Mit der Nebelmaschine geht alles besser

Mit der Nebelmaschine geht alles besser (Bild: © Vincenzo Laera)

Viel Lärm um nichts

Am Anfang liefert Arnarsson eine kleine Materialschlacht. Im Chor werden Schlachtgesänge und ähnliches vorgetragen, dazu gibt es laute treibende Musik, die zunächst verhalten beginnt, um Atmosphäre zu schaffen. Dann wird es heftiger. Doch was als Pulsanimation gedacht ist, erweist sich als Lullaby. Man hat das alles schon gesehen, gehört und erlebt, nur besser. Ohnehin erweist sich Arnarsson als Eklektizist obersten Ranges, es scheint, als würfele er Sequenzen und Bruchstücke vergangener und gesehener Inszenierungen zusammen, um sie als elanvolle Erneuerung zu präsentieren. Vor der Pause wird viel aufgefahren: Ein auf der Bühne rollender Panzer, ein herabhängender Elefant und Schauspieler*innen, die notorisch Kartons zerstören, was einen Umzugswilligen zu verstören vermag. Die ersten Passagen dieser Inszenierung sind gnadenlos verschmockt, der "Wert" liegt in der Show und in der Unterhaltung. Interessanter, aber langweiliger sind die häuslichen Dialoge. Penelope (stark: Johanna Bantzer) beschimpft ihren Sohn Telemachos (Nils Strunk) auf das Derbste, betrachtet ihn als Weichei, das nicht in den Krieg ziehen will. So sieht die Emanzipation von Arnarsson, der ja ums Heutige ringt, also aus, nicht nur in dieser Szene: Die Frau will ihren Mann als erfolgreichen Krieger sehen, sie aber bleibt daheim und kümmert sich voller Stolz ums Häusliche. Emanzipation ist folglich nur das Herauspicken der Rosinen – die Schattenseiten sieht Frau nicht, die werden dem Mann überlassen. Vor der Pause werden noch alle Kriege vorgetragen, die nach Troja stattfanden. Eine Frau klettert auf eine Leiter und listet all die menschlichen Verbrechen auf, die Eroberungen von Nachbarstaaten und entfernteren Landstücken. Das klingt alles sehr nach Pazifismus.

 

© Vincenzo Laera

 

 

Nach dem Krieg kommt die Irrfahrt von Odysseus

Doch es klingt nur so – insgesamt wirkt Arnarssons Werk wie eine ungewollte Glorifizierung des Krieges. Die Menschen sind nun einmal so, sie können nicht anders. Nach der Pause sitzt die Altgediente Silvia Rieger (genannt Bashir) als Afghanistan-Kämpfer mit Fronthelm neben ihrem Bruder (Claudio Gatzke), der in den Staaten drei Bücher veröffentlicht hat. Sie sitzen dicht nebeneinander, sind aber weit von voneinander entfernt. Der Krieg scheint eine Notwendigkeit zu sein, davon zu berichten weiß Odysseus, gespielt von Daniel Nerlich, der mit bemaltem, nacktem Oberkörper auf einer Art Floß an der Bühnenrampe steht, Selbstrechtfertigungen abliefert und deklamiert, was das Zeug hält. In der Tat – nach der Pause haben wir es mit einem Deklamationstheater zu tun, das an eine szenische Lesung mit Performance-Charakter erinnert, abgesehen von Video-Einspielungen und den gelegentlichen, zum Teil gelungenen Auftritten von maßgeblichen Frauen. Nerlich lässt sich lang vernehmen über das Abenteuer mit den Zyklopen, aus dem er bei seiner Irrfahrt letztlich erfolgreich hervorgeht, und schwenkt dann über zu den angriffslustigen Insekten, zu denen Odysseus sich selbst rechnet. Solange es solche Typen gibt, wird der Krieg nicht aussterben, das ist die Botschaft. Was will der Regisseur nun – die Darstellung der Unausweichlichkeit des Krieges, die Anprangerung oder gar die Abschaffung? Immerhin, als Ankurbelung der Reflexionsmaschine funktioniert dieses Drama.

 

Eine Odyssee
nach Homer
Neuerzählung von Thorleifur Örn Arnarsson und Mikael Torfason
Regie: Thorleifur Örn Arnarsson, Bühne: Daniel Angermayr, Kostüme: Karen Briem, Musik: Gabriel Cazes, Choreografie: Laura Witzleben, Video: Voxi Bärenklau, Nanna MBS, Dramaturgie: Degna Martens.
Mit: Johanna Bantzer, Daniel Nerlich, Sólveig Arnarsdóttir, Robert Kuchenbuch, Sarah Franke, Claudio Gatzke, Silvia Rieger, Sarah Maria Sander, Nils Strunk, Theo Trebs, Jella Haase.

Volksbühne Berlin, Premiere war am 12. 9. 2019, Kritik vom 14.9. 2019

Dauer: ca. 4 Stunden, eine Pause

© Vincenzo Laera

 

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