Dresden – einst eine Stadt der Gotteshäuser

Vor dem Bombardement vom 13. Februar 1945 gab es in Dresden eine Vielzahl an bemerkenswerten Gotteshäusern. Denn nachdem bereits in früheren Jahrhunderten in Dresden bedeutende Kirchen errichtet worden waren - nämlich die gotische Hallenkirche St. Sophien, die Schlosskapelle im Zeitalter der Renaissance, die Annenkirche, die Kreuzkirche, die Frauenkirche, die Dreikönigskirche, die Matthäuskirche, die katholische Hofkirche, alle sechs Barockkirchen - setzte im 19. Jahrhundert in der Stadt aufgrund der rasanten Zunahme der Bevölkerung ein regelrechter Boom beim Bau von Gotteshäusern ein. Diese waren baulich geprägt vom sogenannten Historismus, einer Richtung in der Architektur, bei dem die Baustile vergangener Epochen nachgeahmt werden. Entsprechend entstanden neoromanische, neogotische, neobarocke, Neo-Renaissance- aber auch Jugendstil-Bauten. Oftmals kam es auch zu interessanten Mischformen. Dabei handelt es sich um

  • die von Gottfried Semper erbaute Synagoge mit ihren orientalisch geprägten romanischen Formen;
  • die im Rokokostil gestaltete katholische Kapelle "Zum heiligen Kreuz" im Taschenbergpalais;
  • die im Stil der italienischen Neoromanik errichtete katholische Kirche St. Franziskus Xaverius;
  • die von der englischen Gotik geprägte Anglikanische Kirche "All Saints Church" (Allerheiligenkirche);
  • die Friedenskirche und die Martin-Luther-Kirche, die beide Stilelemente der Neoromanik und der Neogotik miteinander verbinden;
  • die im Stil der italienischen Renaissance erbaute Trinitatiskirche;
  • die für Soldaten beider Konfessionen errichtete Garnisonskirche, bei der der katholische Teil im neogotischen und der evangelische Teil im neoromanischen Stil gestaltet wurden;
  • die Versöhnungskirche, bei der sich neoromanische und neogotische Elemente mit denen des Jugendstils verbinden;
  • die im Stil der rheinischen Romanik errichtete Jacobi-Kirche;
  • die neobarocke Andreaskirche;
  • die Christuskirche und die Lukaskirche, beide durch Merkmale der Neorenaissance und des Jugendstils geprägt,
  • eine zweite Christuskirche, die zu den bedeutendsten Bauten des Jugendstils in Sachsen zählt;
  • die ebenfalls im Jugendstil gestaltete Zionskirche;
  • die Thomaskirche und die Evangelisch-Reformierte Kirche, beide neoromanisch;
  • die Kirche Michaelis, bei der man Elemente der Neogotik und des Jugendstils findet;
  • die Anstaltskirche des Johannstädter Krankenhauses, ein Bauwerk mit Elementen der Neoromanik, des Neobarock und des Jugendstils";
  • die Schottisch-Presbyterianische Kirche, ein villenartiges Kirchengebäude im Stil der Neorenaissance;
  • die neogotischen Kirchen Erlöser, Johannes, Herz-Jesu (katholisch), Heilig-Geist, Himmelfahrt, Markus, St.-Petri, St.- Pauli sowie St. John (Amerikanische Kirche); Ehrlichsche Gestiftskirche;
  • die Russisch-Orthodoxe Kirche mit ihren markanten Zwiebeltürmen;

Hinzukommen einige kleinere, teilweise bereits im Mittelalter errichtete, durchaus sehenswerte "Dorfkirchen", also Kirchen in Ortschaften, die nach Dresden eingemeindet wurden, sowie einige wenige im 20. Jahrhundert gebaute Kirchen von geringer kunsthistorischer Bedeutung.

Synagoge von Gottfried Semper (Bild: Lithographie von L. Thümling um 1860)

Anglikanische Kirche "All Saints Church" (Bild: Aufnahme um 1875, Urheber: unbekannt)

Der Beginn des Wiederaufbaus in Dresden

Nach den Bombenangriffen der Alliierten am 13. Februar 1945 glichen große Teile Dresdens, nämlich vor allem der innerstädtische Bereich, also Altmarkt und Neumarkt, sowie angrenzende Stadtgebiete wie die Johannstadt und die Südvorstadt einer Trümmerwüste. Weniger Schäden gab es in Striesen, dem Stadtteil, der direkt an die Johannstadt grenzt, sowie in Strehlen, dem Stadtteil, der von Striesen und der Johannstadt durch den "Großen Garten", einem innerstädtischen Waldgebiet, getrennt ist. Weitgehend erhalten geblieben war die Bebauung in der Neustadt auf der anderen Elbseite, in den sich an die Neustadt anschließenden nördlichen Stadtteilen sowie in Blasewitz, Loschwitz und am Weißen Hirsch, Villengegenden im Südosten Dresdens.

Nach dem Krieg wurden sofort Maßnahmen ergriffen, um die historisch wertvolle Bausubstanz in der Altstadt zu sichern, wobei es insbesondere um den Erhalt der Ruinen von Zwinger, Dreikönigskirche, Schloss, Hofkirche, Semperoper und Kreuzkirche ging. Nach der Entstehung der DDR wurden dann von der SED-Stadtführung Pläne für das weitere Vorgehen erstellt. Dabei hatte die Wiederherstellung von Wohnraum Vorrang. Deshalb wurde beschlossen, zunächst in den stark zerstörten Stadtteilen die Trümmerberge abzutragen und auf den frei gewordenen Flächen neue Wohnhäuser zu errichten.

Der Wiederaufbau erfolgte auch zunächst im Einklang mit der Dresdner Bautradition. So wurden die Fassaden der neuen Häuser am Dresdner Altmarkt mit barocken Schmuckelementen verziert, und es entstanden auch andernorts vier- bis fünfstöckige Reihenhäuser in traditioneller Bauweise. Ferner wurden teilzerstörte Wohnungen wiederhergestellt. Im Laufe der fünfziger Jahre rückte man jedoch immer mehr von dieser Vorgehensweise ab. Es begann der Abbruch historischer Bausubstanz, von dem zunächst vor allem Gründerzeithäuser und Villen betroffen waren, die man durchaus hätte wiederaufbauen können, und die Versuche zur Bewahrung des "Alten" wurden zunehmend ersetzt durch einen industriellen Wohnungsbau in Großblockbauweise, später auch in Plattenbauweise. Resultat waren neue große Wohngebiete - teilweise mit zehn- bis fünfzehngeschossigen Häusern - die jeden Bezug zur früheren Stadtstruktur vermissen ließen.

Katholische Kirche St. Franziskus Xaverius (Bild: Aufnahme um 1856, Urh.:Eduard Willmann (1820-1877))

Die Beseitigung von Kirchenruinen

Dass die Verantwortlichen bei der SED tatsächlich vorhatten, Dresden "ein anderes Gesicht" zu geben, wurde endgültig klar, als man in den fünfziger Jahren dazu überging, durchaus wiederaufbaufähige Kirchenruinen abzureißen bzw. zu sprengen. Diese Kirchen, die - wie es in der Dokumentation "Dresdens verlorene Kirchen" heißt – "selbst noch als Ruinen monumental und stadtbildprägend waren, wurden dem Wahn einer komplex zu schaffenden neuen sozialistischen Stadt geopfert." Hier sind zu nennen: die katholische Kirche St. Franziskus Xaverius, die Anglikanische Kirche "All Saints Church", die Johanneskirche und damit die wohl schönste neogotische Kirche in Dresden, die Erlöserkirche, die Andreaskirche, die Amerikanische Kirche St. John, die Schottische Kirche, die Evangelisch-Reformierte Kirche, die Jakobikirche, die Anstaltskirche des Johannstädter Krankenhauses, die Andreaskirche, die Ehrlichsche Gestiftskirche sowie die Sophienkirche. Der Vernichtung dieser Kirchen vorangegangen war die Zerstörung der Synagoge durch die Nationalsozialisten in der sogenannten "Reichskristallnacht" vom 9. zum 10. November 1938.

Fünf Kirchen, nämlich Dreikönigskirche, Frauenkirche, Hofkirche, Kreuzkirche und Lukaskirche, konnten durch Wiederaufbau gerettet werden. Das Gleiche gilt für die Kapelle "Zum heiligen Kreuz" im Taschenbergpalais. Die St. Pauli-Kirche, die Trinitatiskirche und die Zionskirche blieben wenigstens als Ruinen erhalten und werden für nicht-sakrale Zwecke genutzt. Und für die Trinitatiskirche deutet sich sogar ein "Happy end" an, weil sie demnächst in modernisierter Form wiederaufgebaut wird und dann als "Jugendkirche" dient. Auch die Synagoge ist in moderner Form wiedererrichtet worden.

Evangelisch-reformierte Kirche (Bild: Erinnerungsblatt zur Grundsteinlegung 1892)

Ideologische Grundlagen der "kirchenfeindlichen Politik" der SED

Die übrigen Kirchen, die ich oben genannt habe, hatten den Krieg mit nur geringen Schäden oder sogar unversehrt überstanden. Aber dreizehn Gotteshäuser sind – um dies noch einmal zu betonen - aus dem Stadtbild Dresdens verschwunden. Sie standen als steinerne Zeugen des christlichen Glaubens dem von der SED propagierten Atheismus buchstäblich im Wege. Dabei handelte es sich um Kirchenruinen, deren Gemeinden nicht mehr vorhanden war und für deren Erhalt sich folglich zu wenige Menschen stark gemacht haben. Das bedeutet auch, wie das Beispiel der Trinitatiskirche zeigt, dass Ruinen "überlebt" haben, wenn sich Menschen hartnäckig für ihren Erhalt eingesetzt haben. Denn bei der großflächigen Beräumung der Johannstadt haben verbliebene Gemeindemitglieder die Ruine der Trinitatiskirche "mit Zähnen und Klauen verteidigt".

Andererseits zeigt der tragische Fall der Sophienkirche, dass alle Bemühungen um die Rettung einer Kirchenruine nichts nützen, wenn sich ein skrupelloser Machthaber kaltschnäuzig darüber hinwegsetzt. So hatte der langjährige Vorsitzende des Staatsrates der DDR Walter Ulbricht die Beseitigung der Ruine der Sophienkirche höchstpersönlich angeordnet. In der Dokumentation ist hier von einem Akt der Kulturbarbarei die Rede. Denn mit der Sophienkirche ging eine Kirche verloren, die als einstige Franziskaner-Klosterkirche die älteste Kirche Dresdens und die einzige gotische Kirche in der Altstadt war, die eine Orgel des berühmten Orgelbaumeisters Gottfried Silbermann besaß und in der ein Sohn von Johann Sebastian Bach lange Jahre als Kantor gewirkt hatte.

Ferner diente die Sophienkirche viele Jahre als evangelische Hofkirche und war eine der vier Hauptkirchen in der inneren Altstadt. Ihre beiden schlanken Türme beherrschten – wie man in der Dokumentation erfährt - den Postplatz und bildeten für die Besucher der Stadt einen gut sichtbaren Wegweiser. Auf Grund der großen Nähe der beiden Bauwerke bildete sie zudem - wie das untere Bild zeigt - mit dem Dresdner Zwinger eine städtebauliche Einheit. Von der Sophienkirche geblieben ist ihr kostbarer Altar, der sich nach mühevoller Restaurierung heute in der Kirche in Dresden-Loschwitz befindet, eine Gedenkstätte, bei der man am ehemaligen Standort der Kirche die bedeutende Busmann-Kapelle, die benannt ist nach der Stifter-Familie Busmann, unter einem Glasdach nachgebaut hat, sowie weitere Schätze, die man aus den Grüften der Kirche bergen konnte.

Zwinger Kronentor, Sophienkirche (Bild: Aufnahme zwischen 1860 und 1890, Urh.: unbekannt)

Schlusswort

Ursache der "Abbruchstrategie" der SED in Bezug auf Kirchengebäude war meiner Meinung nach die – irrtümliche - Ansicht, dass Kirchen nur sakrale Gebäude sind. Man hat mit anderen Worten nicht erkannt – das galt vor allem für die "ideologischen Betonköpfe" in Dresden und Ost-Berlin - dass Kirchengebäude auch Güter sind, die für die Kunst und Kultur eines Gemeinwesens von überragender Bedeutung sind, weil Sakralbauten oftmals das Beste verkörpern, was die Künstler und Handwerker einer bestimmten Epoche zu leisten vermochten. Man könnte auch sagen, um wieder die Dokumentation zu zitieren: "Stürzen die Gotteshäuser ein, verlieren die Menschen einen wichtigen Teil ihrer Gemeinschaft", nämlich, wie ich an anderer Stelle formuliert habe, deren Seele und Gedächtnis. (S. dazu: https://pagewizz.com/faszinosum-kirchenraum-35846/)

Deshalb sollte meiner Meinung nach der Erhalt von Kirchengebäuden oder auch – im Falle der Zerstörung - ihr Wiederaufbau im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen immer absoluten Vorrang haben. Und dabei sollte man auch bedenken, dass Kirchengebäude nicht nur sakral, sondern auch - wie die vielen Möglichkeiten der Umnutzung von Kirchen zeigen - für profane Zwecke genutzt werden können. So werden auch in Dresden Kirchen, die nach Zerstörung oder starker Beschädigung im Krieg wiederhergestellt worden sind, nicht nur sakral, sondern auch "weltlich" genutzt. Das Argument, dass eine zerstörte Kirche nicht wiederaufgebaut werden sollte, weil sie keine eigene Gemeinde mehr hat, ist folglich nicht stichhaltig.

Quellennachweis:

https://www.dresden.de/media/pdf/denkmal/verlorene-kirchen-2018_web.pdf

 

Laden ...
Fehler!