Waldrapp und Burghausen - ein Artenschutzprojekt der besonderen Klasse
Eine gefährdete Art neu ansiedeln, spektakulär dem Waldrapp das Zugvogel-Sein wieder beibringen - Artenschutzprojekte erfordern viel Einsatz.Waldrapp im Anflug (Bild: adele sansone)
Der Waldrapp (Geronticus eremita)
Der Waldrapp (Geronticus eremita), aus der Ordnung der Schreitvögel (Ciconiiformes) gehört zu den Ibissen (Northern Bald Ibis). Er lebt bevorzugt gruppenweise.
Merkmale des Waldrapps:
Der Hinterkopf und der Nacken haben verlängerte Federn, was zu der Bezeichnung Schopfibis oder Mähnenibis geführt hat; heute nennt man ihn auch "Punkvogel". Das Gefieder ist größtenteils schwarz mit grünem Metallschimmer. Er hat elegant spitz auslaufende Flügel, die er gerne ausgefächert der Sonne zuwendet, sowie lange Beine. Der rote, lange, nach unten gebogenen Schnabel besteht nicht aus Horn, sondern aus einem durchbluteten Knochen, der mit verhornter Haut (Keratin) bespannt ist und Tastsinneskörper enthält.
Ein ausgewachsener (adulter) Waldrapp wiegt bis zu 1,4 Kilogramm. Das Weibchen ist nur unwesentlich kleiner. Er wird 65 bis 67 Zentimeter groß, die Lebenserwartung liegt bei etwa 15 bis 20 Jahren.
Das Waldrapp-Projekt
Ein Waldrapp-Erhaltungs- und Zuchtprogramm (EEP) wird seit Jahren vom Innsbrucker Alpenzoo geleitet und koordiniert. Die Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal unter Leitung von Kurt Kotrschal wiederum führt seit 1997 ein Freiflugprojekt. Seit 2002 brütet und überwintert diese Kolonie (im Winter in der geschützten Voliere) im Grünauer Cumberland Tierpark.
Menschliche Waldrapp-Pflegeltern stehen für das Migrationsprojekt (Überwintern als Zugvögel) den Jungvögeln ab dem Schlüpfen als Lehrer und Eltern zur Verfügung. So konnte ich selber etwa im Sommer 2004 in Grünau die menschlichen Waldrapp-Eltern mit ihren schwarz gefiederten Pfleglingen auf den Wiesen beim Ultralight-Flug Übungen zusehen. (Und mein Herz an diese Vögel verlieren.)
Das Waldrappteam unter Leitung von Johannes Fritz versucht seit 2003 (erfolgreich!) mit Ultralight Flugzeugen im Vorausflug, einer Gruppe handaufgezogener Tiere die Zugroute nach Süden beizubringen. Die Überwinterung erfolgt seit 2003 in Orbetello, einem Schutzgebiet in der Toskana.
Von den 25 in Burghausen anwesenden Vögeln migriert ein Teil bereits ohne menschliches Zutun zwischen dem Brutgebiet in Burghausen/Bayern und dem Wintergebiet in der südlichen Toskana. Gefährdet sind sie jedoch durch Unfälle (Strommasten, Wettereinbrüche und die leidige Vogeljagd).
Johannes Fritz (Bild: adele sansone)
Das Waldrapp-Team
Teamleiter Dr. Johannes Fritz und Daniela Trobe (sie betreut die Besenderung und Signale aller Waldis und ist im Winterschutzgebiet Orbetello vor Ort) sind hauptberuflich mit dem Waldrapp beschäftigt. Weiters zum Team gehören Biologe Markus Unsöld, der selbst Waldrappe aufgezogen hat oder Michael Schroll, der derzeit der Chef vor Ort in Burghausen ist. An die 20 Freiwillige von Bund- und Naturschutz, die hier einmal im Blickpunkt stehen dürfen, Studenten, die verschiedene Aufgaben betreuen (etwa Standortsuche, Brutbeobachtung) und zusätzlich an den verschiedenen Standorten für die Handaufzucht Mitglieder des Waldrappteams und Volontäre, die sich als Zieheltern zur Verfügung stellen, sind der erweiterte Kreis dieses Projektes. Sie alle sorgen dafür, dass es für den Waldrapp rund läuft. Burghausen, here we come!
Ein Helferpaar berichtet
Das Paar A. und H., sie betreuen gemeinsam, erst als Einspringer für andere Fütterer, später dann als fixe Helfer seit 2012.
- "Berührend und einmalig war für mich (Helferin A.) das Erlebnis mit Waldrapp Sara, als ich relativ neu dabei war. Wir spannten das Netz der Voliere neu, ich hielt die Leiter. Plötzlich flog der Waldrapp Sara auf meinen Rücken und pusselte ausgiebig mit dem Schnabel im Kragen und an meinem Ohr herum. Mein erstes ganz persönliches Waldrapp-Erlebnis!"
- "Jeder Abschuss eines unserer Vögel durch die italienischen Jäger/Wilderer ist absolut niederschmetternd und unendlich traurig. Wenn es dann noch so einmalige Vogelpersönlichkeiten wie Goja sind, brauchen wir alle sehr lange, um darüber hinwegzukommen."
Trinken! (Bild: adele sansone)
Lebensweise und Aufzucht des Waldrapps in knappen Worten
- Entsprechend der Reihenfolge der gelegten Eier schlüpfen die Jungvögel im Abstand von ein bis mehreren Tagen.
- Die Jungen sind grau gefiedert und Nesthocker, wachsen jedoch schnell heran.
- Handaufgezogene Tiere unternehmen bereits in der dritten Lebenswoche die ersten Ausflüge über den Nestrand hinaus.
- Nach einer Nestlingszeit von 40-50 Tagen werden die jungen Waldrappe flügge und begleiten ihre Eltern bei den Nahrungsflügen.
- Im Alter von drei bis vier Monaten folgen die Jungtiere den Alttieren in das jeweilige Wintergebiet und erlernen auf diese Weise die Zugroute. In diesem speziellen Fall brachte Mensch den ersten Waldrappen des Projektes erstmals wieder die Flugroute bei. Seit 2012 führen bereits adulte Tiere Jungvögel ins Winterquartier.
Die Waldrappe sind fürsorgliche Vogeleltern, die ihre Jungen auch durchaus mit Flügelschlägen oder Schnabelhieben verteidigen.
Sonnen (Bild: adele sansone)
Das vielfältige Erlebnisspektrum freiwilliger Helfer beim Waldrapp in Burghausen
Die "helping hands" einmal im Mittelpunkt, denn Einsatz ist gefragt. Als Beispiel für die vielen freiwilligen Helfer (in Burghausen sind es etwa 20 Personen) in Artenschutz- und anderen Naturschutzprojekten, habe ich hier meinen Blick auf die Helfer des Waldrappteams Burghausen gerichtet.
Zwischen Mehlwurmzucht und Vogelkot
; Im Bild Mehlis, Waldis liebstes Leckerli
- Futter zubereiten und füttern, Futterschüsseln reinigen.
- Trinkwasser und Badewanne täglich reinigen und auffüllen.
- Vogelkot beseitigen.
- Voliere mithelfen zu reparieren, andere handwerkliche Arbeiten vor Ort.
- Gras mähen.
- Müll beseitigen.
- Papierkram, Ringlisten erstellen...
- Regenschirme, Sonnenschirme organisieren.
- per E-Mail Kontakt halten zum Waldrapp-Team (Projektleitung, Betreuer)
- Prospekte verteilen, Waldis (Plüschfigur) verkaufen, Besucher vor Ort mit Infos versorgen.
- Anpacken, wo Not ist.
In dieser Bandbreite etwa bewegt sich das Arbeitsfeld der Helfer. Und das nicht nur an lauschig warmen Sommertagen, sondern sobald die ersten "Waldis", die liebevolle Bezeichnung der Betreuer für ihre Schützlinge, in der Voliere in Burghausen auftauchen. Also etwa im lausig-nassen kalten Frühjahr 2013 kein Honiglecken.
"Meine schönsten, meine schrecklichsten Momente mit den Waldis"
Helferin U., sie begleitet die Waldis bereits seit ihrem Auftauchen anlässlich der Landesgartenschau in Burghausen 2004. Erst nur mit Interesse, aber bald schon mit vollem Einsatz bis zu mehreren Stunden täglich.
- "Mein berührendster Moment, als Goja 2011 als Erste den Weg über die Alpen (im Alleinflug) geschafft hat. Michael hat damals gerade die Voliere gesperrt, weil er die Waldis mit GPS ausstatten wollte, da kam plötzlich ein Waldrapp angeflogen. Michael dachte zuerst, wer ist da ausgekommen? Es war Goja, die allein aus der Toskana angekommen war."
- "Mein traurigster Moment, Oktober 2012. Wilderer in Italien töten Goja (beim Anflug ins Winterquartier in Orbetello). Ich habe in der Nacht auf Facebook ständig neue Mails bekommen und es hat mich so traurig gemacht. Ich konnte es gar nicht glauben."
Füttern (Bild: adele sansone)
... im Frühjahr geht es immer los - Die Waldrappe kommen - die Helfer stehen in den Startlöchern
Sobald es im Frühjahr heißt, die Waldrappe kommen - damit sind nicht die selber migrierenden Vögel gemeint, sondern die adulten Vögel, die per "Autostopp" quasi vom Winterquartier aus der Toskana als Vorhut nach Burghausen gebracht werden. Sie verbleiben die erste Zeit in der geschlossenen Voliere und sollten idealer Weise bereits in Brutstimmung sein (war im Frühjahr 2013 zu kalt und zu nass), wenn die migrierenden Waldrappe aus dem Süden eintreffen. Dann wird auch die Voliere geöffnet und es beginnt die Freiflugzeit.
2 x täglich wird gefüttert und Trinkwasser zubereitet. 2013 gab es aber noch einige Male Minusgrade und Schnee. Der Kaltwasserzufluss war gefroren. Trinkwasser musste also aus den Haushalten mitgebracht werden und Futtergeschirr wurde ebenso bei den Helfern in ihren eigenen Küchen gereinigt.
Sobald die ersten migrierenden Vögel auftauchen und die Paare zu brüten beginnen, sowie in der Aufzuchtzeit heißt das z.B. Futter schneiden, portioniert einfrieren, Mehlwürmer abholen und in der Kiste einrichten; Futtermischungen für diese zubereiten...
Ganz, ganz viel Herz
stecken die Freiwilligen in ihre Arbeit. Die Augen leuchten, wenn sie von ihren Erlebnissen, aber auch Kümmernissen mit den Waldrappen berichten. Mit viel Engagement und Herzblut tragen sie das Projekt mit und hoffen vor allem, dass in der kritischen Zeit des Vogelzugs keine neuen Verluste zu betrauern sind.
Franziskus heißt der neue Papst, benannt nach dem Schutzheiligen der Tiere, dem Heiligen Franziskus von Assisi, hoffentlich ein gutes Zeichen für die Waldrappe.
2017 wurde in Burghausen der neue Brutplatz direkt an der Mauer der längsten Burg Europas errichtet und von den Waldis bestens angenommen, dann soll es nur strahlende Gesichter geben, geschnäbelte und ungeschnäbelte.
"Auch wenn ich weiß, dass jedes Lebewesen sterblich ist ..."
Helferin R., sie arbeitet seit Frühjahr 2011 beim Freiwilligen-Team. An Wochenenden und Feiertagen springt sie ein. Da sie die Vögel natürlich auch gerne beobachtet, kommen dann schon 5 - 6 Stunden zusammen.
- "Mein schönster Moment war in diesem Frühjahr 2013, als ich zur Fütterung fuhr. Da bemerkte ich einen frei fliegenden Waldrapp und hatte schon Angst, die Voliere steht offen und alle Waldrappe sind in alle Himmelsrichtungen verstreut. Doch es war Waldrapp Hella, die selbstständig von Orbetello, dem Wintergebiet, zurück gekehrt ist. Welch eine Freude!"
- "Was mich arg mitnimmt, ist der Tod. Auch wenn ich weiß, dass jedes Lebewesen sterblich ist, trauere ich noch heute um die Waldrappe Burghi und Knox (beide Stromschlag), Jedi und Goja (Abschuss durch Wilderer)."
Das Waldrapp-Projekt unterstützen
Auch wenn durch die Anerkennung als EU-Life+ Projekt einige Sorgen vom Waldrappteam kleiner geworden sind, Unterstützung ist immer noch gefragt.
Was können Sie für dieses Projekt tun?
- Unterstützen Sie den Förderverein.
- Werden sie Pate von einem Waldrapp.
Nach den durchaus positiven Meldungen, den durchgeführten menschengeleiteten Migrationen, gab es auch bereits einige frei migrierende Vögel, die ins Wintergebiet einkehrten.
Und damit leider auch schon wieder negative Nachrichten: den traurigen Verlust von erfahrenen Zugvögeln durch Wilderer.
Johannes Fritz: Nachdem bereits am 1. September unser Vogel KATO in der Provinz Grossto abgeschossen wurde, ist am 8. Oktober das Männchen TARA, einer unserer erfahrensten Vögel, ebenfalls abgeschossen worden, in der Provinz Venetia, nahe Thiene. Im Zeitraum des Abschusses dieser beiden Vögel waren 17 Waldrappe in Italien unterwegs. Zwei von 17 Vögeln ist eine extrem hohe Abschussrate.
Bildquelle:
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone
(Wie Sie dem Igel ein gutes Winterhaus oder Winternest basteln können)
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone
(Hast du eine Meise? Von Kohl-, Blau-, Hauben oder Tannenmeisen)