Die Winnetou-Filme

Die Filmreihe rund um den fiktiven Häuptling der Apachen startete 1962 mit dem Streifen "Der Schatz im Silbersee". In loser und nicht unbedingt chronologischer Reihenfolge kamen dann innerhalb von sechs Jahren weitere zehn "Winnetou-Filme" in die westdeutschen Kinos. Großartige Panoramen, hervorragende Darsteller und natürlich die Abenteuergeschichten rund um Winnetou selbst sorgten offenbar für anhaltendes Publikumsinteresse. Einen weiteren Erfolgsfaktor bildete vermutlich Martin Böttchers Filmmusik, welche auf Schallplatte erhältlich war. In späteren Jahren wurden die Filme auch in DDR-Kinos gezeigt.
Beiderseits der innerdeutschen Grenze gab es zudem unzählige Fernsehausstrahlungen der Filmreihe. In Ost und West begleiteten die Winnetou-Verfilmungen beispielsweise das Fernsehpublikum regelmäßig durch die Adventszeit. Diese schöne Tradition, welche sich auch auf die Olsenbanden-Reihe und die Filme mit Bud Spencer und Terence Hill erstreckte, blieb bis Mitte der 1990er Jahre erhalten.
Kein Ruhmesblatt hingegen war der Versuch von Winnetou-Darsteller Pierre Brice, 30 Jahre nach Ende der Filmreihe an die alten Erfolge anzuknüpfen. Der Zweiteiler "Winnetous Rückkehr" ist nicht nur weitgehend unlogisch, sondern hat mit dem Flair der "alten" Verfilmungen auch nicht mehr viel gemein. Der schlimmste Fauxpas ist jedoch, dass Pierre Brice hierbei nicht wie bisher synchronisiert wurde, sondern seine Rolle in französisch akzentuiertem Deutsch spricht.

Winnetou-Drehorte: Die Neuerfindung des Wilden Westens

Kein Zweifel: Wer mit den Winnetou-Filmen groß geworden ist, bekam vermutlich ein völlig falsches Bild von indianischer Lebensweise vermittelt. Die bekanntlich im damaligen Jugoslawien befindlichen Drehorte beeindruckten mit atemberaubenden Flusstälern, malerischen Bergen und romantischen Seeufern am Waldesrand. Dies alles prägte unsere Vorstellung vom Wilden Westen und seinen Bewohnern.
Bereits die literarische Vorlage Karl Mays hatte nicht viel mit der nordamerikanischen Realität gemein, denn der Schriftsteller ließ seiner Phantasie weitgehend freien Lauf. Die von den Büchern erheblich abweichenden Plots der Filme machten das Ganze zumindest nicht besser oder realistischer... Trotzdem entstanden so natürlich hervorragende Abenteuerkulissen mit typischen Westernklischees: Planwagen, Zeltdörfer, Saloons, Forts, Farmen und Dampfeisenbahnen. Bilder aus dem echten Apachengebiet hätten dies vielleicht nicht so eindrucksvoll vermocht...

Darsteller in den Winnetou-Filmen

Die Filmreihe wartet mit einer ganzen Menge bekannter Schauspieler auf: Neben den Hauptdarstellern Pierre Brice und Lex Barker (nicht in allen Filmen) sind dies beispielsweise Daliah Lavi, Mario Adorf, Klaus Kinski, Terence Hill, Götz George, Uschi Glas, Eddi Arendt, Chris Howland und Stewart Granger. Nicht vergessen werden darf bei dieser Aufzählung Ralf Wolter, der den meisten Zuschauern wahrscheinlich eher unter seinem Rollennamen Sam Hawkens bekannt sein dürfte. Der kauzige Alte ohne Skalp erheitert mit knarrender Stimme auch nach einem halben Jahrhundert noch das Publikum durch seine Paraderolle.
Viele der Filmfiguren entsprachen nur sehr entfernt ihren literarischen Ursprüngen. Schlimmstes Beispiel hierbei ist Old Wabble: In Karl Mays Buchvorlage "Old Surehand" erscheint er als uralter, verbrecherischer Westmann und ist zeitweise ein gefährlicher Gegner der Romanhelden. Der gleichnamige Film hingegen macht aus Old Wabble einen Halbidioten mittleren Alters, der ein treuer, aber tollpatschiger Begleiter von Old Surehand ist.
Verlass ist bei der Winnetou-Filmreihe jedoch fast immer auf eine Tatsache: Die Schurken sehen stets gleich aus und sind bereits an ihrer dunklen Gesamterscheinung erkennbar.
Nur in "Winnetou und sein Freund Old Firehand" wird diese Regel teilweise gebrochen. Darsteller Rik Battaglia, der in vier anderen Streifen der Filmreihe den Schurken mimt (ebenso wie in der Karl-May-Verfilmung "Der Schut"), gehört plötzlich zu den Kämpfern für das Gute. Verwirrend!

Peinliches und Unlogisches

Befremdlich und kindisch zugleich wirkt in den Filmen jedoch vor allem die Darstellung der Indianer. Ihre Dialoge sind hölzern und teilweise beinahe sinnfrei. Die Rothäute sprechen zudem von sich andauernd in der dritten Person. Meist wirken die dargestellten Indianer (abgesehen von Winnetou und einigen wenigen Ausnahmen) leicht bekloppt. Anscheinend verbringen sie ihren Tag überwiegend mit Trommelei und kindischem Gezappel. Ihre Tänze und Rituale wirken albern. Mit der wirklichen Indianerkultur hat das rein gar nichts zu tun.
Winnetou selbst bildet bei diesen Peinlichkeiten keine Ausnahme. Man erinnere sich: Er trägt eine Art Gürtel um den Kopf und besitzt offenbar nur einen einzigen, fransenverzierten Anzug. Das gute Teil wird trotz zahlreicher Kämpfe, Klettertouren und Reitausflüge übrigens nie schmutzig.
Ein echter Höhepunkt in der ganzen Unlogik der Filme ist jedoch eine Szene aus "Old Shatterhand": Zwei Krieger werden ermordet, nachdem sie Winnetou zum Kräutersammeln in den Wald geschickt hat. Zur Erinnerung: Kräutersammeln dürfte in keinem Naturvolk Aufgabe der Krieger (!) gewesen sein. Zudem lebten die Apachen im doch eher kargen Südwesten der heutigen USA. Mit Wald ist da nicht viel...
Befremdlich ist aus heutiger Sicht auch so manche Einlage von Chris Howland, Eddie Arendt und anderen. Ihre albernen Späßchen rufen heute eher ein müdes Lächeln hervor. Aber vielleicht würde uns ohne diese kennzeichnenden Details auch etwas fehlen. Es wäre dann eben keine Nostalgie mehr vorhanden. Außerdem: Wie wird man in 50 Jahren wohl über heutige Filme denken? Deshalb – trotz aller Kitschigkeit: Winnetou-Filme sind einfach Kult!

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Donky, am 31.05.2015
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