Weniger streng als Chinas Ein-Kind-Politik

Im Jahr 2149 steht die Erde vor dem völligen Kollaps. Durch die massive Überbevölkerung wurde der Raubbau an Mutter Natur in einem Maße betrieben, der das gesamte Leben auf dem Planeten gefährdet. Um zumindest der Überbevölkerung Herr zu werden, darf keine Familie mehr als zwei Kinder haben. Dummerweise verstoßen Jim (Jason O'Mara) und Elisabeth Shannon (Shelley Conn) gegen das streng kontrollierte Gesetz und ziehen ein drittes Kind auf. Eines unschönen Tages werden sie erwischt und Vater Jim wandert ins Gefängnis.

Zwei Jahre später werden Elisabeth Shannon und ihre "legalen" Kinder Josh (Landon Liboiron) und Maddy (Naomi Scott) auserwählt, ein neues Leben in der Erdvergangenheit zu beginnen. Ein mysteriöser Riss in der Zeit hat ein Tor geöffnet, das 85 Millionen Jahre zurück führt. Jim ist freilich nicht gewillt, seine Familie im Stich zu lassen, bricht aus dem Gefängnis aus und schmuggelt sowohl sich, als auch seine "illegale" Tochter Zoe durchs Zeitportal. Dort angekommen werden sie von Commander Nathaniel Taylor (Stehen Lang) in einem provisorischen Lager begrüßt, das die Menschen vor den Dinosauriern beschützt.

Umweltverschmutzung oder Überbevölkerung sind in dieser unberührten Welt natürlich unbekannt. Dennoch lauern allerlei Gefahren

Die Pilotfolge von "Terra Nova"

Lange hatten Science-Fiction-Fans auf diese Serie gewartet, ehe sie am 26. September 2011 mit einer Pilotfolge auf dem TV-Kanal Fox startete. Von Beginn weg waren die Kritiken ebenso wenig schmeichelhaft, wie sich das Zuschauerinteresse so groß wie erhofft zeigte. Trotz des für eine TV-Serie üppigen Budgets von 14 Millionen Dollar für die rund 90-minütige Pilotfolge und Steven Spielberg als Co-Produzenten, vermochte "Terra Nova" die hohen Erwartungen nicht ansatzweise zu erfüllen.

Dabei hätte alleine die Prämisse Stoff für eine ungewöhnliche, aufregende Serie geboten. Ganz normale Menschen entscheiden sich, die Erdvergangenheit zu besiedeln, so wie europäische Auswanderer vor Jahrhunderten ihnen völlig unbekannte Welten jenseits der Ozeane kolonisierten. Wer hier nicht Potenzial für höchst spannende Konflikte, Action und pure Dramatik erkennt, hat das Science-Fiction-Genre nicht verstanden. Freilich könnte man eben dies den Produzenten vorwerfen. Denn "Terra Nova" entpuppt sich leider von der ersten Sekunde weg als veritabler Totalflop.

 

Botschaften, subtil wie ein Vorschlaghammer

Bereits die Texteinblendungen zu Beginn der Pilotfolge lassen Schlimmstes befürchten. Während manche zweistündige Filme aus Zeitgründen tatsächlich auf derlei Erklärungen der Vorgeschichte zurückgreifen müssen, wirkt dies bei einer TV-Serie geradezu paradox. Das in der Literatur ungeschriebene Gesetz des "Show, don't tell" sollte gerade in einem visuellen Medium gelten. Wer angesichts der Mitwirkung von Steven Spielberg allerlei im Fluss der Serie vermittelten Botschaften erwartet, wird nicht enttäuscht: Unablässig werden Umweltzerstörung, Egoismus und Unmenschlichkeit angeprangert. Daran wäre nichts einzuwenden, erfolgte die Vermittlung dieser Botschaften nicht mit dem Vorschlaghammer, der zuverlässig alle paar Minuten auf den Zuschauer einschlägt. Diese redundante Penetranz dürfte selbst überzeugte Umweltaktivisten nerven.

 

We are family!

Nachdem der Zuschauer im Prolog erfuhr, wie zerstörerisch und böse doch der Mensch sei, schlägt er den richtungweisenden Pfad ein: Weg von simpler dystopischer Science Fiction, hin zur Familienserie! Mustergültig besteht diese Familie neben den ansehnlichen Eltern aus einem rebellischen Teenie-Sohn, einer charakterlich an Lisa Simpson gemahnenden Teenie-Tochter, die ihre Klugheit ständig raushängen lässt, anstatt ihre Attraktivität in den Mittelpunkt zu stellen, wie es sich für eine junge Frau doch geziemte, sowie der süßen kleinen Tochter. Nur der Hund fehlt zur Vervollkommnung der Idylls - eventuell, so die Vermutung des Artikelschreibers, adoptieren die Kinder in späterer Folge einen niedlichen, kleinen Dinosaurier. Überraschen sollte es nicht, folgt doch die Serie so ziemlich allen Klischees von Soap Operas und Familienserien.

 

Zurück in die Gegenwart

Steven Spielberg, Produzent von "Jurassic Park"Eigentlich sollte der Zuschauer annehmen, dass das Mysterium rund um das Zeitportal und später die Ankunft in der Erdvergangenheit im Zentrum des Plots stehen sollten. Tatsächlich werden die Reise in die Vergangenheit, die Ankunft und das Einleben in die neue Welt mit einer Beiläufigkeit geschildert, als würden die Shannons lediglich aus den USA nach Mexiko emigrieren. In keiner Phase der Pilotfolge wähnt man sich in der Erdvergangenheit. Lässt man etwa den höheren Sauerstoffgehalt in der damaligen Atmosphäre beiseite, der zumindest anfangs den Siedlern Probleme bereiten müsste, weichen die Landschaften in keiner Weise von der Gegenwart ab. Anstatt der damals vorherrschenden Nadelbäume und riesigen Baumfarne prägen Laubwälder das gezeichnete Bild. Ungemein steril und absurd sauber mutet die Szenerie an. Keine Tierkadaver, keine Schwärme an Ungeziefer, kristallklares Wasser, keine von den Sauropoden umgeknickten Bäume oder riesigen Kothaufen. "Terra Nova" wurde in Australien produziert - und dies merkt man der Serie auch an und wird ebenso von den Darstellern reflektiert: Zum Staunen lädt hier rein gar nichts ein. Diese ferne Erdvergangenheit ist so exotisch wie ein Club-Med-Urlaub.

Wer hofft, das Szenario der Serie würde sich als Abenteuerspielplatz für begabte Setdesigner entpuppen, wird rasch enttäuscht. Die Welt des Jahres 2147 wirkt wie eine dürftige "Blade Runner"-Nachbildung im Stile eines Computerspiels, Kostüme und Waffen entsprechen konventionellen Standards und beim blau-gelben Siedler-Camp ertappt sich der Zuschauer dabei, nach dem IKEA-Logo zu spähen (Modell "TV-Klischee", fünftausend Plastikeinzelteile, Vorsicht: Zerbrechlich!).

Schussfeste Dinosaurier

Wie bereits erwähnt stehen die Dinosaurier nicht im Zentrum des Plots. Bizarrerweise erreichen die Animationen nicht ansatzweise die Qualität des fast 20 Jahre alten "Jurassic Park". Überhaupt enttäuscht die CGI gänzlich und bewegt sich auf dem Niveau eines B-Movies aus den 1990ern.

Dramaturgisch folgt "Terra Nova" den altbekannten Pfaden jeder Familienserie. Bei der Ankunft werden die "Neuen" erst einmal kritisch beäugt, schließen aber rasch Freundschaften und lernen ihre künftigen Love Interests kennen. Individualität ist hierbei nicht gefragt: Wer dazugehören will, muss sich in die Gemeinschaft eingliedern, die wie gewohnt hierarchisch strukturiert ist und in der jeder "seinen" Platz einnimmt. Die schmerzt zwar nicht beim zusehen, langweilt aber. Denn all das hat man tausendmal zuvor in ähnlichen Serien bereits gesehen (und gehört). Folglich gerät der rebellische Teenie-Sohn in Gefahr, weil er auf seine Eltern nicht hören wollte. Anstatt von den angreifenden Dinosauriern gefressen zu werden, was durchaus originell gewesen wäre, wird er von seinem Vater gerettet. Problem gelöst, Vater-Sohn-Konflikt auf idyllische Weise beigelegt. So weit, so klischeehaft.

Apropos Dinosaurier: Offenbar verfügen diese über Panzerungen. Denn selbst massiver Beschuss ringt ihnen höchstens ein wütendes Fauchen und gegebenenfalls die Flucht ab. Selbst wenn die Urzeitriesen überzeugender animiert wären, würden sie für keinerlei Spannung sorgen. Ab und an tauchen sie auf, brüllen herum und hauen wieder ab, nachdem sie beschossen wurden. Fast erregt dies den Anschein, als würde ihre Existenz lediglich als lästige Pflichtaufgabe seitens der Produzenten betrachtet.

 

Durchs Plotloch gefallen

Ablenkung von den öden und vorhersehbaren Klischeeabfolgen und den teils unterirdisch schlechten Special Effects (die Bluescreen-Szenen sind stets glasklar als solche erkennbar) bietet lediglich das Aufspüren der Plotholes. Wobei man diese eigentlich nicht erst langwierig aufspüren muss, da sie jederzeit klar ersichtlich sind. Beispielsweise bricht der Familienvater mühelos aus einem angeblichen Hochsicherheitstrakt aus, mischt sich unerkannt unter die Siedler und transportiert seine "illegale" dritte Tochter, deren Verbleib in den Jahren seiner Haft ungeklärt bleibt, mit in die Vergangenheit. Wohlgemerkt: Die Zeitreise darf nur von ausgesuchten Menschen angetreten werden und erfolgt unter "strengen" Sicherheitsmaßnahmen. Woher die Wissenschaft überhaupt weiß, dass das Portal 85 Millionen Jahre in die Vergangenheit führt, ist ebenso unklar. Denn niemand, der durchs Portal trat, ist je zurückgekommen. Was wiederum die Frage aufwirft, woher man weiß, dass die Reise nicht etwa in einem Schwarzen Loch oder im Schlot eines Vulkans endet. Und welchen Nutzen hat das Mitführen von Waffen, wenn diese gegen Dinosaurier ohnehin nichts auszurichten vermögen? Weshalb, außer der Dramaturgie wegen, laufen Teenager völlig ungeschützt in Gegenden herum, in denen Carnivoren lauern?

Wollte man die Plotlöcher allesamt aufzählen, würde man vermutlich länger als 85 Millionen Jahre benötigen.

 

"Terra Nova": Das Grauen, das Grauen!

Muss man den Produzenten Absicht unterstellen, ihr eigenes Produkt dermaßen verhunzt zu haben? Anders lässt sich das millionenschwere TV-Debakel kaum erklären. Grottenschlechte Tricktechnik, Dramaturgie und Dialoge aus der Fernsehsteinzeit, Plotlöcher, die die Handlungen wie Emmentaler Käse aushöhlen, billiges Setdesign. Selten zuvor wurde eine aufregend klingende Plotprämisse uninspirierter und schludriger umgesetzt. Kumbuya-Folklore in der Kreidezeit mag sehr wichtige Botschaften enthalten - das vornehmliche Motiv für den Konsum von Science-Fiction-Serien bildet aber nach wie vor das Interesse an spannender Unterhaltung, was "Terra Nova" in keiner Weise erfüllt. Als pädagogische Maßnahme - "wenn du nicht brav bist, musst du dir "Terra Nova" anschauen" - sowie rezeptfreies Schlafmittel taugt die Serie immerhin doch.

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