Eier kochen – leicht gemacht?

Eier kochen – leicht gemacht? (Bild: johannes flörsch)

Räumen wir mal mit einem Irrtum auf - Wissenschaft und Eierkochen

Wer glaubt, die ultimative Anleitung für ein perfekt gekochtes Frühstücksei zu kennen, der lügt und wird mit Strafe nicht unter zehn hartgekochten Eiern (Kochzeit: 10 Minuten) auf einem Sitz bestraft. 

Zehn hartgekochte Eier essen! Das mag ein netter Spaß sein für den Frühstückstisch an Ostern oder den Kindergeburtstag, aber wer räumt die Schweinerei hinterher weg? Ganz zu schweigen vom Gezeter der Mütter von wegen "Was hat Ja-que-li-nä denn gegessen? Völlig verstopft, das Kind!" Nicht so schön.

Sind wir uns also zumindest in einem Punkt einig? Dass ein perfekt gekochtes Frühstücksei etwas anderes ist als ein weichgekochtes Ei (Kochzeit: 3–4 Minuten)? Prima, dann begeben wir uns jetzt in die Tiefen der Wissenschaft namens "Wie lange kocht man ein Ei?"

Das perfekt gekochte Ei: Blick in die Historie - Immanuel Kant und Marie Antoinette

Als Immanuel Kant (1724—1804) kategorisch befahl: "Handele stets so, dass dein Handeln Maßstab sei für das Handeln der anderen", schrieb er gerade an seinem wuchtigen Werk "Kritik der reinen Vernunft" (1781 bei Hartknoch erschienen). Der Forschung bisher entgangen ist die dem Werk immanente Codierung: Im Grunde handelt es sich bei der "Kritik" um ein Kochbuch.

Zu vermuten ist, dass Marie Antoinette (1755—1793) das Werk kannte. Der ihr nachgesagte Spruch "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen" lässt erkennen, dass sie die transzendentalphilosophischen Ansätze Kants in praktische Vernunft transformierte. Letzten Endes half ihr das nichts. Wie wir wissen, endete Antoinette unter dem Schafott. Womit wir elegant zurückgefunden hätten zu den kopflosen Hühnern bzw. zu Kant.

Never ending story: Wie lange kocht man ein Ei?

"Sie begriffen (gemeint sind die Köche; der Autor), dass die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurf hervorbringt, …" Was meint Kant an dieser Stelle?

In der etwas kryptischen Sentenz steckt eine mystisch-tiefe Erkenntnis: Wir Menschen neigen dazu, das Ergebnis einer Tat als das zu sehen, was wir uns wünschten – egal, wie die Realität aussieht. Auf die Frage übertragen "Wie lange kocht man ein Ei?" bedeutet das: Obwohl kein Mensch weiß, welche Kochzeit das perfekte Frühstücksei benötigt, wird genau diese Unkenntnis genutzt, um das Ergebnis zu rechtfertigen. Ich darf meinen Vater zitieren.

Vergebliche Liebesmüh: Das perfekte Frühstücksei gibt es nicht

Sonntag für Sonntag startete das Frühstück mit Papas banger Frage: "Wie sind die Eier?" Wir Kinder, noch unter dem Einfluss diverser Drogen der vergangenen Nacht und unfähig für empathische Äußerungen, wir schwiegen. Die Eier, sie waren, wie ausnahmslos immer (rep.: ausnahmslos!), hart. Was folgte, war Kant in Reinkultur. Meinem Vater blieb nichts übrig als Rückzug: "Aber ich hab‘ die Eier genau nach Vorschrift gekocht."

Und so taucht die große Frage vierzig Jahre später wieder auf: Gibt es eine Vorschrift fürs Eierkochen? Wenn ja: wie lautet sie? Wie kocht man das perfekte Frühstücksei?

Wie war ich auf Kant gekommen? Ah ja! Sein Imperativ! Die Übersetzung des Kantschen Imperativs in Alltagssprache lautet: "Koch dein Ei so, dass es auch anderen schmeckt."

Immer dasselbe mit den Philosophen! Sagen einfach: mach dies, tu jenes – verraten aber nie, wie ich's denn nun machen soll. Und auch in der "Kritik der reinen Vernunft" von Kant findet sich kein Hinweis darauf, wie lange man ein Ei kocht, aber – immerhin – er diskutiert die Frage mit sich selbst im Vorwort.

Man braucht ein Ei zum Eierkochen

Fakten, Fakten, Fakten: So lange kocht man ein Ei!

Ich fürchte, es wird mir keine handhabbare Antwort gelingen – eher eine summarische. Darf ich, der Einfachheit halber, zusammenfassen?

Eier unterscheiden sich in Größe, Farbe, Alter. Wer glaubt, das perfekte Frühstücksei der Klasse M sei in derselben Zeit gekocht wie eines der S-Klasse, dem sei hiermit der VHS-Kurs empfohlen "Wasser kochen – leicht gemacht".

Fürs Kochen benötigt man Wasser. Gibt man nun die Eier ins kalte, ins heiße oder gar ins schon kochende Wasser? Mit Essig oder ohne, was ist mit Salz? Kocht man das Ei in wenig Wasser wie im automatischen Eierkocher? Muss man die Eier anpieken, vom Wasser bedeckt lassen, oder dürfen sie aus dem Wasser ragen? Kann man das Ei in der Mikrowelle kochen? (Lieber nicht!) Fragen, die jeden Philosophen überfordern, aber Potential bergen für einen veritablen Streit in der Familie.

Das gekochte Ei – welches meint man? Gekochte Eier gibt es in der Konsistenz hart (Kochzeit: ab 8 Minuten), wachsweich (4 bis 6 Minuten), weich (3 bis 5 Minuten), glibberig (~ 2 Minuten). Welchen Zustand möchte man erreichen? Das von mir so geschätzte wachsweiche Frühstücksei ist meiner Frau zu glibberig. Zu glibberig! Ich bitte Sie! Ich verrate Ihnen was: Das perfekte Ei, das Ei, das nach allen Regeln irgendeiner Kunst perfekt gekochte Ei ist immer das, das Sie nicht selbst gekocht haben! Ich wiederhole: "das Sie nicht selbst gekocht haben!" Nur so können Sie das nur im gekochten Ei schlummernde Potential ausschöpfen. Bitte lesen Sie weiter.

Hier stellt sich die Frage nicht - Eierkocher für die Mikrowelle

Zusammenfassung: das perfekt gekochte Frühstücksei

So lange kocht man ein Ei

Als Koch, falls also Sie selbst das Ei gekocht haben, stehen auch Sie im Fadenkreuz der Kritik! An Ihnen bleibt die Verantwortung hängen, bzw. Sie ärgern sich über sich selbst, falls Sie alleine frühstücken (müssen). Nein, ausschließlich jenes Ei, das nicht von Ihnen gekocht wurde, sondern vom geliebten Partner, bietet sämtliche Möglichkeiten entsprechender Reaktion:

  • Hat Ihr Partner das Ei gekocht, können Sie Ihre Zuneigung und Bewunderung über den Frühstückstisch ausbreiten. Können sich bewundernd verströmen über das perfekte Ei, mit dem das Glück in diesen Tag tritt, das aus Ihrer Liebe eine Goldgrube macht.
  • Sie könnten aber auch ganz gönnerhaft sagen "macht nichts" und damit die Überlegenheit Ihrer Liebe demonstrieren, die selbst ein falsch gekochtes Ei toleriert.
  • Oder aber, Variante drei, sie nutzen eine Diskussion übers gekochte Ei als Alibi für etwas, was Ihnen wichtig ist. Beispiel folgt sofort.

Arena Frühstückstisch. Ring fr-EI! 

Wollten Sie nicht am Nachmittag auf den Sportplatz, Ihre Frau aber hatte dieses neurotische Pärchen von der Arbeit eingeladen? Dann muss die Umsetzung Ihrer Strategie mit einem leisen Mäkeln übers Frühstücksei beginnen, sich in Grundsätzliches steigern ("Wenn du mich wirklich liebtest, wäre das Ei weich gekocht!") und schließlich zum Ziel führen: eine Stimmung schaffen, in der sie froh ist, wenn Sie weg sind und ihr den Besuch nicht vermiesen. Ihr geheimer Leitfaden während der Auseinandersetzung, Ihr Mantra, muss lauten: "Ich gehe auf den Sportplatz. Um jeden Preis." Bitte achten Sie darauf, dass das Wort "Sportplatz" frühestens dann fällt, wenn Sie den Fan-Schal umbinden und durch die Haustür stürmen.

Zwei Dinge sind bei diesem Rezept für das perfekt gekochte Ei wichtig. 

  1. Ob weich, hart oder glibberig spielt keine Rolle. Wie immer auch das Ei gekocht sein mag – für Ihre Zwecke ist es auf jeden Fall das perfekte Frühstücksei. Selbst wenn Sie es lieber weich gehabt hätten.
  2. Diese Form der Instrumentalisierung beherrschen Frauen besser als wir Männer. Der Rat muss also lauten: Wir Männer können keine Eier kochen. Niemals! Guten Appetit!

PS: Die Sonne geht übrigens im Osten auf.

Bildquellenangabe

Das Titelbild habe ich auf pixelio.de gefunden. Fotografiert hat es die Userin BirgitH, der ich herzlich danke für die perfekte Bebilderung meines Artikels!

jofl, am 09.03.2012
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