Fortsetzung eines Kultfilms

Als 1982 der von den Disney-Studios produzierte Science-Fiction-Film "TRON" in den Kinos anlief, waren Publikum und Kritik verwirrt: Was, bitteschön, sollte das denn sein? Im Jahr von "E.T. – Der Außerirdische" konnte kaum jemand etwas mit der gleichermaßen quietschbunten, wie auch düsteren Vorwegnahme der Cyberspace-Thematik etwas anfangen. Der aufwändig inszenierte Streifen verschwand rasch wieder aus den Kinos, erlangte aber in den folgenden Jahren Kultstatus.

Bereits in den 1990er-Jahren kursierten Gerüchte über ein Remake des inzwischen als Klassiker akzeptierten Beinahe-Flops. Doch erst 2010 war es endlich soweit: Der bislang wenig regieerfahrene Joseph Kosinski durfte rund 200 Millionen Dollar für eine Fortsetzung verbraten. Das Ergebnis in Form von "TRON Legacy" ist gleichermaßen überraschend, wie auch enttäuschend.

Fortsetzung eines Kultfilms
Trailer zu "TRON LEGACY" auf Deutsch (HD)

Der Plot

Gladiatorenkämpfe im Cyberspace

20 Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden seines Vaters (Jeff Bridges) befindet sich Sam Flynn (Garrett Hedlund) im Untergrundkampf gegen den einst von seinem Vater gegründeten Softwarekonzern Encom. Der inzwischen 27-jährige Sam wünscht sich nichts sehnlicher, als die Ideale seines liberalen Vaters in dem mächtigen Unternehmen wiederherstellen zu können, wird aber wie ein gemeiner Verbrecher verfolgt und behandelt. Eher zufällig stolpert er in einer ehemaligen Spielhalle auf jenen Computer seines Vaters, der ihn Jahrzehnte zuvor in den Cyberspace gebeamt hatte, wo er aufregende Abenteuer erlebte.

 

Nachdem er gefährliche Gladiatorenkämpfe überstanden hat, findet Sam seinen Vater im Cyberspace wieder. Zwar freut sich dieser über das Wiedersehen mit dem Sprössling, wird aber von schlimmen Sorgen geplagt. Die Computerwelt hat sich drastisch verändert, seit er mit Clu (Jeff Bridges) ein Alter Ego geschaffen hat, welches sich gegen seinen Schöpfer wandte und zudem Tron (Bruce Boxleitner) mit einem Virus infizierte und somit auf seine Seite zog. Seither kann er nur noch auf die treuen Dienste der hübschen Quorra (Olivia Wilde) im Kampf gegen den vom Perfektionswahn besessenen Clu zählen. Ein schier aussichtsloses Unterfangen, zumal sich Clu im Besitz des Schlüssels befindet, der den Cyberspace mit der realen Welt verbindet und finstere Pläne schmiedet …

Kritik: Tron Legacy

TRON im Wandel der Zeit

An Remakes angegrauter Filme ist man längst gewöhnt. Nicht so an Fortsetzungen von Filmen, die Jahrzehnte zuvor im Kino liefen. 2008 spalteten George Lucas und Steven Spielberg mit "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" das Publikum: War es wirklich eine gute Idee, knapp zwanzig Jahre nach dem dritten Teil einen vierten zu drehen?

Joseph Kosinski geht noch ein paar Schritte weiter: Nicht weniger als 28 (!) Jahre nach "TRON" inszenierte er sein Leinwanddebüt "TRON Legacy" - natürlich zeitgemäß in 3D. Doch während etwa die "Indiana Jones"-Filme nur wenig Konkurrenz erfuhren, hat sich gerade das Science-Fiction-Genre enorm gewandelt. Und nicht nur das: Auch das Publikum ist ein gänzlich anderes! 1982 besaß noch kaum jemand einen eigenen Computer bzw. konnte mit der Computerterminologie etwas anfangen. Inzwischen besitzen viele Haushalte mehrere Computer und selbst ältere Generationen surfen wie selbstverständlich im Internet.

 

Ins rechte Neonlicht gerücktes Spektakel

Als umso erstaunlicher und überraschender entpuppt sich "TRON Legacy" im ersten Filmakt. Nach der kurzen und schmerzlosen Einführung des Protagonisten und seiner Motive legt der Streifen so richtig los, ohne seine Wurzeln zu verleugnen. Fans des ersten Teils werden von einem Deja-vu-Erlebnis zum nächsten gejagt. Den düsteren Cyberspace erhellen lediglich futuristische Gebäude, Fahrzeuge und die Bewohner. Allesamt in grellen Neonfarben die Schwärze ausleuchtend. Dabei blieb das Design der Kleidung und vieler Fahrzeuge dem 1982er-Look erstaunlich treu.

Natürlich wurden die Effekte gewaltig verbessert und es kamen neue hinzu, die drei Jahrzehnte vorher nicht realisierbar gewesen wären. Trotzdem konterkariert "TRON Legacy" seinen technisch betagten Vorgänger nicht, sondern übernimmt dessen Stärken und entwickelt sie weiter. Weder auf die Disc-Kämpfe, noch auf die ikonischen Motorradrennen müssen "Tron"-Fans verzichten. Tatsächlich streicht Kosinski die Bedeutung dieser in die Pop-Kultur tradierten Filmszenen noch heraus und fügt ihnen dank 3D buchstäblich eine weitere Dimension hinzu.

Visuell stellt "TRON Legacy" ein schlicht atemberaubendes Spektakel dar, wenngleich es weniger die Effekte selbst, als vielmehr die stilistischen Mittel sind, die zum Staunen anregen. Die surrealen Elemente verleihen dem Werk jene Einzigartigkeit, welche bereits "TRON" zum Kultfilm avancieren ließ. Eine clevere Entscheidung wenn es darum geht, die Andersartigkeit herauszustreichen. Schließlich führt sich die bloße Effektehascherei Jahr für Jahr erneut ad absurdum, indem jeder Mega-Blockbuster bestrebt ist, noch gewaltigere Tricks auf die Leinwand zu zaubern. Gleich dem ebenfalls 1982 produzierten "Blade Runner" erlangte "TRON" aber gerade durch seine zeitlose, optische Eleganz seinen Kultstatus.

Olivia Wilde: Handzahmer Aufputz

Leider hält das Drehbuch mit den phantastischen Effekten nicht Schritt. Ein ums andere Mal werden mehr oder weniger ernsthafte Fragen aufgeworfen, deren Antwort der Film schuldig bleibt. Unter der glänzenden Oberfläche verbirgt sich der altbekannte Kampf Gut gegen Böse, der im Cyberspace, statt im Stadtdschungel oder auf einem fremden Planeten ausgetragen wird. Für nachdenklich stimmende Einschübe ist da kein Platz, weshalb sich das Spektakel als bieder und konservativ outet, sobald etwas Ruhe im Effektegewitter eintritt. Hübsch bürgerlich wird auch im Cyberspace am Tisch gespeist und nicht mit vollem Mund geredet. Da kann Quorra höchstens verstohlene Blicke gen Sam riskieren. Eine seltsame Ambivalenz zu ihrem mutigen Charakter, der sich offenbar doch nur nach einer männlichen Brust sehnt, an die sich das optisch tadellos programmierte Figürchen schmiegen kann.

Entsprechend steril agieren die meisten Darsteller. Nur der bereits in "TRON" mitwirkende Jeff Bridges vermag seinem Protagonisten ein wenig Leben einzuhauchen. Der Rest der Schauspielerriege dient lediglich der optischen Vervollständigung, allen voran natürlich Olivia Wilde, bekannt aus der TV-Serie "Dr. House" oder der Komödie "The Girl Next Door", die eine überzeugende Action-Heroine abgibt. In den schauspielerische Fähigkeiten verlangenden Szenen fehlen aber doch so einige Bits und Bytes.

 

Daft Punk: Die Kraft des Retropop!

Geschmackssache ist natürlich der Soundtrack von "Daft Punk". Bis auf wenige Ausreißer fügen sich die Klangteppiche des französischen Duos nahtlos in die oft abstrakten Bilderwelten ein. Der Synthie-Retropop des von ihnen komponierten "TRON Legacy"-Soundtrack schlägt eine erstaunlich tragfähige Brücke zwischen 1980er-Kultur und moderner Techno-Ästhetik.

 

"TRON Legacy": Kein Vermächtnis für die Ewigkeit

Alles in allem hinterlässt "TRON Legacy" einen zwiespältigen Eindruck. Visuell überzeugt der Film auf ganzer Linie, vor allem dann, wenn er vom wuchtigen "Duft Punk"-Score untermalt wird. Doch die storytechnischen Schwächen und teils schwache Darstellerleistungen trüben den Spaß gehörig. Der Kultstatus von "TRON" wird Joseph Kosinskis Fortsetzung wohl verweigert bleiben und sich sein Machwerk eher in die Kategorie "Kurios" einreihen.

Fans des ersten Teils sowie an exzentrischer Ästhetik Interessierte werden von "TRON Legacy" zwar kaum begeistert sein, dürfen ihren Augen und Ohren aber zwei Stunden Festschmaus servieren. Was immerhin bedeutend mehr ist, als man etwa vom gnadenlos enttäuschenden "Resident Evil: Afterlife" behaupten könnte.

Daten & Fakten

Originaltitel: "TRON Legacy"

Regie: Joseph Kosinski

Produktionsland und -jahr: USA, 2010

Filmlänge: ca. 127 Minuten

Verleih: Walt Disney

Deutscher Kinostart: 27. Januar 2011

FSK: ab 12 Jahren

Offizielle Website: www.disney.de/tron

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