Was Wikipedia übers Musikhören nicht weiß
Wir alle hören Musik. Und jeder findet irgendeine Form von Musik toll. Musikhören tut Menschen gut, irgendwie. Aber warum ist das so?Wenn das Herz anfängt zu pochen - Tief im Menschen verankert: Warum Musik etwas für Atmung, Blutdruck und Puls ist
Auf Musik mit An- oder Entspannung zu reagieren, ist im Menschen tief verankert. Da geht es um uralte Reaktionen auf akustische Reize wie Fluchtreflexe, wenn sich irgendwo etwas regt. Die Atmung geht schneller, der Puls beschleunigt sich, der Blutdruck steigt. Man ist plötzlich ganz Ohr. Doch Musik kann auch in ungeahnter Weise entspannen. Da kommen frühkindliche Geborgenheitsgefühle beim abendlichen Schlaflied zum Tragen.
Beim Musikhören ist es das Auf und Ab der Emotionen, das Menschen in Atem hält. Musik lebt vom Wechsel der Stimmungen, dann macht sie besonders Spaß.
Das ist übrigens ein Aspekt, mit dem klassische Musik – vor allem die Musik seit dem 18. Jahrhundert – im Vergleich zu alter Musik wie zum Teil auch Pop und Rock richtig punkten kann. Während sich eine Händel-Arie emotional mehr oder weniger auf einem Level bewegt, jagen Komponisten wie Beethoven, Schumann und Mahler in ihren Sinfonien die Zuhörer durch alle Höhen und Abgründe, die sich musikalisch auftun lassen.
Gemeinsam die Luft anhalten - Musik folgt einer Zeitachse: Sie lässt Menschen Gefühle im selben Moment erleben
Was Musikhören so besonders macht, ist die Tatsache, dass sie einer Zeitachse folgt. Alle Zuhörer nehmen musikalische Effekte also im selben Moment wahr. Nur so ist die besondere Atmosphäre in Konzerten zu erklären, wenn ein ganzer Saal beim Zuhören plötzlich die Luft anhält. Oder wenn das Publikum beim Open-Air-Konzert abhebt.
Menschen im selben Moment Gefühle erleben zu lassen, ist ein Effekt, der sich beim gemeinsamen Betrachten von Gemälden so niemals einstellt. Höchstens noch im Kino oder beim Public Viewing des Champions-League-Finales. Das ist ein Wirkmechanismus von Musik, den Wikipedia in seinem Kapitel über Musikpsychologie nicht verrät.
Vorfreude ist die schönste Freude - Wer weiß, was hinter der Musik steckt, kann sie intensiver genießen
Doch Musikhören ist nicht gleich Musikhören. Wie intensiv das erlebt wird, hängt entscheidend davon ab, was Einzelne über Musik wissen, wie bewusst sie bestimmte Strukturen wahrnehmen und (wieder-) erkennen. Denn dann sind Aha-Momente sicher. Das ist auch der Clou am wiederholten Hören von Musik: Wer weiß, was kommt, wer die Wendungen und musikalischen Effekte eines Stückes kennt, kann es noch mehr genießen. Erwartung, gespannte Aufmerksamkeit und Vorfreude lassen Musik intensiver wirken.
Der Werbeslogan "Man sieht nur, was man weiß" gilt auch fürs Musikhören. Schon allein, die Bedeutung des englischen Texts eine Liebesballade zu verstehen, kann für ein tieferes Musikerlebnis sorgen. Oder wenn man weiß, dass Eric Clapton "Tears In Heaven" schrieb, nachdem sein kleiner Sohn tragisch tödlich verunglückt war.
Musik intensiv zu hören lässt sich lernen - Seminare und Bücher, wie Musik zum Erlebnis wird
Bei klassischer Musik gibt es im Hinblick auf Strukturen, musikgeschichtliche Hintergründe und Eigenheiten der Komponisten natürlich auch jede Menge zu entdecken. Für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Doch das sind alles Dinge, die man sich auch aneignen kann. Dazu ein Tipp: Stefan Schaub, Musikwissenschaftler und Psychologe, bietet seit 30 Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz Seminare für klassische Musik an. Bei ihm können Zuhörer lernen, wie sich diese Musik besser erschließt und bewusster genießen lässt. Er führt an die Stücke heran, zeigt an Hörbeispielen das Besondere bestimmter Epochen, Werke oder Komponisten. Und hat selbst so viel Spaß dabei, dass sich seine Zuhörer dem gar nicht entziehen können. Daneben sind von ihm auch CDs und Bücher im Handel erhältlich, unter anderem ein Übungsbuch zum bewussteren Musikhören. Hier die Empfehlung auf klassik.com.
Ein Weg zum aktiven Musik-Erleben
Kostenlos Musik hören: Downloads - Lust bekommen, sich mal wieder was Neues anzuhören?
Hier noch ein Tipp für alle, die nach diesem Artikel Lust bekommen haben, Musik zu hören – und zwar nicht nur das, was Youtube zur Auswahl hat? 20 Millionen Titel zum Download bietet Simfy. Dabei ist ein Teil für registrierte Besucher kostenlos. Das volle Angebot ist aber nur für Abonnenten zu haben. Es gibt verschiedene Leistungspakete ab 4,99 Euro pro Monat. Hier ist die detaillierte Preisliste.
Titelfoto: Alexandra H./pixelio.de.
Collagen: Heimo Cörlin mit Fotos von Gerd Altmann, Alexandra H., Rafiki, Bluefeeling (alle www.pixelio.de).