Spitzbergen – Skitouren im Land der Eisbären
78° Nord: Spitzbergen, Svalbard, die Inselgruppe mit steilen Schneegipfeln weit nördlich des Polarkreises: Eine Woche zum Skibergsteigen in der AtomfjellaMitternachtssonne auf dem Veteranbreen
Dann stehe ich draußen, zitternd noch von diesem grausigen Alptraum, das magische Licht der tiefstehenden Sonne kann mich heute Nacht gar nicht mehr begeistern. Könnte ich wirklich einen Bären töten? Wir sind hier die Eindringlinge, und nicht der Bär.
Kann es passieren, dass wir hier für das Vergnügen des Bergsteigens und der unberührten Pulverabfahrten einen viel zu hohen Preis bezahlen müssen?
Wenn man sich richtig verhält und den Tieren nicht nahe kommt, ist das wohl vermeidbar.
Normalerweise halten die Bären sich am Fjord auf, wo die Robben neben ihren Wasserlöchern liegen, und nicht hier, im Inland, auf dem Gletscher.
Trotzdem führen wir eine Waffe mit und spannen einen Bärenwarnzaun rund um unsere Zelte und halten reihum "Polar Bear Watch", während die Anderen in ihren Zelten schlafen.
Sehr viel mehr Eisbären als Einwohner leben auf der Inselgruppe weit nördlich des Polarkreises. Das Mitführen eines Gewehrs außerhalb der Siedlungen ist gesetzlich vorgeschrieben. Unser Guide muss den mehrere Kilogramm schweren Repetierer immer im Rucksack dabei haben.
Spitzbergen
Das Atomfjella Gebiet liegt ungefähr 180 Kilometer nördlich von Longyearbyen, der Hauptsiedlung von Spitzbergen. Zelte, Verpflegung und Skitourenausrüstung haben wir auf Motorschlitten hertransportiert und auf dem riesigen Veteranbreen ein Basislager aufgeschlagen. Viel Daunenzeugs gegen die Kälte habe ich dabei, natürlich auch Lawinenschaufel, Sonde und Pieps, - einzig die Stirnlampe hätte ich wirklich daheim lassen können! Es ist Ende April, und rund um die Uhr hell.
Meteorfjella
Und wir haben Glück, die Temperaturen sind gegenüber der Vorwoche um 15 Grad angestiegen. Da hat es hier noch zwischen minus zwanzig und minus dreißig gehabt!
Trotzdem friert über Nacht die Zahnbürste im Becher fest.
im Küchenzelt
Morgens gibt es im Küchenzelt ein sättigendes warmes Schokomüsli, und dann starten wir zu einem oder mehreren der umliegenden Gipfel. Die Nunatakker ragen aus dem mächtigen Eispanzer der Gletscher heraus, es ist ein besonderes Erlebnis, die erste Spur in den Pulverschnee der Bergflanken zu legen.
Irvinefjellet
Je nach Gusto (oder besser Können) kann man zwischen sehr steilen und gemäßigteren Abfahrten wählen.
Die Berge haben hier so klingende Namen wie "Mallorytoppen" oder "Irvinefjellet" in Erinnerung an die beiden berühmten Bergsteiger, die vor über 80 Jahren beinahe als erste auf dem Mount Everest standen.
Jeffreystoppen Panorama
Das Wetter kann innerhalb weniger Minuten umschlagen und dichter Nebel zieht über Plutofjellet und Neptuntoppen auf. Doch wir haben Glück, genauso schnell wie es zugezogen ist, reißt es wieder auf.
Leicht, sanft und lautlos fallen winzige Eiskristalle aus blauem Himmel auf uns herab, und der Wind ist wieder eingeschlafen.
auf dem Weg zum LaPlacefjellet
Die Stille und Einsamkeit um uns ist unvergleichbar. In den Alpen ist immer etwas zu hören, und wenn es nur das entfernte Brummen eines Flugzeugs ist, das am Himmel auch noch seinen Kondensstreifen hinterlässt. Und hier: Nichts.
Gipfelwechte
Sich selbst kann man wieder atmen hören. Besonders natürlich, wenn es steil über die Gipfelwechte hinaufgeht.
am Grat
Die Abfahrten im Pulverschnee sind ein Traum, und unsere beiden Splitboarder ziehen hier die besten Lines! Nur bei den langen flachen Gletscherquerungen zurück zum Zeltplatz haben sie etwas mehr Mühe als wir Skifahrer.
Es tut fast weh, in diese unberührte Landschaft Linien zu zeichnen. Aber nach dem nächsten Schneefall ist ja alles wieder wie neu!
Powder
Die Sonne steht tief, als wir zum Zeltlager zurückkommen, - untergehen wird sie nicht.
zurück zum Camp
In den Tagen, die wir hier sind, ist es noch wärmer geworden und die Sonne hat an Kraft zugelegt. Die Luft flimmert über dem Gletscher, beinahe wie eine Fata Morgana wandern die Anderen vor mir in der Ferne dahin.
Fata Morgana?
Der letzte Skitag in der Atomfjella wird besonders schön. Die Berge sehen ganz anders aus um den Vesterfjellet herum, die Felsen sind vielfarbig und schroff.
Vesterfjellet - am Grat
Wie der Rücken eines Belugawals zieht sich der Gipfelgrat, auf dem wir nach Süden stapfen, um die schönste Abfahrtsmöglichkeit zu finden.
auf dem Beluga
Durch ein steiles Couloir stauben wir hinab zum Gletscher. Das ist die Krönung einer etwas anderen Skitourenwoche.
Am nächsten Tag wird das Camp abgebaut und es geht mit den Skootern zurück in die Zivilisation.
der Schoner Noorderlicht
Auf dem Tempelfjord kommen wir an dem festgefrorenen Schoner "Noorderlicht" vorbei, der hier im Winter ein Stützpunkt für Abenteurer ist. Dunkle Flecken liegen in Abständen auf dem Eis, und wenn wir näher vorbeifahren, taucht die eine oder andere Robbe lautlos in ihr Wasserloch hinab.
Zurück in Longyearbyen will ich dann einen Besuch des Museums nicht versäumen. Dort nämlich kann man ihn ganz nah sehen, fast berühren, und sich wundern, wie riesig er doch ist. Der Eisbär.
- vielen Dank an poliarctici.com und unseren Bergführer - Guide Giovanni Poli!