Einen Star zu sehr anhimmeln

Ich habe länger gebraucht mir einzugestehen, dass ich in einen Star verliebt war. Zwar war mir irgendwie schon immer klar, dass ich einen Schuss weg hatte. Trotzdem hielt ich mich für eine rational denkende und gebildete Frau, der so etwas nicht passiert und die es schafft, da emotional Abstand zu halten.

Leider war die Anhimmelphase aber schon zu einer richtigen Verliebtheit geworden. Sogar meine Freunde stellten diese positive Veränderung an mir fest. Ich führte schon längst eine aufregende Phantasiebeziehung, natürlich mit allem drum und dran. Das Material für meine opulenten Phantasiereisen lieferten mir Interviews mit ihm, in denen er sich mir als einfühlsamer und nachdenklicher Mann darstellte.

Das Problem war bloß, ich wollte mit der Zeit immer mehr die Realität in mein Leben holen. Wie man in einer richtigen Beziehung  auch irgendwann wieder in den Alltag kommt. Kurz gesagt, ich strebte eine reale Begegnung an.

Mein Plan war, ihn bei einer öffentlichen Veranstaltung anzusprechen und ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Naiverweise dachte ich, er würde sich sicher für ein junges filmbegeistertes Mädchen interessieren. Er war 17 Jahre älter als ich. Also scannte ich das Internet wie wild, nach öffentlichen Premieren mit anschließendem Publikumsgespräch. Eine gute Voraussetzung war schon mal, dass wir in der selben Stadt lebten. Auch fand ich durch Zufall raus, wo er wohnte. Eine Freundin von mir hatte ihn in einem Cafe gesehen. Er hatte ihr die Nase vor der Tür zugeschlagen. Sie war wenig angetan von ihm. Mich bremste das in meiner Verliebtheit jedoch wenig aus. Auch sah ich ihn durch Zufall im Schwimmbad, da trat er dann doch rücksichtsvoller auf. Alles andere wäre wegen meines miserablen Schwimmstils, schlecht für mich gewesen. Nach dem Schwimmen kehrte ich regelmäßig in seinem Cafe ein, man muss sich ja auch irgendwie stärken nach so viel Bewegung. Ins Cafe kam er nie. Im Schwimmbad sah ich ihn noch ein paar Mal, genauso wie diverse andere Filmstars, auch eine enge Kollegin von ihm.

So langsam hatte ich auch keinen Bock mehr darauf, eine Frau mit einer Phantomliebe zu sein. Ich wollte ihn immer mehr nur noch treffen, um mit dem Kapitel abschließen zu können.

Dann ergab sich eine perfekte Gelegenheit. Eine Filmpremiere mit Publikumsgespräch und danach ein Brunch.

Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen, fing ihn ab und konfrontierte ihn mit meinen Fragen zum perfekten Berufseinstieg in die Filmbranche. Er gab sich einsilbig, sein Ausdruck sagte schon deutlich: Was will die jetzt von mir? Was erwartet die nun von mir? Zugegeben die Erwartungen an Stars sind ja doch um einiges höher, als an Otto Normal. Oft sollen sie etwas abgeben von ihrem Kuchen der Berühmtheit, das irritierte mich eigentlich weniger. Aber leider ging er köstlich amüsiert zu seinen Freunden zurück und es sah so aus, als erzählte er ihnen von mir. Ich verschwand dann auch sofort von der Veranstaltung. Was ich auch bemerkt hatte war, dass er doch ziemlich fertig und alt aussah. Er hatte deshalb auch nicht mehr viel gemein mit dem starken Mann gemein, den ich mir erträumt hatte. Außerdem wirkte er schon sehr arrogant auf mich und wenig empatisch.

Nun war endlich die Realität in meine Phantombeziehung mit einem Star eingedrungen. Aber das war an dem Punkt sehr gut so.

Die Phantomliebe loslassen

Meine Phantomliebe konnte ich gut loslassen, denn in der Realität existierte sie nicht. Mein Star entpuppte sich nicht als der einfühlsame Mann, von dem ich immer geträumt hatte. Und schließlich gehören zu einer Liebe immer zwei Personen.

Heute denke ich mit einem Schmunzeln an diese Zeit zurück. Aber ich erinnere mich noch immer begeistert an diese aufregende Zeit. Ansonsten gab es in dieser Zeit wenig positives für mich, denn ich war schwer krank.

Ich bin auch immer noch der Meinung, dass es völlig in Ordnung ist, sich in einen Star zu verlieben. Wichtig ist nur, dass man weiß, dass das keine reale Liebesbeziehung ist. So wie bei einem Film, der nur von einer Person kontrolliert wird, nämlich einem selbst. Ist natürlich eine Art Selbstschutz vor Enttäuschung. Schwierig wird es auch, wenn man dem Glauben verfällt, man seihe die perfekte Partnerin für seinen Star und man müsse ihm das nur noch klarmachen.

Da wird es gefährlich und man wird zum Stalker! In so einer Situation ist eine professionelle psychotherapeutische Betreuung dringend zu empfehlen.

So lange man aber genau weiß, was Realität ist und was die eigene Phantasie, steht einer kurzfristigen Phantombeziehung zu einem Star, nichts mehr im Weg.

 

Autor seit 12 Jahren
109 Seiten
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