer Überdehnung von 30 bis 40 Prozent.

Kann man die Spinnennetze nutzen?

Kein Wunder, dass die Menschen versuchen, sich die faszinierenden Eigenschaften der Spinnenfäden nutzbar zu machen. Es ist bekannt, dass im 18. Und Anfang des 19. Jahrhunderts Handschuhe, Strümpfe und feine Geldbörsen aus Spinnenseide als Geschenke für hochgestellte Persönlichkeiten verwendet wurden. Zur gleichen Zeit verdrängten Spinnenfäden die damals genutzten und sehr feinen 0,028 Millimeter dünnen Silberfäden in der optischen Industrie. Sie wurden für Fadenkreuze oder Skalenstriche für Messinstrumente genutzt. Die weiter verbreitete Nutzung der Spinnenfäden gestaltet sich schwierig, da die Spinnenzucht sehr aufwändig ist. Die Tiere müssen einzeln gehalten werden, da sie Kannibalen sind, und benötigen ständig lebende Nahrung. Der Mensch nutzt aber teilweise Spinnennetze, die er in der freien Natur sammelt. So ist von einigen Bergbauern bekannt, dass sie Spinnennetze zum Verschluss von Wunden nutzen und an den indopazifischen Küsten gibt es Fischer, die mit Hilfe von Spinnennetzen kleine Fische fangen.

Quellen:

  • Spinnen – Stefan Heimer – Landbuchverlag
  • Urania Tierreich – Wirbellose Tiere 2 – Urania-Verlag
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