Warum Sie sich selbst vermessen sollten – Selbstoptimierung macht Spaß

  • Nicht vermuten - sondern messen!
    Vieles in unserem Tagesablauf und unserem Befinden beruht auf unserem Bauchgefühl, d.h. auf Vermutungen, wirklich gemessen haben wir es noch nie. Beispiel: Unser Schlaf. Wir wissen vielleicht gerade noch, ob wir durchschlafen, aber bestimmt nicht, ob z. B. unsere Tiefschlafphase auch lang genug ist, damit uns auf lange Sicht auch keine gesundheitlichen Probleme drohen. Konstante nächtliche Langzeitüberwachungen würden hier Licht ins Dunkel bringen.

  • Wie fit bin ich wirklich?
    Man kann dem Arzt noch so viel erzählen, wie gut man sich beim täglichen Walking fühlt, dass man 4 Stockwerke hinaufsteigen kann ohne aus der Puste zu kommen etc., was letztendlich einzig und allein Aufschluss über Ihre Fitness gibt, sind Ihre Pulswerte oder der Blutsauerstoffspiegel. Und Ihre Messkurve könnten Sie dann beim Arztbesuch vorführen.

  • Keine Diät und keine Nahrungsumstellung hilft mir!
    Auch beim Thema Diät und Abnehmen scheint die neueste Technologie vielversprechend zu sein. Einfach eingeben, was man am Tag an Nahrung zu sich nimmt, und dann die Ergebnisse beim Arzt oder der Krankenkasse präsentieren, natürlich vorausgesetzt man schummelt nicht. Vielleicht kommt dann manch einer schneller an die gewünschte Fettabsaugung. Denkbar ist auch, dass durch gezieltes Ess-Tracking auch Nahrungsunverträglichkeiten schneller entdeckt werden können.

  • Ganzheitlich geheilt werden - wer will das nicht?
    Der ganzheitliche Ansatz im Gesundheitssystem könnte durch Quantified Self-Anwendungen gepusht werden. Wer von uns hat sich noch nicht daran gestört, dass beispielsweise der Orthopäde die Erkenntnisse des Neurologen bei seiner Diagnose völlig außer Acht lässt. Warum? Sei es aus Unkenntnis oder Unwilligkeit, über den Tellerrand hinausschauen zu müssen oder sei es der Bürokratie des Gesundheitssystems geschuldet. Mit einer automatischen Überwachung und Einspeicherung der Daten könnte jeder Facharzt immer auch auf andere Disziplinen schauen und es ergäben sich möglicherweise interessante Querverbindungen.

  • Ich will für meinen Körper Verantwortung tragen!
    Patienten werden zu Selbstverantwortlichkeit und Mündigkeit ihrer Gesundheit gegenüber erzogen. Sie lernen, Ihre eigenen Gesundheitswerte zu interpretieren, wenn nötig gegenzusteuern und werden dadurch unabhängiger von Arztdiagnosen.

  • Ich trage zu Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen bei!
    Viele Routine-Untersuchungen, wie beispielsweise das Belastungs-EKG könnten in Arztpraxen eingespart werden - die Ärzte hätten folglich wieder mehr Zeit für ernste Fälle. Mehr Effizienz im Gesundheitssystem würde insgesamt zu geringeren Kosten führen.

Warum Sie mit Fitness-Tracker-Methoden sehr vorsichtig sein sollten – die Risiken

  • Vorsicht, ich bin verletztlich!
    Datensicherheit ist das A und O. Wer sich selbst vermisst und die Daten ins Netz stellt, macht seine Messwerte öffentlich und damit seine Privatsphäre angreifbar. Um die angesprochene Ganzheitlichkeit und Zusammenarbeit in die Praxis umzusetzen, brauchen Gesundheitsdienste (z.B. Ärzte) und Pharmaunternehmen zwangsläufig Zugriff auf unsere sensiblen Daten und hier liegt die große Gefahr des Missbrauchs.

  • Möchte ich mich selbst überwachen und schikanieren?
    Möchte ich mir ein permanent schlechtes Gewissen machen, weil ich laut Schrittzähler heute meine 3000 Schritte nicht erreicht habe, weil ich meinen Ernährungsplan heute torpediert habe und nun meine Blutzuckerwerte die Obergrenze überschreiten? Grenzt das an Manie? Muss ich wirklich analysieren, was mein Körper den ganzen Tag so treibt? Selbstvermessung steht im Gegensatz zu Selbstvertrauen und gesundem Menschenverstand, brauche ich das überhaupt?

  • Achtung, zu viele Apps sind unbrauchbar!
    Viele derzeit erhältliche Apps, die sich "medizinisch" nennen und einen echten Gesundheitsnutzen versprechen, werden diesem Anspruch nicht gerecht oder sind sogar gefährlich. Gütesiegel werden sich erst mit der Zeit durchsetzen. Immer hinterfragen und recherchieren, bevor man sich einer Software "ausliefert". Den Besuch beim Arzt können Apps noch nicht ersetzen, höchstens die Anzahl der Arztbesuche verringern.

  • Hilfe, ich werde verfolgt!
    Das permanente Tracking von Daten ist zwar spannend für Daten-Junkies, Bewegungsprofile sind jedoch immer auch mit GPS-Daten verbunden, d.h. wo bin ich wann…ein gefundenes Fressen für Einbrecher, die sich unerlaubt Zugriff auf die Daten verschaffen. Diese Entwicklung wird uns zum gläsernen Menschen machen.

Chance und Risiko zugleich

Mit dem Quantified Self eröffnen sich immer spektakulärere Möglichkeiten der Medizin. Das geht weit über das hinaus, was wir uns heute vorstellen können. Übrigens geht es bei der Selbstoptimierung und –beobachtung nicht nur um gesundheitliche Themen. Auch bei Finanzen kann Monitoring-Software so eingesetzt werden, dass Einnahmen und Ausgaben automatisch überwacht werden. Auch die Arbeitsproduktivität kann überwacht werden, beispielsweise um automatisch herauszufinden, wie viel Zeit am Tag für Mailkorrespondenz aufgewendet wird oder wie oft man sich anderweitig auf Kosten der Arbeitsproduktivität ablenken lässt. Das sind alles sehr heiße Eisen, vor allem wenn die Daten in die Hände von Unternehmen/Arbeitgebern gelangen.

Vieles ist noch nicht ausgereift und richtig durchdacht. Aber dass der Quantified-Self-Trend unseren Markt überrollt, steht schon lange fest.

Von unserem Anspruch, ein selbstbestimmter Mensch sein zu wollen müssen wir uns in einer App- und Gadget-Gesellschaft wohl verabschieden.

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