Weinbergschnecke, Weichtier des Jahres
Der Naturschutzbund Österreich und die Malakologen (Weichtier-Experten) des Hauses der Natur in Salzburg haben die Weinbergschnecke zum Weichtier des Jahres 2020/2021 ausgerufen.Weinbergschnecke (Bild: a.sansone)
Wissenswertes rund um die Weinbergschnecke
Die Weinbergschnecke, Helix pomatia lautet der wissenschaftliche Name, gehört zu den Landlungenschnecken.
Familie: Schnirkelschnecken (Helicidae)
Gattung: Helix
Die Weinbergschnecke ist die größte Gehäuseschnecke, die bei uns vorkommt. Ausgewachsen erreicht sie eine Länge von bis zu 10 cm und wird etwa 30 g schwer.
Der Kopf trägt ein langes und ein kurzes Fühlerpaar, das eingestülpt werden kann.
Am Ende der langen Fühler sitzen die dunklen Äuglein. In den Fühlern sitzt auch der so wichtige Geruchssinn der Schnecken. Mit einem Gehäuse von bis zu 5 cm Durchmesser ist die Weinbergschnecke die größte in Mitteleuropa vorkommende Schneckenart.
Wie wächst so ein Schneckenhaus?
Die Weinbergschnecke bildet wie andere Gehäuseschnecken ein schraubig gewundenes (siehe Bezeichnung helix) Gehäuse aus Kalk, das sogenannte Schneckenhaus. Das bräunlich gefärbte Haus besteht bei jungen Tieren nur aus 2 Umgängen, beim Wachstum werden am Mündungsrand Zuwachsringe angelegt; zuletzt hat sie meist 5 Windungen.
Vorkommen
Die Weinbergschnecke ist eher wärmeliebend. Sie lebt in lichten Wäldern, Hecken und Gebüschen, an Feldrainen und noch vereinzelt in Weingärten. (siehe Gefährdung). Dabei braucht sie Kalkuntergrund wegen des Gehäusebaus. In den Alpen kann man sie bis in eine Höhe von 2.000 m finden.
*Helix=Windung, pomatia, poma=der Deckel.
Helix pomatia (Bild: a.sansone)
Nie auf der Überholspur - aber mit Amors Pfeil unterwegs
- Das gemächliche Tempo, sprich Schneckentempo, erfolgt durch die wellenförmige Muskelbewegung der Fußplatte. Dass sie dabei aber auch horizontal nicht ungeschickt sind, kann man an Regentagen beobachten, wenn man ihnen fotografisch auf die Spur kommt.
- Amors Pfeile
Die Paarung, ein "nervenaufreibendes" Geschäft, findet von Mai bis Juli statt. Auf der Schleimspur einer zweiten Schnecke - manchmal auch dritten Schnecke, kriecht es sich mal besser und so ist der/die Verfolgte (Schnecken sind Zwitter) rasch eingeholt. Da wird dann um einander herumgekrochen; wahrscheinlich müssen sie erst überlegen, wer jetzt nun Männchen, wer Weibchen sein soll;-) Die Geschlechtsöffnung befindet sich rechts. Daneben liegt auch ein dickwandiges Organ, das spitze Kalkgebilde, die Liebespfeile, enthält. - Schließlich legen sich die zwittrigen Schnecken aneinander und schießen sich gegenseitig mehrere Kalkpfeile in den Körper (Hormonstimulation). Dann werden die Spermien in einem Paket gegenseitig übergeben.
- Etwa sieben Wochen später werden die erbsengroßen Eier in ein Erdloch gelegt. Zwei Tage verharrt die Schnecke über dem Erdloch, dann ist die Ablage beendet. 10 bis 14 Tage später verlassen die glasigen, noch sehr ungeschützten Jungschnecken die Erdhöhle. Deren wichtigste Aufgabe ist es jetzt genügend kalkreiche Nahrung zu finden, um das Haus fest zu bauen.
- Erst nach drei Überwinterungen haben die Schnecken ihre maximale Gehäusegröße erreicht und sind geschlechtsreif. Die Lebenserwartung der Weinbergschnecke in der Natur liegt bei etwa fünf bis günstigenfalls zwölf Jahren.
Weinbergschnecke in Winterstarre (Bild: a.sansone)
Was macht eine Weinbergschnecke eigentlich im Winter?
Warm anziehen, oder was?
Die Weinbergschnecke hat eine gute Methode für die Winterstarre gefunden. Sie zieht sich an einem geschützten Platz meist im Gebüsch in ihr Haus zurück, wühlt sich etwas ein und verschließt den Deckel mit einer porösen Kalkschicht.
Wenn im Frühjahr die Temperatur über 8° C steigt und die Witterung feucht genug ist, verlässt sie ihr Winterquartier. Zuvor muss sie jedoch ihren Winterdeckel, das Epiphragma, mit dem Fuß aufstoßen. Dieser dient in der kalten Jahreszeit als Schutz vor Feinden und vor Austrocknung.
Bei den Weinbergschnecken gibt es aber auch die Trockenstarre, wobei sie sich bei großer Hitze und Feuchtigkeitsmangel ebenfalls in ihr Haus zurückzieht und vor Wasserverlust und Austrocknung mit dem Kalkdeckel schützt. Meistens an Bäume angeheftet.
Wodurch sind Weinbergschnecken gefährdet?
Heutzutage ist die Weinbergschnecke sowohl durch die moderne Bodenbearbeitung und den hohen Pestizideinsatz selten geworden. Lediglich in südlichen Weinbaugebieten kann sie noch häufiger angetroffen werden.
Natürliche Feinde, besonders der Jungschnecken, sind Käfer, Vögel, Dachse, Wachbären, Ameisen und natürlich der Mensch.
Obwohl Weinbergschnecken heute nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen streng geschützt sind, sind Schnecken als Lebensmittel weiter in vielen Ländern gebräuchlich.
Besonders in Frankreich gelten sie immer noch als Delikatesse. Die in der Gastronomie erhältlichen Schnecken stammen alle aus Zuchten, oft sind es gar keine heimischen, sondern osteuropäische Arten.
Achtung: Die Weinbergschnecke steht in Österreich, Deutschland und der Schweiz unter strengem Naturschutz.
(Bild: a.sansone)
Vom Nutzen der Schnecken
Sie sind nicht ausschließlich "Gärtners Schrecken", die Schnecken; schon gar nicht die Weinbergschnecke. Auch sie sind ein wichtiger Teil des Ökosystems.
Weinbergschnecken ernähren sich von Pflanzen, wobei sie oft welke Pflanzen den frischen grünen vorziehen. Deshalb trifft sie nicht so hart der Kampf des Gärtners.
Die Nahrung wird mit Hilfe einer Raspelzunge (Radula) aufgenommen. Diese besitzt unzählige kleine Zähnchen aus Chitin, die durch eingelagerte Mineralsalze sehr widerstandsfähig sind.
Die Annahme, dass Weinbergschnecken die Gelege anderer Schnecken fressen würden, kann nicht so eindeutig beantwortet werden. Bei erwachsenen Weinbergschnecken kommt jedenfalls weder Kannibalismus noch Fraß von anderen Schneckeneiern vor.
Der beste Schutz in einem Naturgarten vor Schneckenfraß ist auf jeden Fall der Einsatz ohne chemische Giftstoffe, nämlich ein simpler Schneckenzaun. Auch Krägen, die Jungpflanzen -auch Blumensetzlinge - vor gefräßigen Raspelzungen schützen, sind ein probates Mittel.
Von Schneckentempo bis Schneckenpost
Vergnügliches "wörtlich genommen" rund um die Schnecken:
- Schnecke von mhd. snecke, ahd. snecko, mnd. snigge, snegge - Kriechtier, Kriechen
- Auf die Langsamkeit der Tiere gemünzt folgen dann scherzhafte Bezeichnungen wie Schneckenpost (17. Jh.) und später der Schneckengang (18. Jh.)
- Aus dem Schneckengang wurde dann später das Schneckentempo. (Duden/Herkunftswörterbuch)
- Schneckling wiederum ist ein Pilz (Hygrophorus).
- Schneckenklee (Gattung Medicago) wird nicht von Schnecken besonders gern verspeist, aber
die Form seiner schneckenhausförmig eingerollten Hülsen verhalfen ihm zum Namen. - So allerlei Redewendungen, meist verbunden mit der Langsamkeit oder Bedeutungslosigkeit der Schnecke, gibt es natürlich auch noch:
-
jemanden zur Schnecke machen
-
langsam wie eine Schnecke
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Natur des Jahres 2020
Weitere Arten, die als Natur des Jahres 2020 ausgewählt worden sind:
Quellen
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Der große Mosaik Naturführer, Steinbach; Mosaik, 2000 München
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Tiere, Dorling Kindersley, 2006 Starnberg
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Tiere in ihrem Lebensraum, Dröscher; Ravensburger, 1988 Berlin