Wie mir und meiner Familie geht es Vielen, deren Angehörige ohne Vorwarnung aus dem Leben gerissen werden.
Doch macht es den Abschied leichter, wenn die betreffende Person krank ist und man weiß, dass sie nicht mehr lange zu leben hat? Kann man sich wirklich besser auf den bevorstehenden Tod vorbereiten?
Gewiss kann man sich mit der sterbenden Person und dem Thema Tod auseinandersetzen. Und sicher fällt es einem leichter, den Tod zu akzeptieren, wenn dadurch das Leiden des Menschen ein Ende hat.
Jedoch weh tut es, so oder so. Als Hinterbliebener beginnt ein langer Prozess des Trauerns. Bis man den Boden wieder unter den Füssen spürt, vergehen Wochen.

 

Doch was kann man gegen seine Trauer tun?

Die Trauer äußert sich bei jedem Menschen anders. Es ist schier unmöglich, über sie die Kontrolle zu haben. Man denkt, heute geht's mir besser. Und zack! Ein paar Minuten später öffnet sich das schwarze Loch wieder und bringt die Trauer erneut an die Oberfläche.
Für mich war es in der schwersten Zeit besonders wichtig, mit meinen nächsten Familienmitgliedern darüber zu reden. Oft saßen wir auch einfach nur da, umarmten uns und weinten. Aber es hat im Innern das gelöst, was sich bei der Todesnachricht in die Magengrube gebohrt hatte. Dieser erbarmungslose Druck, der mir schier die Luft zum Atmen nahm.

Nebst der Familie finde ich den Rückhalt aus dem sozialen Umfeld von Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen als wichtig. Denn auch sie können dem Trauernden Stabilität geben und ihm durch Zuhören helfen, wieder in den Alltag zurückzufinden.
Jedoch gibt es auch Menschen, die unsicher sind, wie sie mit Trauernden umgehen sollen. Ich habe ein paar Mal erfahren, dass mir die Menschen ausgewichen sind. Denn Kontakt einstellten. Ich empfand das als schlimm. Oft hatte ich mir gewünscht, dass mich eine Person stillschweigend in den Arm nimmt oder einfach nur sagt "Hey, es tut mir leid".
Bestimmt ist es die Unsicherheit, ob man sich dem Trauernden gegenüber richtig verhält. Meist bedarf es nicht vieler Worte. Sondern nur die Gewissheit, dass man nicht allein ist mit seiner Traurigkeit und dass das Umfeld Verständnis dafür aufbringt.

Mit der Zeit habe ich für mich ein kleines Ritual gefunden, mit dem ich mich meinem Vater nahe fühle.
Jeden Abend, wenn ich ins Bett gehe, nehme ich seine Bernsteinkette mit, die er bis zu seinem Tod trug, und nehme sie fest in meine Hände. Ich fühle mich meinem Vater dann so nah, wie es ein Blick auf das Foto von ihm nie schaffen würde. Dann rede ich ein Weilchen mit ihm. Erzähle ihm von meinem Tag, von den Erlebnissen, die ich als Kind mit ihm und Mutter hatte, und nehme dieses Gefühl der Geborgenheit mit in den Schlaf.

Durch den Tod meines Vaters habe ich auch die Verbindung zu Gott und der Spiritualität wieder stärker gespürt. Diese Verbundenheit gibt mir auch heute noch Kraft und Lebensmut. Sie ist ein fester Bestandteil in meinem Alltag geworden. Ich nehme heute die einzelnen Tage bewusster wahr, bin dankbar für jeden Tag, den ich erleben darf und weiß, dass ich nicht allein bin. Natürlich ist meine Trauer immer noch präsent. Aber sie ist nicht mehr so stark und ich lasse sie nach wie vor zu. Denn ich habe gelernt, welches meine Eckpfeiler sind, die mir in diesem Moment Trost und Kraft geben.
Mit Demut bin ich dankbar für die gemeinsame Zeit, die ich mit meinem Vater verbringen konnte. Diese Dankbarkeit wird mir für den Rest meines Lebens mein Herz erwärmen und erfreuen.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Text Menschen etwas Mut machen kann, die ebenfalls um einen geliebten Menschen trauern. Schämt Euch nicht eurer Tränen und der Traurigkeit. Lasst sie zu, denn sie sind ein Teil des Loslassens und kleine Schritte, für ein Leben nach der Trauerzeit.
All jenen, die gerade in dieser Phase oder sonst in einer schwierigen Situation sind, sende ich eine liebevolle Umarmung.

 

 

 

 

 

 

tumisu/pixabay

 

 

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