Was versteht man unter "Wintergärtnerei"?

Gemeint ist damit heizungsfrei angebautes Wintergemüse, betrieben durch kleine Gärtnereibetriebe, aber auch im eigenen, sonst im Winter verwaisten Hausgarten ist es machbar.

Wer sich hier als Gärtner die Mühe macht, kommt auch im Winter in den Genuss von frisch geerntetem, wertvollem Gemüse und Kräutern. 

 

Gemüse Mitte November

im Folien-Gewächshaus/Tunnel (Bild: a.sansone)

Was braucht es für die Wintergärtnerei?

  1. Gemüse, das kälteresistent ist, wie Mangold, Spinat, Jungzwiebeln, Pak Choi, Asia-Salate, Winterportulak oder auch Senfsaat.
  2. gestaffelter Anbau, also eine laufende Aussaat für das Winterbeet beginnend im Spätsommer und Herbst, um auch in der Winterzeit und/oder ganz zeitig im Frühjahr ernten zu können.
  3. Geschützter Anbau, Gemüse unter einem Folientunnel und/oder Vlies, oder in einem geschützten Frühbeet/Mistbeet, je nach Anbaugebiet.
  4. Beheizung soll keine notwendig sein.
Folien-Gewächshaus für Wintergärtnerei
Gut verankert hält dieses Folienhäuschen

Gut verankert hält dieses Folienhäuschen (Bild: a.sansone)

Wann soll/kann man aussäen?

"Mitte August bis Mitte September ist die beste Zeit, um Herbstgemüse auszusäen", meinen die Fachleute. Ich habe (Höhenlage fast 900m Seehöhe) noch bis Mitte Oktober ausgesät. Bei mildem Herbstwetter kommen die Pflänzchen auch dann noch.


Eliot Coleman spricht vom "Zweiten Frühling" und meint den Herbst, in dem für den Winter gesät wird. Er startet damit am 1. August, denn die Kulturen brauchen in den unbeheizten Gewächshäusern dreimal so lang zur Reife wie in der warmen Jahreszeit. Wichtig ist, dass alle Kulturen gut angewachsen sind, bevor die Tageslichtlänge unter zehn Stunden pro Tag fällt. Denn dann gibt es nur mehr eine Art Kälteschlaf. Weil Gewächshausplatz kostbar ist, sät und pflanzt er enger und dichter als üblich.

Es wächst nicht nur der Salat

Salat und Ringelblume (Bild: a.sansone)

Diese Sorten Gemüse sind gut geeignet

  • Rucola: Rucola ist vergleichsweise kälteunempfindlich, man kann auch bereits früh Blättchen ernten.
  • Feldsalat: Aussaat von Anfang bis Ende September, zwischen November und Januar/Februar oder sogar ins Frühjahr hinein kann man ernten.
  • Spinat: Für die Ernte im Herbst und frühen Winter sät man den Spinat im August. Wer später sät, kann dann im zeitigen Frühjahr ernten.
  • Pflücksalat: Pflücksalate wie etwa Babyleaf sind bestens geeignet für den Anbau im Herbst.
  • Asia-Salate: Sie bieten sich ebenfalls an.
  • Kohl-Sorten, wie etwa Pak-Choi
  • Zuckerhut: ist auch bestens geeignet.

 

Erster Schnee Anfang November

(Bild: a.sansone)

Wie schützt man die Aussaat, die Jungpflanzen?

Neben rechtzeitiger Aussaat ist der Schutz vor Kälte von zentraler Bedeutung. Eliot Coleman verwendet dafür zwei Schichten. Die innere Schicht sind über Rundbögen gespannte licht-, luft- und feuchtigkeitsdurchlässige Vliese in langen Bahnen. Die zweite Schicht sind mobile Gewächshäuser, die je nach Bedarf verschoben werden können.

  • Am praktischsten erschien mir ein fix aufgestelltes Folien-Gewächshaus, das gerade einmal über eine Beetfläche geht. Immerhin ist in den Wintern bei uns meist reichlich Schnee.
  • Lagenlook gegen Kälte ist total in. Solange es noch mild ist, etwa Ende Oktober, Anfang November, genügt vorerst eine Lage Vlies.
  • Dann folgt in frostigeren Zeiten bzw. bei angekündigtem Schneefall, das Folien-Gewächshaus, das man allerdings gegen die Herbst- oder Winterstürme auch gut mit Seilen verankern muss.
  • Für die Wintertage mit Minusgraden zwischen -8° bis -12° kommt innerhalb des Gewächshauses auch noch auf Stäbe abgestütztes Vlies. (Zwei große Bahnen wurden immer im Wechsel ausgetauscht.)
  • Im letzten Winter, bei Temperaturen mit zweistelligen Minusgraden und das über mehr als 10 Tage, wurden über Nacht noch zwei Grabkerzen im Glas (wegen der Brandgefahr nie ungeschützte Kerzen in den Folientunnel stellen) als Frostschutzwächter aufgestellt.
  • Das angeeiste Vlies wechselte ich täglich am Morgen gegen eine frische trockene Bahn.
  • Schnee vom Häuschen abräumen, damit Licht in den Tunnel fällt, darf man auch nicht vergessen.
  • Und tägliches Lüften.

Auf diese Art kommt der passionierte Gärtner auch im Winter an die frische Luft und erleidet keine Entzugserscheinungen von der geliebten täglichen Gartenarbeit..

Lagenlook fürs Winterbeet

Zusatzschutz Vlies (Bild: a.sansone)

Vereistes Gemüse, ist das überhaupt essbar?

Bei Frost bilden sich innerhalb und außerhalb der Zellen Eiskristalle, zeigen Wolfgang Palmes Experimente. Doch nur das "innerhalb der Zelle" gebildete Eis ist gefährlich. Kommt der Frost langsam kann sich die Pflanze helfen und legt die Zellen "trocken", denn das Eis außerhalb ist für einige Zeit unproblematisch. So überlebte der Salat eben auch neun Grad Minus! (Quelle: Palme; Frisches Gemüse im Winter ernten)

Das Auftauen muss langsam erfolgen, dann kann das Gemüse problemlos verarbeitet werden. Auf den Geschmack wirkt sich die Kälte unterschiedlich aus. Das eine wird herber, das andere zarter und geschmacksintensiver.

Ernten

Bei allen Salaten und Blattgemüsen gilt: Niemals berühren so lange sie gefroren sind, denn da zerbrechen die Blätter wie Glas und faulen beim Auftauen.

Salatblätter und andere Gemüseblätter kann man frisch essen oder als Pfannengemüse kurz anbraten. Wunderbar für Wok-Gemüse geeignet.

Kalte Finger muss der Gärtner allerdings schon riskieren, denn am besten erntet man, indem man die Blätter oder ganze Pflänzchen (Feldsalat, Portulak) mit der Schere bewaffnet abschnippelt.

Dass man dabei auch so manches unvorhergesehen mitwachsende "Beikraut" mit ernten kann, soll nicht unerwähnt bleiben.

Versuch Wintergärtnerei

  • Erste Aussaat Beginn September
  • Zweite Aussaat Beginn Oktober. Pflanzen von September gut aufgelaufen.
  • Milder Oktober. Bei den ersten Nachtfrösten ein Vlies aufgelegt.
  • Ende Oktober Folien-Gewächshaus aufgestellt.
  • Anfang November erster Schneefall.
  • Beginn November erste Salate und Gartenkresse geerntet.
  • Tägliches Lüften, Schnee abstauben, im Dezember Temperaturen um -10°.
  • Einziges Problem ist das Öffnen der vereisten Reißverschlüsse des Folienhauses.
Suche nach dem Folienhäuschen
Wintergärtnerei extrem

Wintergärtnerei extrem (Bild: a.sansone)

 

  • Im Jänner über Nacht fast 1/2 m Schnee. Siehe Foto oben. Haus ausbuddeln als neues Wintervergnügen!
    Nachts Vlies zusätzlich im Gewächshaus aufgebracht. Täglicher Wechsel.
    Wachstumsstopp bei allen Pflänzchen. Sie warten eindeutig auf mehr Tageslichtlänge.
  • Im Februar Temperaturen im zweistelligen Minusbereich. Nachts als Frostwächter zwei Grabkerzen im Glasbehälter aufgestellt. Vlies ist angeeist, die Pflanzen sehen zwar angereift, aber nicht erfroren aus. Laufend mit der Schere Salat- und Gemüseblätter geerntet. Keinerlei Fäulnisschaden.
  • Im März beginnen die Pflanzen sichtbar wieder zu wachsen. Auch das Unkraut, liebevoll Beikraut genannt. Vogelmiere kann man ja schließlich auch essen.
  • Problem ist in unserer Höhenlage die Schneeschmelze, da extrem viel Feuchtigkeit sich ansammelt. (Stichwort:Drainage)
  • Mitte März beginnt es im geschützten Folienhaus kräftig an zu wuchern. Sogar die Karotten sprießen mit vollem Grün.
  • Ende März Folienhaus abgebaut.

 

Draußen liegt noch Schnee

im Häuschen sprießt es (Bild: a.sansone)

Weg mit dem Folienhaus

Anfang April (Bild: a.sansone)

Es sprießt üppig und blüht bereits Ende April

(Bild: a.sansone)

Wintergärtnerei, ein weiteres Jahr

Aussaat September (Bild: a.sansone)

Fazit

Es war ein interessantes Projekt. Hat manch kalte Finger gebracht. Zwar keine üppige Ernte im Winter, aber dennoch immer wieder frisches Grün, ein paar Blätter Gemüse/Salat zum Verarbeiten. Spaß hat es auch gemacht. Und im zeitigen Frühjahr explodierte quasi das ganze Winterbeet, während rundherum alles noch kahl war.

  • Lehre 1: gestaffelter aussäen.
  • Lehre 2: Kies zur Drainage einarbeiten, wegen der Schneeschmelze.
  • Lehre 3: Mit einem etwas anderen Pflanzenmix versuche ich es wieder.
  • Lehre 4: Nach sehr schneereichen Wintern, wo sich das Ausschaufeln des Folienzeltes als reine Sisiphusarbeit entpuppte, wird nun mal eine längere Erholungspause eingelegt.

Mein Tipp: Das Winterbeet, die Wintergärtnerei, ist in schneearmen Regionen ganz sicher eine interessante und auch erfolgversprechende Aktion. In schneereichen Gebieten aber kaum durchführbar.

 

Die Wintergärtner-Pioniere

Der Bio-Pionier und erfolgreiche Biogärtner Eliot Coleman erklärt in seinem Buch "Handbuch Wintergärtnerei" wie engagierte Biogärtner im Winter Ihr Gemüse ohne zusätzliche Heizkosten anbauen können. Man lernt, welche Gemüsesorten am besten geeignet sind, was eine kluge Fruchtfolge ist und wie der Schutz vor Kälte im ungeheizten Gewächshaus oder im Folientunnel funktioniert.

Der Österreicher Wolfgang Palme, Leiter der Abteilung Gemüsebau des Lehr- und Forschungszentrums Gartenbau Schönbrunn, forscht an der Außenstelle Zinsenhof bei Melk zu Themen wie Vielfalt, Bio und Wintereignung. Palme gilt als der österreichische Experte für Gemüsefragen. In seinem Buch "Frisches Gemüse im Winter ernten" sowie in seinen Schönbrunner Seminaren gibt er sein Wissen über erfolgreichen Winteranbau weiter.

https://experimentselbstversorgung.net/frische-ernte-das-ganze-jahr-ueber/

Adele_Sansone, am 15.10.2018
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Bildquelle:
a.sansone (Wozu braucht man einen Schneckenzaun?)
a.sansone (Wie machen Sie eine romantische Ecke im Garten?)
Heike Nedo (Pfirsichbaum pflanzen, schneiden und pflegen)

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