Vitamin-D-Mangel – ein Hype?
Angeblich hat fast jeder Bundesbürger einen Mangel an Vitamin D. Gleichzeitig werden entsprechende Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Nur ein Hype? Wem nutzt er?Die Sonderstellung des Vitamin D
Vitamin D hat eine Alleinstellung unter den Vitaminen, weil es der menschliche Körper mit Hilfe von Sonnenlicht selbst herstellen kann. Bei Menschen, die regelmäßig draußen sind, produziert die Haut, auch unter den hierzulande – auch im Winter - typischen Lebensbedingungen, 80 bis 90 Prozent des Bedarfs an Vitamin D selbst. Dafür muss sich der Mensch nicht täglich lange in der Sonne aufhalten und es genügt, Hände, Gesicht und Teile von Armen und Beinen bestrahlen zu lassen.
Ein ausgedehntes Sonnenbad ist nicht notwendig. Dennoch aber wird besonders in der Werbung zu Recht das Vitamin D als Sonnenvitamin bezeichnet.
Die restlichen 10 bis 20 Prozent des Vitamin-D-Bedarfs deckt der Mensch über die Ernährung. Nicht alle Lebensmittel enthalten Vitamin D; am höchsten ist die Konzentration in fetten Fischsorten, beispielsweise Lachs, Hering oder Makrele. Auch Leber, Eigelb und einige Speisepilze enthalten zum Beispiel Vitamin D.
Allheilmittel Vitamin D?
Das Sonnenvitamin wird schon seit einigen Jahren in Medienberichten über die Ergebnisse von meist fragwürdigen Studien ( bei Studienergebnissen sollte man immer dringend darauf achten, wer die Studie in Auftrag gegeben hat und wem die Ergebnisse und deren Veröffentlichung nützen) und im Internet als Allzweck-Waffe gegen Depressionen, Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschrieben und teilweise auch von Experten "gehyped".
Weil nach der Werbung der Hersteller von Vitamin D-Supplementen angeblich fast jeder Bundesbürger einen ungeheuren Vitamin D-Mangel in seinem Körper mit sich trägt, findet man im Internet, in Apotheken, Supermärkten und Drogerien zahlreiche Werbung für Nahrungsergänzungsmittel gegen einen Mangel an Vitamin D.
Die Stiftung Warentest rückt einiges gerade
Die Arzneimittel-Experten von Stiftung Warentest haben sich die Datenlage zu Vitamin D bei verschiedenen Krankheitsbildern beziehungsweise zu deren Vorbeugung sehr genau angeschaut. Sie kamen – wie viele andere Studien auch - zu dem Ergebnis, dass Vitamin D weder Krebs, Diabetes, Depressionen noch Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen könne.
Gesunde, aktive Erwachsene würden laut Stiftung Warentest noch nicht einmal von einer Nahrungsergänzung profitieren. Stiftung Warentest rät dringend davon ab, einfach auf Verdacht ohne ausführliche Rücksprache mit dem Hausarzt Vitamin D-Präparate einzunehmen. Denn die unkritische Einnahme könne aus ihrer Sicht zu Überdosierungen führen. Außerdem seien die meisten Heilversprechen zu Vitamin D ohnehin nicht haltbar.
Wie viel Vitamin D braucht der Mensch?
Diese Frage lässt sich nicht allgemein für jeden Menschen beantworten, denn wie viel Vitamin D der Körper selbst herstellen kann, hängt von Faktoren ab wie vom Alter, von den Lebensgewohnheiten, vom Hauttyp, vom Wohnort und von dem dortigen Sonnenstand.
Fest steht, dass der Großteil der deutschen Bevölkerung keinen Vitamin-D-Mangel hat. Damit der Körper durch die Sonneneinstrahlung genügend Vitamin D produziert, reicht es in Deutschland in den Sommermonaten nach Angaben des BfR, wenn ein Erwachsener je nach Hauttyp, Monat und Tageszeit 5 bis 25 Minuten am Tag Sonne tankt. Dabei sollte ein Viertel der Körperoberfläche – etwa Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen – Sonne abbekommen. Ein Sonnenbrand sollte immer vermieden werden.
Ärzte würden es anders beantworten.So führt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung aus: "Von einem Vitamin D-Mangel spricht man bei Serumkonzentrationen des Markers 25-Hydroxyvitamin D unterhalb von 30 Nanomol pro Liter Serum (30 nmol/l). Dies entspricht 12 Nanogramm pro Milliliter Serum (12 ng/ml). Von einer guten Vitamin D-Versorgung in Bezug auf die Knochengesundheit spricht man, wenn die Blutkonzentration dieses Markers mindestens 50 Nanomol pro Liter Serum beträgt. Dies entspricht 20 Nanogramm pro Milliliter."
Dieses medizinische Fachchinesisch sollte besser ein Arzt bewerten, wenn er entscheidet, ob Vitamin D in Tablettenform zusätzlich eingenommen werden soll.
Was kann "Otto Normalverbraucher" tun?
In einer gemeinsamen Stellungnahme raten das BfR, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und das Max Rubner-Instituts (MRI), Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sowohl im Sommer als auch im Winter oft an die frische Luft gehen. Körperliche Bewegung und Aktivität im Freien sowie Sport stärken Muskeln und Knochen. Sie empfehlen, ein- bis zweimal pro Woche fetten Seefisch zu verzehren, der neben Vitamin D auch n-3 Fettsäuren und Jod enthält.
Bei ausreichendem Aufenthalt im Freien und entsprechender Sonnenbestrahlung der Haut sowie ausgewogener Ernährung könne eine gute Vitamin D-Versorgung ohne die Einnahme von Vitamin D-Präparaten erreicht werden.
Wer produziert zu wenig Vitamin D?
Menschen, die sich nur selten draußen aufhalten oder die ihren Körper dabei völlig bedecken beziehungsweise verschleiern, produzieren weniger als die üblichen 80 bis 90 Prozent. Das gleiche gilt für Dunkelhäutige. Ältere Menschen sind ebenfalls leichter gefährdet, einen Mangel zu bekommen, da die Vitamin-D-Bildung mit zunehmendem Alter abnimmt.
Nur dieser Personenkreis muss unter Umständen Vitamin D in Tablettenform zusätzlich einnehmen. Ob überhaupt und in welcher Dosierung Tabletten eingenommen werden sollen, sollte aber allein der Arzt entscheiden, niemals der Patient nach eigenem Gutdünken,
Für Säuglinge empfehlen Kinderärzte in der Regel eine vorbeugende Nahrungsergänzung zum Schutz vor Knochenerweichung (Rachitis). Zur individuell passenden Dosierung berät der Arzt. Das gleiche gilt immer und unbedingt für Schwangere.
Nebenbei bemerkt: Es gibt einen Bluttest zur Feststellung des aktuellen Vitamin-D-Status. Er kostet 20 bis (meistens) 30 Euro. Gesetzlich Versicherte bekommen diesen Bluttest aber nur bei begründetem Verdacht auf einen Mangel, beispielsweise Osteoporose, erstattet. Auch für die Vitamin-D-Präparate zahlen die Krankenkassen nur in Ausnahmefällen.
Folgen einer Überdosierung von Vitamin D
Eigentlich ist eine Überdosierung von Vitamin D im menschlichen Körper durch zu starke Sonnenbestrahlung oder gesteigerten Verzehr von Lebensmitteln als natürliche Vitamin-D- Lieferanten kaum vorstellbar und höchst unwahrscheinlich; anders wäre das jedoch bei einer exzessiven Einnahme von Vitamin D-Präparaten. Vitamin D-Präparate sind wegen der Verfügbarkeit in verschiedenen rezeptfreien Präparaten ein erhebliches Risiko für nicht informierte Patienten.
Folgen einer solchen Vitamin-D-Überdosierung können die Bildung von Nierensteinen oder eine Nierenverkalkung sein. Deshalb sollten Erwachsene insgesamt nicht mehr als 100 Mikrogramm Vitamin D pro Tag über die Nahrung und/oder Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, Kinder bis 10 Jahre maximal 50 Mikrogramm.