Straßentheater auf öffentlichen Plätzen: Theater Gajes

Das wohl bekannteste Straßentheater der Welt ist Fura del Baus, die mit ihrer spektakulären Produktion für die Olympischen Spiele in Barcelona 1992 weltberühmt wurden.

Eine lange Tradition hat auch das Theater Gajes, das 1985 gegründet wurde, damals noch mit nur zwei Mitgliedern. Heute gehören fünfzehn Schauspieler-Akrobaten, Musiker, Designer und Techniker zum Ensemble. (Gajes bedeutet laut Online-Übersetzungstool Babylon "Pack", im übertragenen Sinn "Gesindel"... Übrigens wird der Name "Gajes" wie "Chajes" ausgesprochen, das -ch- wie in "Bach".)

Theater Gajes: Don Quixote zieht auf Rosinante in die Welt (Bild: Vera Kriebel, 3.9.2011)

Clowneske Gaukelei auf Stelzen

Wie immer beim Straßentheater spielen hier leise Töne und sparsamer Ausdruck keine Rolle - es sind die großen Gesten und Gefühle, das Feuer, die farbigen Lichter, die Explosionen, die Gaukeleien, clowneske Albernheiten, bizarr-komische Einfälle wie zum Beispiel die Ritterrüstung aus alten Büchern bei "Don Quixote", akrobatische Kunststücke, plötzliche Ausbrüche von Licht und Bewegung und natürlich auch die Einbeziehung des Publikums, die die Produktionen des Theater Gajes kennzeichnen. Die Bühne, auf der sich alles abspielt, ist der öffentliche Platz mit den Zuschauern, im Regelfall auf allen Seiten begrenzt durch Gerüste, die gleichzeitig als Spielorte dienen (siehe Foto). Inmitten des Publikums spielt sich die Handlung ab, das wird hin- und hergeschoben, in die Handlung aufgenommen und zu einem Akteur des Schauspiels.

Beim Theater Gajes spielt sich viel auf Stelzen ab, ganz nah und doch ganz oben staksen die Darsteller durch das Publikum. Andere Spielorte sind hohe Bühnenaufbauten oder mobile Gerüste (siehe Foto: Don Quixote auf der Rosinante) - die Szenen ereignen sich über den Köpfen der Zuschauer, was auch den Vorteil hat, dass jeder eine gute Sicht hat. Ganz nebenbei sind es aber auch akrobatische Höchstleistungen, die hier dargeboten werden!

Theater Gajes: Fulminantes Straßentheater

Theater Gajes auf dem Micro-Festival in Dortmund 2011 (Bild: Vera Kriebel, 3.9.2011)

Bestes Straßentheater: "Don Quixote" vom Theater Gajes, Niederlande - ... und einer zuckersüßen deutschen Sprache

2008 bis 2011 zog das Theater Gajes mit "Don Quixote" durch die Welt, im Sommer auch bei vielen deutschen Stadtfesten. Die Geschichte nach dem weltberühmten Klassiker von Miguel de Cervantes Saavedra wird aber schon anfangs an einer entscheidenden Stelle abgeändert (und da Don Quixote nicht mehr aufgeführt wird, kann man hier ruhig weiterlesen, ohne sich die Überraschungsmomente zu verderben): Der Knappe Sancho ist nämlich eine Knappin Sancha, und das ändert die Geschichte ganz gewaltig. Nach einer Menge Abenteuer ist der Schluss der einer klassichen Lovestory: Im Todeskampf des wirren Ritters erkennen Don Quixote und Sancha, dass sie sich lieben... 

"Don Quixote" wird inszeniert, wie sich dies für ein barockes Drama (und für Straßentheater überhaupt) gehört - mit Pomp, Hollywood-reifen Kampfszenen, übertriebenen Gesten, pendelnd zwischen Tragödie und Komödie, mit Fackeln und theatralischer Musik … Riesige Figuren, darunter natürlich die bekannte Windmühle und eine Rosinante, die nur noch ein gigantisches Gerippe ist, bewegen sich durch und über das Publikum hinweg.

Mitspieler, die teilweise auch nicht menschlicher Natur sind, und Requisitenträger, wichtiger sind als man denkt, denn sie bauen zum Beispiel mit drei hochgehaltenen Tischchen eien Kneipenatmosphäre auf, scheinen von überall her zu kommen - kaum zu glauben, dass das alles nur 15 Mitglieder sein sollen, die alle Schauspiel-Rollen übernehmen, Regie führen, Technik regeln, musizieren und so weiter.

Actionreiche Kampfszenen mit urtümlichem Triumphgeschrei und Freudentaumel wechseln mit zarten Momenten des Innehaltens. Ein theatralisch-orchestrales Musikpotpurri aus eingängigen Melodien, gespielt vom kleinen Ensemble aus Cello, Akkordion und Violine, jammert und weint und jault dazu.

In Deutschland macht der niederländische Akzent, mit dem Dialoge und Rahmenerzählung gesprochen werden, das Stück besonders, macht die sprechenden Hauptdarsteller zu einem "echte hollandische Jung" oder eine "echte holandische Meetche" und jeden Satz zu einem zuckersüßen "Leckerche", so dass selbst die härtesten Kämpfe oder traurigsten Szenen nicht mehr ganz ernst genommen werden können.

In all dem Gewühl schwankt auch der (insbesondere kleine) Zuschauer zwischen Erschrecken, Staunen, Nervenkitzel, Begeisterung, Grauen, Trauer und Freude, Weinen und Lachen.

Da der Hauptdarsteller, Arjan Bouw, das Theater Gajes verlässt, wird es ab 2012 eine neue Produktion geben - etwas zu Baustellen in der Stadt, wie informierte Kreise verlauten lassen.

Informationen zu Dortmunder Micro!Festival und "Don Quixote"

Informationen zum Micro!Festival in Dortmund

Das Micro!Festival findet immer am letzten Ferienwochenende in Dortmund statt. 2011 ist dies Freitag, Samstag, Sonntag, 2. bis 4. September. Alle Events finden auf dem Friedensplatz statt (Programmflyer).

Informationen zu "Don Quixote" vom Theater Gajes beim Microfestival, Dortmund, 3.9.2011

Don Quixote ist eine Produktion von Theater Gajes, in Ko-Produktion mit dem Festival Deventer op Stelten, Deventer (NL) und La Paperie, Angers (FR), unterstützt von der Gemeente Deventer, dem Prins Bernhard Cultuurfonds, dem VSB Fonds und der Auping Foundation. Informationen zum Theater Gajes, offizielles Youtube-Video zum Einstimmen.

Beim Microfestival in Dortmund wird Don Quixote am Samstagabend, 3. September 2011, ab 22:00 Uhr gespielt.

Microfestival Dortmund, 2./4.9.2011 (Bild: Vera Kriebel, 23.8.2011)

Ad Nazidemo: Findet das Microfestival statt?

Wichtig war angesichts der vom 2.-4.9.2011 angekündigten Nazidemos, den Gegendemonstrationen und der vielen angekündigten Sperrungen noch die Frage: Findet das Microfestival überhaupt statt? Die Antwort der Organisatoren auf Nachfrage am Freitag, 2.9.2011, ist ein ganz klares "Ja"! Das Festival findet wie geplant statt: "Wir lassen uns von den Nazis nicht das Microfestival verderben!"

Und der jenige, der sich dann mutig in die Innenstadt aufmachte, die laut Medienberichten komplett abgeriegelt und menschenleer sein sollte, musste verwundert feststellen, dass dort am Abend alles nach einem schönen, laufen Sommerabend aussah, nicht nach Kriegszustand. Das Micro-Festival fand daher tatsächlich wie geplant statt.

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